behinderte Menschen in der Öffentlichkeit

vom 29.03.2009, 21:37 Uhr

Hallo,

ist euch schoneinmal aufgefallen das behinderte Menschen oftmals immer noch sehr "eindringlich" angeschaut werden? Heutzutage sind doch immer mehr behinderte Menschen unterwegs auf öffentlichen Straßen, sodass es ja eigentlich schon fast "normal" ist (wenn man es in diesem Zusammenhang so sagen kann).

Mir ist es letztes Wochenende wieder extrem aufgefallen. Ich war bei einem Wochenendausflug von einer Organisation dabei. Wir waren mit 6 Jugendlichen unterwegs die geistig behindert waren. In jedem dritten Auto, welche an uns auf der Autobahn vorbei gefahren sind, haben die Insassen sich umgedreht und so lange es ging, zu unseren Betreuten geschaut. Auch als wir auf einer Raststätte angehalten hatten, standen wir im Mittelpunkt aller.

Wo man auch hinschaute, immer schaute jemand zu uns als ob unsere Hautfarbe grün wäre. Dies ging dann die ganzen Tage so weiter. Da unsere Betreuten nicht so "stark" behindert waren, sondern nur leichte geistige Einschränkungen hatten, kann ich dies nicht verstehen. Natürlich ist es vielleicht noch etwas anderes, wenn man mit behinderten Menschen unterwegs ist, welche schreien, schniefen und "sabbern", dann erregt man natürlich Neugier.

Was meint ihr dazu? Ist es bei euch in der Umgebung auch so, dass man oft "angeschaut" wird oder eher nicht?

Abschließend möchte ich auch sagen, dass es viele freundliche Menschen gibt die einem auch mal helfen wenn man ein Rollstuhltreppen hinauf oder herunter tragen muss :).

» froce » Beiträge: 110 » Talkpoints: 9,37 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Mein Cousin ist körperlich und geistig sehr schwer behindert und sitzt mittlerweile auch im Rollstuhl. Ich hole ihn manchmal am Mittag ab und laufe ein bisschen mit ihm spazieren, d.h. ich schiebe ihn eben vor mir her, wir laufen mal eine Runde um den See oder im Park. Dabei ist mir auch aufgefallen, dass vor allem ältere Leute immer sehr sehr mitleidig gucken, dann sogar auch herkommen, ihn wirklich angaffen und mich dann furchtbar seufzend fragen 'Was hat denn der Arme?'

Man erklärt es ihnen dann (auch wenns mir beim dritten Mal an einem Nachmittag schon echt schwer fällt und zum Hals raushängt) und versucht freundlich zu sein, aber was man dann erntet bzw. was der Behinderte dann erntet, sind mitleidige Blicke, fragende Blicke als gäbe es irgendeine Erklärung für das 'Problem'. Meistens wünschen einem die Leute dann alles Liebe, was auch nett ist, aber was bleibt ist immer nur Mitleid und sehr viel Trauriges. Leider erlebe ich so in der Öffentlichkeit mit ihm nie wirklich schöne Dinge und kaum Positives, sondern eher traurige Gesichter und ziemlich zermürbte Menschen, die einem ihr Mitleid bekunden. Das bringt einem natürlich jetzt nicht unbedingt weiter, es ist auch nicht so, dass ich es total fürchterlich finde aber es kommt eben leider sehr häufig vor, sodass ich davon oft nur noch genervt bin.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich kann dich vollkommen verstehen. Ich finde es vor allem schlimm wenn Menschen mit Alkoholproblemen die behinderten Menschen blöd anmachen (was mir leider schon häufig passiert ist). Oftmals muss man sich dann selbst zusammenreißen um ein "Vorbild" zu bleiben. So langsam "gewöhne" ich mich aber auch daran und versuche soetwas immer auszublenden.

Ein positives Beispiel wäre auch noch, das bei uns in der Jugendherberge keiner was gesagt hat oder auch nur schief geschaut hat. Die Jugendherbergsmutter hat sogar einfach so sich von einigen umarmen lassen(was natürlich nicht Alltäglich ist, was ich auch verstehen kann). Aber dadurch haben sich einige von uns einfach "besser" gefühlt. Ich denke eh, dass viele behinderte Menschen eher weniger Probleme haben als die"Normalen". Sie sind einfacher, oftmals auch liebevoller (abgesehen von manchen Erkrankungen) und man sieht Ihnen die Freude über bestimmte Dinge meistens besser an und freut sich dadurch auch vielmehr.

» froce » Beiträge: 110 » Talkpoints: 9,37 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Hallo!

Klar ist das so. Eine Randgruppe wird immer mehr beäugt als "normale" Menschen. Aber wer ist schon normal?

Wenn eine Gruppe Asiaten in einer Stadt auf Tour sind, werden diese auch mehr angesehen , als wenn eine Gruppe Europäer durch eine deutsche Stsdt wandern. Wenn eine Gruppe Bayern in Trachten durch Mitteldeutschland wandern, dann schaut man auch hin. Und wenn eine Gruppe behinderter Menschen durch die Stadt oder Gegend gehen, dann ist das für viele auch was besonderes. Und wenn diese Leute nicht beachtet werden, dann fühlen sie sich auch ausgeschlossen, weil dann ja auch wiederum keiner da ist, der hilft, wenn Hilfe benötigt wird.

Ich denke nicht, dass die Mitmenschen es böse meinen, wenn sie die Leute anschauen oder beobachten. Vielleicht wollen sie auch helfen oder haben sonst keinen Kontakt zu behinderten Menschen un interessieren sich einfach für sie.

Bei mir in der alten Heimat war ein Mann, der ab Brust abwärts keinen Körper hatte. Er saß in einem elektrischen Rollstuhl und fuhr immer über die Fußgängerzone. Er fand es sogar gut, dass man ihn auch ansprach und die Kinder sich mit ihm unterhielten und sich auch brennend dafür interessierten was er hatte und warum er so aussieht und ob das nicht weh tut.

Manche schauen auch einfach unbewußt zu solchen "Randgruppen" und wenn sie bewußt nicht hinschauen, dann ist es für manche auch nicht gut. Denn irgendwie ist der Mensch neugierig und das gezwungene Wegschauen fällt manchmal mehr auf, als wenn man hinschaut.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Hallo Force,

ich kenne diese Erfahrungen nur zu gut, da mein Bruder geistig behindert ist und dadurch auch ein auffälliges Verhalten an den Tag legt. Man muss mit der Zeit ein starkes Fell entwickeln, weil es einen sonst zu stark belastet. Das Gegaffe ist schon verletzend, aber das offentsichtliche Gerede und Lachen ist enorm verletzend. Können diese Leute nicht vor ihren eigenen Türen kehren? Körperlich oder geistig eingeschränkte Menschen sind genauso Menschen wie du und ich. Viele Menschen wissen nicht, wie verletzend ihr "Interesse" eigentlich ist.

Ich habe aber aufgehört, mich über diese Menschen aufzuregen. Sie wissen nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen und verhalten sich dementsprechend auffällig. Ich erwarte nicht, dass jeder weiß, wie man sich nun komplett richtig verhält. Aber Starren und Lachen gehört nicht dazu.

Teilweise bin ich auch noch verlegen, wie ich bei einigen Mitmenschen verhalten soll und bin unsicher, wie ich mich verhalten soll. Dann ist Freundlichkeit und Offenheit gefragt. Ein nettes "Kann ich Ihnen helfen" ist selten verkehrt und kann immer noch abgelehnt werden.

Ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl: Bietet Eure Hilfe an, wenn nötig, aber verfallt in eurer Unterhaltung nicht in übertriebenes Mitleid Ich will nicht unhöflich sein, aber aus vielfältigen Erfahrungen weiß ich, dass nur die wenigsten bemilteidet werden wollen. Ich hoffe, ich konnte euch weiterhelfen.

» Kikoo » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Midgaardslang am 29.03.2009, 22:06, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Diamante hat geschrieben:Klar ist das so. Eine Randgruppe wird immer mehr beäugt als "normale" Menschen. Aber wer ist schon normal?

Ich denke nicht, dass die Mitmenschen es böse meinen, wenn sie die Leute anschauen oder beobachten. Vielleicht wollen sie auch helfen oder haben sonst keinen Kontakt zu behinderten Menschen un interessieren sich einfach für sie.

Manche schauen auch einfach unbewusst zu solchen "Randgruppen" und wenn sie bewusst nicht hinschauen, dann ist es für manche auch nicht gut. Denn irgendwie ist der Mensch neugierig und das gezwungene Wegschauen fällt manchmal mehr auf, als wenn man hinschaut.

Sicherlich wird man immer angeschaut etc. aber dagegen habe ich ja persönlich auch nix. Wenn aber dann das Anschauen zu einen Gaffen wird und Menschen uns 30 Sekunden lang (mal bisschen übertrieben;-) ) anschauen, am besten dann mit offenen Mund, dann finde ich es nicht mehr nett sondern einfach nur noch nervig und ätzend. Gesundes Interesse ist ja auch vollkommen in Ordnung. Wäre ja auch schlimm wenn man sich für gar nix mehr interessiert und Menschen die vielleicht blutend am Boden liegen nicht mehr geholfen wird.

Bei mir in der alten Heimat war ein Mann, der ab Brust abwärts keinen Körper hatte. Er saß in einem elektrischen Rollstuhl und fuhr immer über die Fußgängerzone. Er fand es sogar gut, dass man ihn auch ansprach und die Kinder sich mit ihm unterhielten und sich auch brennend dafür interessierten was er hatte und warum er so aussieht und ob das nicht weh tut.

Das ist aber nicht der Alltag denke ich. Ich kenne durch meinen Beruf bzw. meiner Ausbildung viele Menschen, die bei so einer Frage sogar sofort anfangen würden zu weinen, weil sie mit ihrer Behinderung nicht zurechtkommen oder sie nicht akzeptieren. Aber für jemanden der damit gut umgehen kann, wäre vielleicht sogar das Richtige in Schulen zu gehen und Informationen zu verbreitet.

Was passiert wie? Warum ist es passiert? Hätte man es verhindern können? Wie komme ich damit klar? Ich denke das wäre für viele Kinder auch mal ein Erlebnis. :-)

» froce » Beiträge: 110 » Talkpoints: 9,37 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Hallo!

Mir ist es auch schon aufgefallen, dass manche Leute immer gucken müssen, egal ob Behinderte an ihnen vorbei gehen oder anders aussehende Menschen. So bald jemand etwas auffälliger oder anders ist, als andere, wird geschaut. Ich denke, dass es bei einigen ganz normal ist und keine böse Absicht dahinter steckt. Manchmal schaut man ja ganz automatisch und denkt sich nichts dabei.

Bei mir ist es so, dass ich oft mit Absicht nicht hinschaue, weil ich denke, dass sich die Behinderten oder anders Aussendende beobachtet vorkommen. Viele Menschen sind eben "Sensationsgeil". Man sieht es ja schon, wie viele gaffen, wenn es einen Unfall gab. Da kann dann plötzlich keiner mehr schneller Auto fahren und alle schleichen daran vorbei, um irgendetwas sehen zu können. Ich denke, dass es bei den Menschen mit Handicap genauso ist und daher viele Menschen glotzen.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Natürlich ist das von den Leuten nicht böse gemeint, aber ich kann gut verstehen, dass dieses Angegafft-Werden auf Dauer auf die Nerven geht. Der Grund für dieses übertriebene "Interesse" ist, dass obwohl immer mehr Behinderte auf den Straßen zu sehen sind, es immer noch etwas "Besonderes" für die Leute ist, ebenso wie die japanische Touristengruppe. Wenn wir die mal als Beispiel nehmen: in einer Touristenstadt wie z.B. Köln, glotzt sicher kaum einer mehr blöd, weil man dort Touristen einfach gewöhnt ist. Also bleibt zu hoffen, dass sich die Leute irgendwann daran gewöhnen werden und Behinderte keine Attraktion mehr sind wie heute leider immer noch oft.

Man müsste wirklich mehr "Aufklärungsarbeit" leisten, vor allem auch in Bezug auf geistige Behinderungen. In unseren Kindergarten ging ein Mädchen mit Down-Syndrom. Es war für uns als Kinder total normal. Natürlich hatten wir anfangs gefragt, warum das Mädchen "irgendwie anders" ist. Meine Mutter hat uns damals gesagt, dass das Mädchen "mongoloid" ist (so hat man das damals noch genannt) und uns ein paar Dinge über diese Behinderung erzählt. Danach war das Thema erledigt. Integrative Kindergärten wären also meiner Meinung nach die beste Lösung, um die Starrblicke irgendwann nicht mehr zu haben.

Ich denke, die Leute glotzen einfach immer, wenn irgendwas passiert oder irgendjemand vorbei geht, der nicht total gewöhnlich ist. Verkehrsunfälle gehören da ebenso dazu wie Behinderte und Mädchen in kurzen Röcken.

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» Studia » Beiträge: 1182 » Talkpoints: 2,44 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ja das kann ich mir vorstellen das oftmals gegafft wird. Bei uns ganz in der Nähe ist ein Behindertenwohnheim und einige der Bewohner dürfen alleine raus gehen oder zu zweit, aber halt ohne Betreuung, man kennt diese Menschen in unserer Gegend und sie werden auch höflich begrüsst, das machen sie nämlich unheimlich gerne alle begrüssen.

Manchmal geht dann aber auch eine Gruppe mit Betreuern einkaufen, das ist immer ein riesiges Gafferabenteuer, ich bin nicht immer dabei, logisch, aber ab und an bin ich dann auch gerade in dem Geschäft. Klar ok ist natürlich auch noch mal was anderes wenn so 5-6 Behinderte auf einem Haufen auftreten, aber eigentlich sollten auch alle anderen hier im Wohngebiet mittlerweile Bekanntschaft gemacht haben und sie nicht weiter beachten. Aber scheinbar ist es trotzdem noch sehr "spannend" für einige.

Meine Freundin hat eine kleine Tochter mit Trisomie und auch sie erzählt das sie oft angestarrt wird, wobei ich finde das es noch nicht mal so auffällig bei der Kleinen ist, aber sie sitzt halt noch im Kinderwagen, während ihr Kleine Schwester fröhlich durch die Gegend flitzt.

Ich denke gegen schauen hat noch nicht mal jemand was einzuwenden, und wer mag, darf mit sicherheit auch fragen, aber glotzen / gaffen, nein ich finde das muss nicht mehr sein.

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» aries24 » Beiträge: 1748 » Talkpoints: 9,84 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Studia hat geschrieben:Man müsste wirklich mehr "Aufklärungsarbeit" leisten, vor allem auch in Bezug auf geistige Behinderungen. In unseren Kindergarten ging ein Mädchen mit Down-Syndrom. Es war für uns als Kinder total normal. Natürlich hatten wir anfangs gefragt, warum das Mädchen "irgendwie anders" ist. Meine Mutter hat uns damals gesagt, dass das Mädchen "mongoloid" ist (so hat man das damals noch genannt) und uns ein paar Dinge über diese Behinderung erzählt. Danach war das Thema erledigt. Integrative Kindergärten wären also meiner Meinung nach die beste Lösung, um die Starrblicke irgendwann nicht mehr zu haben.

Ich hatte das letztens erst wieder im Studium. Viele Länder (im Europavergleich) sind Deutschland weit voraus. Vor allem was die Integrationsquote von behinderten Kindern in der Schulbildung betrifft. Sicherlich kann man nicht jeden integrieren, sollte man meiner Meinung nach auch nicht, aber viele der geistig behinderten oder am Down-Syndrom leidenden könnten bestimmt locker eine "normale" Schule besuchen. Auch wenn sie nicht die besten Abschlüsse machen, wäre trotzdem, meiner Meinung nach, vielen dadurch geholfen. Es wird halt zum Alltag, wenn man schon als Kind andere, behinderte, Kinder um sich herum hat. Oftmals wird dies ja auch angestrebt, dass behinderte Menschen zum "Alltag" werden und gleichmäßig akzeptiert werden, soweit es natürlich geht.

Mal noch kurz einen Exkurs zur Gleichberechtigung: Ich habe z.B. davon gehört, dass ein Mann im Schwimmbad einen epileptischen Anfall bekommen hat. Was war die Konsequenz? Er hat jetzt Hausverbot. Ich finde sowas unterste Schublade. Schließlich kann jedem etwas im Schwimmbad passieren, ob Krampf, oder Schwächeanfall oder ähnliches, was ist da dann der Unterschied?

Aber Gott sei Dank ist das Hausverbot wieder rückgängig gemacht worden, nachdem einige davon Wind bekommen haben :-)

» froce » Beiträge: 110 » Talkpoints: 9,37 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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