behinderte Menschen in der Öffentlichkeit
froce hat geschrieben:Mir ist es letztes Wochenende wieder extrem aufgefallen. Ich war bei einem Wochenendausflug von einer Organisation dabei. Wir waren mit 6 Jugendlichen unterwegs die geistig behindert waren. In jedem dritten Auto, welche an uns auf der Autobahn vorbei gefahren sind, haben die Insassen sich umgedreht und so lange es ging, zu unseren Betreuten geschaut. Auch als wir auf einer Raststätte angehalten hatten, standen wir im Mittelpunkt aller.
Habt ihr bei diesem Ausflug ein spezielles Auto benutzt (zum Beispiel einen eigenen Bus mit Aufdruck eurer Organisation oder etwas in der Art)? Falls dies der Fall ist kannst du meinen kommenden Einwurf natürlich ignorieren.
Falls ihr jedenfalls in einem/mehreren normalen Autos durch die Gegegnd gefahren seid kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Insassen der vorbeifahrenden Autos in irgendeiner Art und Weise bemerkt haben könnten, dass eure zu Betreuenden behindert sind und ergo auch kaum deswegen geschaut haben werden. Man bildet sich tatsächlich auch viel ein, wenn man erstmal daran gewöhnt ist dass einige rüberstarren. Das kann ich auch ganz klar aus eigener Erfahrung beurteilen, weil ich körperlich auch von einer angeborenen Behinderung betroffen bin, welche allerdings dank mehrfacher Operationen mittlerweile nur noch eine leichte körperliche Einschränkung und in erster Linie kosmetischer Natur ist.
Besonders schlimm war das für mich natürlich in der Pubertät, wo viele Mädchen ja sowieso schon unzufrieden mit ihrem Körper sind habe ich mich manchmal auch richtig übel gefühlt deswegen. Ich dachte, jeder den ich kennen lerne wrde als allererstes auf meinen Fuß starren - eine fürchterliche Vorstellung. Im Laufe der Jahre habe ich allerdings gelernt, dass die meisten Menschen solch einfache Beeinträchtigungen (also nicht im Rollstuhl sitzen oder sich nicht richtig bewegen können) von fast niemandem wahrgenommen werden, obwohl man sich einbildet dass mindestens jeder Dritte absolut draufstarrt und jedes Mädchenlachen hinter dir eigentlich dir weil man dich auslacht.
Und diese Einbildung betrifft keineswegs nur die Angestarrten selbst, ich habe mit meiner Mutter auch darüber gesprochen, die früher als ich noch klein und sie selber den extra Aufwand mit mir nicht gewohnt war auch das Gefühl hatte, alle anderen Frauen würden in den Kinderwagen starren weil mein Fuß komiosch aussieht und gerade denken, dass meine Mutter mich körperlich misshandelt hätte und sonstwas. Gerade in solchen Fällen ist das noch ganz einfach damit zu begründen, dass Menschen (vor allem Frauen) grundsätzlich in Kinderwagen reinschauen. Aber auch bei späteren Blicken ist das so. Überlegt doch mal, wie viele Menschen ihr unbewusst anseht, wenn ihr durch die Stadt geht und durch den Park lauft. Die meisten sieht man an, ohne sie wirklich zu sehen, doch gerade diese Blicke sieht man selbst dann auf sich ruhen und fühlt sich angestarrt.
Natürlich soll mein kleiner Exkurs hier nicht heißen, dass Behinderte in der Öffentlichkeit gar nicht angestarrt würden. Dass dies de facto geschieht ist mir auch klar, häufig ja auch aus hier bereits angesprochenen Gründen von der einfachen Neugier über Mitleid bis zum bloßen Gaffertum. Ich wollte lediglich ansprechen, dass man als selbst Behinderter, aber genauso als Betreuer oder Angehöriger viel sensibler auf die Blicke reagiert als ein "normaler" Mensch.
force hat geschrieben:Ich hatte das letztens erst wieder im Studium. Viele Länder (im Europavergleich) sind Deutschland weit voraus. Vor allem was die Integrationsquote von behinderten Kindern in der Schulbildung betrifft. Sicherlich kann man nicht jeden integrieren, sollte man meiner Meinung nach auch nicht, aber viele der geistig behinderten oder am Down-Syndrom leidenden könnten bestimmt locker eine "normale" Schule besuchen. Auch wenn sie nicht die besten Abschlüsse machen, wäre trotzdem, meiner Meinung nach, vielen dadurch geholfen. Es wird halt zum Alltag, wenn man schon als Kind andere, behinderte, Kinder um sich herum hat. Oftmals wird dies ja auch angestrebt, dass behinderte Menschen zum "Alltag" werden und gleichmäßig akzeptiert werden, soweit es natürlich geht.
Da kann ich dir nur Zustimmen, die Integration in Deutschland zum Beispiel in meiner eigenen Generation (ich bin 21) finde ich teilweise mangelhaft. Selbst für mich wurde meiner Mutter damals vom Arzt nahegelegt, doch eine "spezielle" Schule zu besuchen, damit mich die anderen Kinder nicht anstarren Glücklicherweise hat meine Mutter sich aber dagegen entschieden und mich auch auf eine ganz normale Schule im Ort geschickt. Die hatten auch kein Problem damit mich aufzunehmen und auch später im Umgang hatte ich keine Probleme mit meinen Mitschülern (so schlimm ist das mit meinem Fuß auch echt nicht). Und wenn der Arzt mich schon in eine Sonderschule schicken wollte, wem hat er dann wohl noch alles eine solche Empfehlung ausgesprochen, an welche sich sicherlich auch viele Eltern hielten?! (es handelte sich übrigens nicht um den Arzt des nächsten Krankenhauses oder so, er war ein Spezialist für den wir jedes Mal eine Fahrt von 250 km einfacher Strecke auf uns genommen haben)
Übrigens obwohl es "nur" eine Dorfschule war, habe ich selber da auch eher positive Eindrücke, was die Integration angeht, heraus mitgenommen. Unserer ersten Klassenlehrerin fehlten zum Beispiel an der rechten Hand alle Finger, da diese im Mutterleib bereits nach innen wuchsen (die Bezeichnung hab ich mir als Kind dann leider doch nicht merken können). Es sah schon recht wunderlich aus, wenn sie einen Stift mit Deckel öffnete, dann tat sie das mit einer Hand und dem Mund zur Hilfe. Wir hatten deswegen sogar großen Respekt vor ihr, denn wenn wir (heimlich natürlich) versucht haben, das nachzumachen, hatten wir das Gesicht voller Tinte.
Dass meine Grundschule allerdings die einzige im Einzugsgebiet der weiterführenden Schule gewesen ist, die auch körperlich behinderte Lehrer beschäftigt, durfte ich dann ab der fünten Klasse schmerzlich an den neuen Mitschülern feststellen - war am Anfang auch nicht so schön.
Taline hat geschrieben:Habt ihr bei diesem Ausflug ein spezielles Auto benutzt (zum Beispiel einen eigenen Bus mit Aufdruck eurer Organisation oder etwas in der Art)? Falls dies der Fall ist kannst du meinen kommenden Einwurf natürlich ignorieren.
Ja wir hatten so einen Aufdruck drauf.
Taline hat geschrieben:Da kann ich dir nur Zustimmen, die Integration in Deutschland zum Beispiel in meiner eigenen Generation (ich bin 21) finde ich teilweise mangelhaft. Selbst für mich wurde meiner Mutter damals vom Arzt nahegelegt, doch eine "spezielle" Schule zu besuchen, damit mich die anderen Kinder nicht anstarren Glücklicherweise hat meine Mutter sich aber dagegen entschieden und mich auch auf eine ganz normale Schule im Ort geschickt. Die hatten auch kein Problem damit mich aufzunehmen und auch später im Umgang hatte ich keine Probleme mit meinen Mitschülern (so schlimm ist das mit meinem Fuß auch echt nicht). Und wenn der Arzt mich schon in eine Sonderschule schicken wollte, wem hat er dann wohl noch alles eine solche Empfehlung ausgesprochen, an welche sich sicherlich auch viele Eltern hielten?! (es handelte sich übrigens nicht um den Arzt des nächsten Krankenhauses oder so, er war ein Spezialist für den wir jedes Mal eine Fahrt von 250 km einfacher Strecke auf uns genommen haben)
Ich finde es immer schade, wenn Eltern nicht darum kämpfen das ihr Kind in eine Regelschule gehen soll. Sicherlich sollte man seinen Arzt glauben, was meistens auch sehr angebracht ist, aber in solchen Fällen finde ich wollen es sich die Ärzte, wie auch die zuständigen Behörden, zu einfach machen. Hab erst letztens einen Bericht gelesen, in dem zum Ausdruck kam, dass einige Ämter die behinderten Kinder extra auf eine behinderten spezifische Schule schicken, um die Schulen zu erhalten.
Ansonsten würden natürlich einige geschlossen werden müssen. Aber da die Schulen, vor allem in den neuen Bundesländern, erst gut aufgebaut und eingerichtet worden sind, will dies niemand machen. Des Weiteren finde ich es auch mies, wenn Kinder die "nur" Körperbehindert sind, keine normale Regelschule besuchen können und dadurch unterfordert sind. Dies gibt es auch häufig und ist nicht gerade förderlich. Für einige Autisten etc. ist es auch nicht förderlich. Vor allem dann nicht, wenn sie wirklich etwas auf den Kasten haben, es aber leider nicht zeigen können. Gibt ja auch einige die trotzdem ihr Abitur machen, sicherlich sind das die Ausnahmen, aber es könnte bestimmt öfters vorkommen wenn die Förderung besser wäre, aber darüber zu diskutieren würde in diesem Thread sicherlich zu weit gehen.
froce hat geschrieben:Diamante hat geschrieben:Klar ist das so. Eine Randgruppe wird immer mehr beäugt als "normale" Menschen. Aber wer ist schon normal?
Ich denke nicht, dass die Mitmenschen es böse meinen, wenn sie die Leute anschauen oder beobachten. Vielleicht wollen sie auch helfen oder haben sonst keinen Kontakt zu behinderten Menschen un interessieren sich einfach für sie.
Manche schauen auch einfach unbewusst zu solchen "Randgruppen" und wenn sie bewusst nicht hinschauen, dann ist es für manche auch nicht gut. Denn irgendwie ist der Mensch neugierig und das gezwungene Wegschauen fällt manchmal mehr auf, als wenn man hinschaut.
Sicherlich wird man immer angeschaut etc. aber dagegen habe ich ja persönlich auch nix. Wenn aber dann das Anschauen zu einen Gaffen wird und Menschen uns 30 Sekunden lang (mal bisschen übertrieben;-) ) anschauen, am besten dann mit offenen Mund, dann finde ich es nicht mehr nett sondern einfach nur noch nervig und ätzend.
Oder vielleicht einfach noch etwas überheblich die Nase rümpfend. Das finde ich echt schlimm. Sieht man aber immer wieder mal. Auch wenn ich selbst und auch meine Verwandten nicht behindert sind, finde ich das fürchterlich. Mir fällt das öfter mal beim Kinderarzt auf, wenn beispielsweise eine Gruppe Down-Kinder das Wartezimmer betritt.
Das mit dem gesunden Interesse ist aber auch immer eine Gratwanderung. Wie froce schon schrieb ist es kein Problem, wenn der Behinderte selbst oder dessen Verwandte mit diesem Handicap gut umgehen können. So hatte ich mal ein sehr nettes Gespräch mit dem Vater eines schwerbehinderten Sohnes. Dazu kam es übrigens als sich mein Sohn entschuldigte weil er versehentlich den Jungen im Rollstuhl anrempelte. Dagegen haben wir neulich im Schwimmbad einen Mann gesehen, der zum Schwimmen seine Beinprothese abnahm. Meinen Sohn hat das zwar brennend interessiert, aber ich fand es blöd den Mann einfach anzusprechen, warum er sein Bein verloren hat - man kann ja nicht ahnen, wie er damit umgeht, auch wenn der Gang ins Schwimmbad eher weniger Probleme vermuten lässt.
Es gibt ja auch genügend Menschen die mit ihrer Behinderung extra Informationsveranstaltungen geben, Schulen besuchen, Aufklärungsarbeit betreiben usw. Hut ab vor denen, die so mit ihrer Behinderung umgehen können. Auch wenn sie vielleicht selbst daran "Schuld" sind.
Was ich auch schlimm finde, wenn einen Menschen ansprechen und in derGegenwart des behinderten Menschen in der dritten Person über ihn reden. Oder wenn man irgendwo hingeht und was bestellt, wird denen oftmals nicht zugetraut selbst zu sagen was sie wünschen. Dann fragt halt der Kellner den Betreuer was alle bestellen wollen. Wenn der behinderte Mensch schon nicht antworten kann, dann wird der Betreuer entweder von selbst anfangen die bestellung aufzugeben, oder dann später gleich sagen was der andere möchte. Sicherlich ist es nicht einfach, dies immer auseinanderzuhalten, aber mit bisschen Übung bestimmt einfacher.
Es sieht schon komisch aus wenn man erwachsene Behinderte im Schwimmbad sieht die im Planschbecken sitzen und das machen was eigentlich Dreijährige so machen. Als Erwachsener weiß man dass und beachtet das nicht weiter, für Kinder ist das eine Sensation. Hier sollte jeder in der Pflicht sein und seinen Nachwuchs aufklären dass diese Leute krank sind nur wie Väter und Mütter aussehen, aber eigentlich noch Kinder sind. Ich hatte das damals jedenfalls verstanden als meine Eltern mir das so erklärten.
Ich schaue aber auch manchmal hin, besonders wenn es sich um Leute handelt die an einem Tourettesyndrom leiden und den Zwang haben sich zum Beispiel ständig vor dem Kopf zu hauen oder unglaubliche Schimpfwörter von sich geben. Das hinschauen ist wie ein Zwang bei mir, man will es nicht, macht es aber trotzdem. Da ich weiß das sich so etwas nicht gehört versuche ich mich anderweitig zu beschäftigen und nicht weiter darauf zu achten oder wenn es garnicht geht wechsle ich meinen Standort. Ich möchte niemanden beleidigen oder kränken.
Ich bin mit Behinderten groß geworden, habe auch mal ein Praktikum in so einer Pflegeeinrichtung gemacht und eigentlich auch immer einen guten Draht zu ihnen gefunden. In unmittelbarer Nähe meines Wohnortes gibt es ein Pflegeheim und deren Bewohner prägen natürlich auch das Stadtbild. Man kennt sich und die kleinen Eigenheiten der Behinderten und greift auch mal ein wenn ein paar Kinder über die Stränge schlagen und die Behinderten ärgern oder hänseln.
Ich selber habe zwei gute Freunde aus diesem Kreis gefunden mit denen ich mich zum Fußball treffe und die ich auch mal zum Grillen einlade oder mit zu Auswärtsspielen nehme. Ich muss sagen dass die Jungs voll akzeptiert sind und in meinem Beisein auch noch nie schief angemacht worden sind. Sie sind herzensgut und ohne jede Falschheit und Berechnung, dass schätze ich an ihnen sehr. Natürlich spürt man die mitleidigen Blicke von Fremden im Rücken und hört auch deren Getuschel aber richtig bösartig ist das nicht. Ich weiß allerdings nicht ob meine Freunde das immer mitbekommen und wie sie darüber denken.
Ein bischen enttäuscht bin ich hier allerdings über die ältere Generation so ab 70+, da scheint öfters jeder Anstand abhanden gekommen zu sein wenn ich so beobachte wie ungeniert in derem Beisein von ihnen gesprochen wird obwohl sie direkt daneben stehen und jedes Wort verstehen können oder wie sich aufgebaut wird um direkt den besten Blick zu haben und eben hemmungslos angestarrt wird. Da platzt mir schon ab und an der Kragen, aber letztendlich ist man doch machtlos bei dieser geballten Ignoranz.
Hallo,
also ich finde es richtig unverschämt, behinderte Menschen so anzustarren, sie können ja nichts dafür. Ich habe das schon so oft erlebt, wie die Leute immer gaffen. Ich kann es ja verstehen, wenn kleine Kinder ihnen noch lange hinterherschauen, aber die Erwachsenen sollten sich was zusammenreissen.
Als ich eine Schiene am Knie getragen habe, da wurde sich über mich lustig gemacht, weil ich nicht richtig laufen konnte und das wohl ziemlich witzig aussah. In der Schule wurde ich von anderen nachgemacht, als ich unterwegs war haben mir die Leute noch minutenlang hinterhergeglotzt. Das ist wirklich ein blödes Gefühl und es war mir auch sehr peinlich.
Liebe Grüße
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