Atheisten Kampagnen auf Bussen nun auch in Berlin

vom 17.03.2009, 19:02 Uhr

Nach London und Barcelona wird Berlin voraussichtlich die nächste europäische Stadt sein, in der Atheisten auf Bussen für ein gottloses und so glücklicheres Leben werben. Möglich wird das durch etwa 900 begeisterte Menschen, die insgesamt 19.500 Euro spendeten. Auch Gespräche mit den Berliner Verkehrsbetrieben hat es schon gegeben, es steht allerdings noch nicht fest, wann der erste Bus mit atheistischer Werbung durch Berlin fahren wird. Mit den Spenden können vorerst 3 Busse 3 Monate Werbung fahren.

Warum ein solche Werbung? Man hat es hauptsächlich auf die etwa 35 Prozent deutschen Atheisten abgesehen. Die deutsche Gruppe steht in engem Kontakt mit dem englischen Vorbild. Während man in London mit Aktion noch auf die evangelikalen Werbesprüche reagierte, will man in Deutschland gegen die landesweite Propaganda angehen, dass nur mit Gott ein glückliches Leben möglich sei.

Im betroffenen Erzbistum Berlin sieht man der atheistischen Werbekampagne recht entspannt entgegen - man mache ja schließlich selbst Werbung. Und die Aussage Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott, die auch auf einem der Busse zu stehen sein soll, regte bisher zu belustigten Reaktionen an - scheinbar haben auch die Atheisten ein Restrisiko einkalkuliert.

Welche Folgen der atheistische Werbefeldzug tatsächlich haben wird, bleibt abzuwarten. Auch in Großbritannien amüsierte man sich zunächst über die Werbung. Schon kurze Zeit später jedoch klagten über 300 Menschen beim Werberat, da sie ihren Glauben verunglimpft sahen.

Mal sehen, was das Berliner Experiment bringt und wie es dann in den Berlin folgenden Städten Köln und München aussehen wird.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Das ist sehr spannend. Ich mag subversive Kampagnen und auch Guerilla-Marketingaktionen. Weisst du, wann diese in Köln ankommen wird?

Besonders interessant finde ich den Aspekt am erwähnten Slogan, dass er meiner Ansicht nach keineswegs verunglimpfend ist. Zum einen lässt er eben genau einen Rest offen - und das IST ja nunmal der Glaube. Und zum anderen könnte es ja auch einfach ein provokativer Spruch irgendeiner gottesgläubigen anderen Gemeinde sein. Er regt an, darüber zu reden und sich damit auseinander zu setzen.

Das finde ich mutig und gut! Völlig unabhängig von meinem eigenen Glauben oder Nicht-Glauben. Denn: Religiösität oder nicht ist im Alltagsgespräch ein noch wesentlich größeres Tabuthema als Sex oder Geld, oder?

» MarciaBaila » Beiträge: 325 » Talkpoints: 0,58 » Auszeichnung für 100 Beiträge


MarciaBaila hat geschrieben: Besonders interessant finde ich den Aspekt am erwähnten Slogan, dass er meiner Ansicht nach keineswegs verunglimpfend ist. Zum einen lässt er eben genau einen Rest offen - und das IST ja nunmal der Glaube. Und zum anderen könnte es ja auch einfach ein provokativer Spruch irgendeiner gottesgläubigen anderen Gemeinde sein. Er regt an, darüber zu reden und sich damit auseinander zu setzen.

Bin ganz deiner Meinung, bin mir aber sicher, dass es auch hier einige Menschen geben wird, die auf die Barrikaden gehen werden, weil sie sich durch den Slogan gekränkt oder angegriffen fühlen.

MarciaBaila hat geschrieben: Religiösität oder nicht ist im Alltagsgespräch ein noch wesentlich größeres Tabuthema als Sex oder Geld, oder?

Sex ist in unserer Gesellschaft kein allzu großes Tabuthema mehr. Gerade die Werbung, wo alle möglichen Produkte (von der Versicherung bis zum Fiesenreiniger) mit halbnackten Frauen beworben wird, zeigt deutlich, dass Sex und Erotik keine Tabuthemen mehr sind. Wenn ich so darüber nachdenke, fallen mir spontan nur Erektionsstörungen ein, die als "Sex-Thema" wirklich noch tabuisiert werden. Aber mit Geld und Glaubensfragen als letzte große Tabus könntest du Recht haben...

» yadrassil » Beiträge: 36 » Talkpoints: 28,23 »



JotJot hat geschrieben:Und die Aussage Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott, die auch auf einem der Busse zu stehen sein soll, regte bisher zu belustigten Reaktionen an - scheinbar haben auch die Atheisten ein Restrisiko einkalkuliert.

Um mal aus halb-fachlicher Sicht auf die Werbekampagne an sich zu leuchten: Abgesehen von dem "einkalkulierten Restrisiko" bzw. dem Glaubensfaktor ist dieser Spruch aus werbischer Sicht so einfach viel erfolgreicher. "Es gibt keinen Gott" -> "Kunden"reaktion: Danke, nächster. "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott" -> Reaktion: Hihi, amüsant. Bleibt im Kopf. Also auch ein Gesprächsthema - wenn man sich über Werbung (es bleibt nunmal eine Werbung, auch wenn es nicht um ein physikalisches Produkt geht ;) ) unterhält, dann ist die Werbung definitiv erfolgreiches, als wenn man sie nur kurz wahrnimmt und dann wieder ausblendet.

Dieser Werbespruch stand übrigens mit anderen in Konkurrenz, alle die gespendet haben durften sich zwischen mehreren Sprüchen entscheiden. Die zwei weiteren Sprüche neben dem Gewinner hießen "Gottlos glücklich" und "Gott ist eine Behauptung". Die Untertitel waren zu allen drei Sprüchen gleich.

Desweiteren lehnt der Gewinner-Spruch an die britische Vorgabe an: "There's probably no God" also "Es gibt wahrscheinlich keinen Gott" lautet diese nämlich. In Kanada wurde dieser Slogan 1:1 übernommen, in Spanien direkt ins Spanische übersetzt ("Problablemente Dios no existe"). Lediglich in Italien entschied man sich für einen sinngemäß ganz anderen Spruch: "La Cattiva notizia è che Dio non esiste" - "Die schlechte Nachricht ist, dass es Gott nicht gibt" (dazu der Untertitel sinngemäß: "und die gute, dass wir ihn auch nicht brauchen), außerdem wichen auch die USA vom Original ab indem sie fragten "Why believe in a god?" (Untertitel "Just be good for goodness' sake" - "Sei einfach gut, um der Güte Willen")

Persönlich finde ich die Deutsche Variierung des Originals da noch am besten, da sie durch die Wortwahl nicht so selbstzweifelnd wie das Original wirkt und trotzdem sinngemäß sehr nahe an der ursprünglichen Version gehalten ist.

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich habe bis heute noch nicht begriffen, was diese Kampagnen eigentlich genau bringen sollen. Ich meine, wenn die Christen Werbung machen und dadurch neue Mitglieder werben haben sie dadurch wenigstens einen finanziellen Vorteil, weil der Staat von denen dann Kirchensteuer einzieht. Aber Atheistensteuer gibts ja nun nicht.

Man will die 35 Prozent deutscher Atheisten erreichen (von denen viele mit Sicherheit Agnostiker und keine Atheisten sind, aber das nur mal am Rande), gut, aber warum? Und was für eine landesweite Gottes Propaganda? Ich bin eigentlich sehr sensibel für solche Sachen, aber mir ist noch nichts dergleichen aufgefallen. Ich bin auch schon ewig nicht mehr an der Haustür belästigt worden. Vielleicht stehe ich aber auch nur auf einem kircheninternen Index.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Cloudy24 hat geschrieben:gut, aber warum? Und was für eine landesweite Gottes Propaganda?

Die Frage habe ich mir auch schon gestellt, bisher ohne eine Antwort gefunden zu haben. Mir ist zwar im Freundeskreis schon aufgefallen, dass sich einige erwachsene Menschen zum christlichen Glauben bekennen. Aber nicht durch irgendeine Propaganda, sondern aus anderen Gründen. Ob die Eltern nun Atheisten oder Agnostiker waren sei mal dahin gestellt.

@MarciaBaila: Für Köln ist noch gar nichts konkretes geplant.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Cloudy24 hat geschrieben:Ich habe bis heute noch nicht begriffen, was diese Kampagnen eigentlich genau bringen sollen. Ich meine, wenn die Christen Werbung machen und dadurch neue Mitglieder werben haben sie dadurch wenigstens einen finanziellen Vorteil, weil der Staat von denen dann Kirchensteuer einzieht. Aber Atheistensteuer gibts ja nun nicht.

Ich würde mal stark vermuten, dass man jene erreichen will, die auf dem Papier dem Christentum angehören (oder auch einer anderen Religion, aber diese Zielgruppe dürfte in Deutschland verschwindend gering sein im Bezug auf das Kommende:) um sie zum Austritt aus der Kirche zu bewegen. Durch das aktive Bekenntnis zum Atheismus (oder auch Agnostizismus, wobei das hier jetzt wirklich zu sehr ins Detail ginge) verliert die Kirche Einnahmen aus der Kirchensteuer und damit gleichzeitig auch Gelder, die für "Propagandakampagnen" genutzt werden können. Quasi um der Kirche in finanzieller Hinsicht etwas Macht abzugewinnen.

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



JotJot hat geschrieben:
Cloudy24 hat geschrieben:gut, aber warum? Und was für eine landesweite Gottes Propaganda?

Die Frage habe ich mir auch schon gestellt, bisher ohne eine Antwort gefunden zu haben.

Propaganda ist ein etwas starkes Wort. Ich würde einfach sagen, dass die Kirche präsent ist. Ich komme aus Österreich und als ich zur Schule ging, hing beispielsweise noch in jedem Klassenzimmer ein Holzkreuz (ist/war das in Deutschland auch so?). Einmal jährlich - immer, wenn mein Kirchenbeitrag fällig ist - merke ich, dass die Kirche für sich wirbt. Da schreiben sie mir jedes Mal einen ausführlichen Brief, was für tolle Dinge mit meinem Geld finanziert werden. :D

» yadrassil » Beiträge: 36 » Talkpoints: 28,23 »


yadrassil hat geschrieben:Ich komme aus Österreich und als ich zur Schule ging, hing beispielsweise noch in jedem Klassenzimmer ein Holzkreuz (ist/war das in Deutschland auch so?).

War definitiv, bis Kirche und Staat getrennt wurden mindestens ;) Aktuell ist es nur noch sehr vereinzelt der Fall, dabei sehr gerne in Bayern. (CSU :roll: ) Mit der leidigen Kopftuchdiskussion sollten meiner Meinung nach allerdings (hoffentlich) auch die letzten Kreuze abgenommen worden sein.

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Taline hat geschrieben: Mit der leidigen Kopftuchdiskussion sollten meiner Meinung nach allerdings (hoffentlich) auch die letzten Kreuze abgenommen worden sein.

Die Kopftuchdiskussion flammt auch bei uns immer wieder einmal auf, aber die Kreuze hängen noch, soweit ich weiß. Ich finde, dass man sie abnehmen sollte. Religiöse Symbole passen doch in keine Schule - außer es ist eine evangelische/katholische Privatschule. Dann ist es OK. Dass die Kreuze noch da sind, muss dann wohl ein Erfolg der Werbemaschinerie der Kirche sein, oder? :D

Ich bin ja neugierig, ob die Atheistenslogans auch bald auf österreichischen Verkehrsmitteln zu lesen sein werden. Ich würde es amüsant finden. Schließlich zielen die Sprüche ja auf keine bestimmte Religion ab. Ich würde es z.B. nicht gutheißen, wenn der Slogan lauten würde "Wasser predigen und Wein trinken - das ist die katholische Kirche" oder so (auch wenn es teilweise stimmt).

» yadrassil » Beiträge: 36 » Talkpoints: 28,23 »


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