Bildungsnotstand: IQ und EQ im Keller
Pisa und Co zeigen es jedes Jahr: wir werden dümmer. Allerdings belegen diese Tests nur, dass wir sprachlich, mathematisch, generell einfach immer schlechter werden. Was dabei völlig ausser Acht gelassen wird: auch die soziale Intelligenz nimmt rapide ab. Leider wird das aber noch nicht gemessen.
Wolfgang Clement hat nun den Amoklauf zum Anlass genommen einmal generell auf unser Verständnis von Bildung einzugehen. Seine Kritik richtet sich vor allem gegen die starren Büffel- und Pauksysteme der jetztigen Schulformen, Persönlichkeitsbildung bleibt aussen vor.
Wenn Persönlichskeitsbildung aber aussen vor bleibt, dann folgt daraus, dass diese wichtige Entwicklung bei Jugendlichen ausserhalb der Schule stattfindet. Und genau da sind wir dann letztlich bei den Problemen angekommen:
- zu viel Kinderarmut
- zu wenig soziale Kompetenz bei den Eltern
- Migrationshintergrund, keine Integration, heimatlos
- Alkohol, Drogen, Komasaufen
Und natürlich auch das Problem Schule selbst: zu große Klassen, zu wenig Zeit, zu viele Stunden, die ausfallen, usw. Nur leider ist das eben alles Ländersache und da eine einheitliche Linie zu finden dürfte extrem schwer werden.
Mich freut es jedenfalls sehr, dass Clement die Chance nutzt einmal ganz deutlich auf die Defizite der emotionialen Intelligenz, der Ausbildung der Persönlichkeit innerhalb der Schulsysteme hinzuweisen und mehr Förderung in diesem Bereich zu fordern!
Eine harsche Kritik an Clement seitens der Länder wird sicherlich nicht lange auf sich warten lassen. Ich vermute, dass Bayern und Baden-Württemberg als erste Bundesländer meckern werden.
Quatsch, die Pisa-Tests täuschen darüber hinweg das das Bildungslevel, nicht zuletzt dank der modernen Medien wie dem Internet, stetig zunimmt. Die Tests sagen nur aus das wir Deutschen dümmer sind als andere Staaten, trotzdem nimmt das Wissen zu.
Was du zudem nicht vergessen darfst ist, dass bei uns auch Sonderschulen/Hauptschulen an den Tests teilgenommen haben, im Ausland nicht. Zudem gab es aus dem Ausland immer mal wieder Meldungen das den Schülern der Test schon bekannt war bevor er geschrieben wurde. Daraus folgt das die Pisa-Studie den Bildungsgrad Deutschlands nicht korrekt mit dem anderer Staaten vergleicht und daher nicht Maßstab für die Veränderung der Bildungspolitik in Deutschland sein kann.
Trotzdem gebe ich dir mit deiner bzw. Clements Kritik am Schulsystem recht, viele unfähige Lehrer unterrichten zu große Klassen und nutzlose Schulreformen (wie beispielsweise die 30-Minuten-Mittagspause nach der 6. Stunde - die ist sowas von nutzlos) oder den baldigen Zusammenschluss von Haupt-, und Realschule machen das ganze sicher nicht besser.
Das du von einer Randgruppe von vielleicht zehn Prozent die stark von den vier von dir genannten Faktoren betroffen sind auf die restlichen neunzig Prozent schließt macht deine Ausführungen zu den Gründen für ein angeblich emotional unreifes Verhalten der gesamten Jugend jedoch nicht gerade glaubwürdiger.
Hallo,
darüber, dass das deutsche Schulsystem in seiner jetzigen Form einige Defizite aufweist, brauchen wir uns nicht streiten. Natürlich wird von den Bundesländern zu wenig Personal angestellt, das zudem auch an den Universitäten zumeist nur graue Theorie vermittelt bekommen hat und in der Praxis häufig mit einer Horde von 25 oder mehr Teenagern schlichtweg überfordert ist. Das wiederum führt oft zum krankheitsbedingten Ausfall zahlreicher Lehrkräfte. (Statistischen Erhebungen zufolge sollen bundesweit bis zu 60 Prozent der Lehrer von einem Burnout bedroht sein.) Wichtige Unterrichtsstunden müssen ausfallen, da die verbliebenen Lehrer die Ausfälle nicht abfangen können. Die Schüler bekommen dadurch nur noch eine unzulängliche Betreuung und fallen sozusagen hinten runter. Insofern gebe ich Herrn Clement recht, dass das Schulsystem dringend einer umfassenden Verbesserung bedarf.
Allerdings frage ich mich, wie er diese umsetzen will. Den Lehrern, die ohnehin schon von den Strukturen des deutschen Bildungssystems überfordert sind, will er eine weitere Last aufbürden. Jedem angehenden Lehrer sollte zwar klar sein, dass er neben dem Bildungsauftrag auch erzieherische Aufgaben übernehmen muss. Aber wo es von zu Hause aus an grundlegenden Umgangsformen fehlt, schafft ein Lehrer es ohnehin kaum, den grundlegenden Unterrichtsstoff zu vermitteln. Dem Lehrpersonal vor diesem Hintergrund abzuverlangen, dass es die Aufgaben übernimmt, die die Eltern versäumen, kann m.E. nicht der richtige Weg sein.
Man kann den Bereich Schule nicht einfach isoliert betrachten und die Instanzen Elternhaus, universitäre Ausbildung der Lehrer und Bildungshoheit der Länder dabei außer Acht lassen. Denn nur wo die Eltern nicht mehr nur freiwillig zu sporadischen Gesprächen mit den Lehrern erscheinen dürfen, sondern eine regelmäßige Verpflichtung zur Zusammenarbeit besteht, wo Lehrer eine praxisnahe Ausbildung mit wöchentlichen Schulbesuchen erhalten und die Länder bereit sind, ihre Gelder nicht mehr nur in repräsentative Schulgebäude zu investieren, wird es möglicherweise gelingen, eine gemeinschaftliche Förderung emotionaler Intelligenz der Schüler zu realisieren.
Kann Tudios nur Recht geben - bevor man den PISA Test ins Feld führt sollte man sich erst einmal damit befassen was dahinter steckt. Und so gesehen stehen wir immernoch gut da, schließlich gehört Deutschland zu den Ländern wo (wahrscheinlich traditionell, wir sind halt Bürokraten) der PISA Test mit der größten Sorgsamkeit und am härtesten (alle Aufgaben), realistischsten (keine Vorauswahl der Schüler) und genauesten (keine Hilfe während der Prüfung) durchgeführt wurde - eben nicht wie früher auf NRW Abitur Niveau à la "Antworten und Fragen schon vorher wissen", mal abgesehen davon, dass einige Schüler den Test nicht so ernst genommen haben (was aber in fast allen Ländern der Fall war).
Und zu Herrn Clement: Ist grad wieder Wahl in NRW dass er auf Stimmenfang gehen muss? Ok, die SPD hat wirklich jede Stimme nötig um nicht noch irgendwann an der 5 % Hürde zu scheitern, aber muss es so billig sein indem man dass, was sowieso alle wissen noch einmal aufwärmt und zum dritten Mal serviert? Zum Glück hat die SPD nicht "kriminelle Ausländer raus" als Thema .
Der Amoklauf hat mal wieder rein gar nichts mit dem Schulsystem an sich zu tun, dieses ist nur verantwortlich für die marode Bildung. Rein theoretisch müsste das stark von den 68ern beeinflusste System gerade diese verhindern, erinnern wir uns doch mal bitte daran wie davor unterrichtet wurde (bis in die 50er), da war Individualität ein Reizwort und eine schlechte Eigenschaft! Ausbildung der Persönlichkeit? Bis dato genauso fremd!#
Das Problem sind auch keine Schulausfälle oder fehlende Lehrer, sondern einfach ein gesellschaftlicher Wandel der weder durch die Schule umgedreht noch gestoppt werden kann - wir leben nun einmal mehr und mehr in einer Ellbogengesellschaft wo nur das Ich zählt. Wir hatten die Diskussion mal vor kurzem im Seminar: Vergleicht mal die "Qualität des Mobbings" heute und früher, was unsere Eltern als Mobbing verstehen sind im Grunde nur harmlose Kabbeleien gewesen, heute (und schon zu meinen Schulzeiten vor 10 Jahren) geht es gezielt darum, andere zu entwürdigen und zwar dauerhaft!
Oder wie mein Vater immer sagt: Früher hat man aufgehört wenn einer am Boden lag - heute tritt man dann erst so richtig zu!
Das liegt eindeutig an einer verfehlten Erziehung und Lehrer sind hier als letzte in einer Kette von vielen Personen in der Pflicht. Ihnen jetzt die Hauptschuld und Erziehungsaufgabe aufzubürden (zynischererweise ohne dass sie irgendwelche Befugnisse hätten sich richtig durchzusetzen) ist doch grotesk! Again: Zuerst sollten mal die Eltern ihren Sprösslingen die "emotionale, soziale Intelligenz" vermitteln - und nicht nach den Lehrern und der Schule als Ersatzerzieher schreien, aber sofort zur Polizei rennen wenn sie es dann wirklich tun!
Von einem Amokläufer (so schlimm das Ganze auch ist) auf die gesamte Jugend zu schließen, schießt auch über das Ziel hinaus - wie auch viele andere Vorschläge, die seit dem jüngsten Amoklauf mal wieder einfach mal gemacht werden.
Die (scheinbare) Verdummung der Jugend von heute wurde ja schon in anderen Threads diskutiert und ich will sie deshalb gar nicht erneut diskutieren.
Interessant finde ich aber, dass die so treffsicher (Achtung Ironie) identifizierten Gründe (Kinderarmut, kein EQ der Eltern, Migration, Missbrauch von Droge, Alkohol etc.) nun scheinbar auch von der Schule gelöst werden sollen! Oder habe ich da etwas missverstanden? Denn diese Probleme können nun wirklich nicht (allein) von den Lehrern bzw. anderen pädagogischen Mitarbeitern gelöst werden.
Naja, aber was sagt denn die Statistik darüber aus? Gab es vor 20 Jahren schon PISA? Ich glaube wohl kaum. Und es ist natürlich immer sehr einfach zu behaupten, unsere heutige Generation an Schülern und/oder Jugendlichen wäre ziemlich 'dumm' und es fehlt ihnen an Fähigkeiten wie sozialer Kompetenz, wenn man eigentlich die Generation davor - nämlich deren Eltern und die, die dafür größtenteils verantwortlich sind - nie derartige Tests hat durchlaufen lassen.
Ich denke, dass die Leute, die heute in der Schule sind und deren Eltern einfach so sind, wie die meisten Eltern nun einmal sind, die aus sozialschwachen Gegenden kommen, sind, dann haben sie kaum eine Chance, jemals soziale Kompetenzen zu erlangen. Und das schlimme daran ist eben, dass sie noch nich einmal etwas dazu können, weil es in ihrem Leben eben nie jemanden gab und gibt, der ihnen das beigebracht und vorgelebt hat. Hätten mir meine Eltern früher nicht beigebracht was Manieren ist und wie genau Höflichkeit und Anstand funktioniert, dass man nicht klaut und niemanden schlägt, weiss ich nicht, ob ich das jemals kapiert hätte.
Wenn man immer alles falsch vorgelebt bekommt und in der Schule nur mit Freunden zusammen ist, die es auch nicht anders kennen, weil es in der Familie und zu Hause einfach nicht üblich ist, zu lesen, vernünftig zu sein, sich nicht zu schlagen und mal morgens zum Frühstück einfach nicht Unterschichtenfernsehen laufen zu lassen, dann hat man kaum eine Chance es jemals anders zu machen. Die Schuld tragen doch die, die es vorleben, aber deren IQ und EQ wurde ja nie gemessen, weil es sowas zu deren Schulzeit noch nicht gab.
@TuDios: Nein, wohl kaum. Das Bildungsniveau nimmt keineswegs zu, Es steht mehr Wissen zur Verfügung, nur wird es immer weniger genutzt. Und darin liegt das Problem.
Frag doch einfach mal ein paar Schüler wie z.B. unser Bundespräsident heisst. Was glaubst Du, wieviele dies richtig beantworten können? Ich tippe mal auf weit weniger als die Hälfte der Schüler in der zehnten Jahrgangsstufe. Wenn Du dann diejenigen, die es nicht wußten fragst, warum sie das nicht wissen, dann kommt erst der eigentlich Hammer: Antworten wie: wozu denn, was geht mich denn das an, sowas muss man nicht wissen, usw. Darin liegt doch das Problem.
Bildungsferne Mitbürger sind auch weniger in der Lage sich an der Gesellschaft zu beteiligen und wollens ich auch weniger. Wie soll unsere Gesellschaft also in den nächsten Jahren sich weiterentwickeln, wenn sich die Bevölkerung zu immer größeren Teilen von der eigenen Gesellschaft entfernt?
Bildung ist der einzige Rohstoff, den wir haben. Daher ist es enorm wichtig, in der Schule und auch ausserhalb das MAXIMALE aus den Schülern herauszuholen, sonst kann man diese Gesellschaft bald genauso abschreiben, wie so manch andere in der westlichen Welt.
betty hat geschrieben:Frag doch einfach mal ein paar Schüler wie z.B. unser Bundespräsident heisst. Was glaubst Du, wieviele dies richtig beantworten können? Ich tippe mal auf weit weniger als die Hälfte der Schüler in der zehnten Jahrgangsstufe.
Das ist doch kein Argument - frag mal die Hälfte der Erwachsenen, wie unser Bundespräsident heißt, je nach Zielgruppe kann da auch nicht einmal jeder Zweite die richtige Antwort geben, siehe die "lustigen Straßenbefragungen in Comedy Sendungen" die natürlich auch manipuliert werden durch eine selektive Präsentation der Ergebnisse.
Selbst die meisten Studis sind nicht gerade mit Wissen gewaffnet - was ich so in der AstA erlebe, das geht auf keine Kuhhaut, da fragt man sich oft genug wie die ihr Abi bekommen haben. Es liegt also nicht an den Schülern allein, die sind selbst meist kaum klüger oder dümmer als ihre direkten "Vorbilder".
KrashKidd hat geschrieben:Es liegt also nicht an den Schülern allein, die sind selbst meist kaum klüger oder dümmer als ihre direkten "Vorbilder".
Genau da liegt das Problem. Gefordert wird ja (korrigiert mich bitte, wenn ich es falsch verstehe) dass die Lehrer die Defizite der Gesellschaft auffangen sollen. Wertevermittlung soll scheinbar mit purer Bildung einher gehen. Das wird so aber nie klappen. Als ich in die Schule gekommen bin, da war das Erste, was mir von meinen Eltern beigebracht wurde, dass ich Respekt vor dem Lehrer haben muss. 80% der Eltern heute bringen ihren Kindern das genaue Gegenteil bei. "Respekt brauchste nicht, der Lehrer ist eh immer Schuld, bla bla".
Solange die Gründe für das heutige System nicht behoben werden, solange wird sich nichts ändern (auch bei dir Krashkidd in der Asta nicht). Die Gründe liegen in meinen Augen nicht darin, dass die Lehrer zu blöd sind zu unterrichten, sondern viel mehr darin, dass die Eltern bildungsresistent und das an ihre Kinder "vererben". Durch dieses Missverhältnis kommen immer mehr Kinder in die Schule die mit Bildung, Respekt und Werten nichts mehr am Hut haben. Somit haben die Lehrer das Problem, dass sie sich umstellen müssen, weil ihre alten Verfahrensweisen nicht mehr greifen. Ok hier liegt Problem Nummer 2: 75% der Lehrer sind jenseits der 45 und nicht mehr lernfähig, bzw. jede Änderung, die stattfinden muss stößt auf Protest und ist nicht machbar, weil die Meinung vorherrscht "Was früher gut war, ist auch heute gut und muss gut bleiben".
Bildung fängt zu Hause an, solange das niemand kapiert wird sich auch in der Schule nichts ändern (dass die Strukturen unseres Schulsystems auch völlig Banane sind, lasse ich jetzt mal außen vor).
Gruß Jasper
Und genau das ist es - um auf meinen Vorredener zu kommen - was Clement ja auch wollte: Bildung und soziale Kompetenz gehen einher und beginnen zuhause und können in der Schule nur fortgesetzt werden.
Und wer immer nur nach Ausreden sucht, was denn an dem ganzen System schuld ist, warum es nicht klappt, der soll sich bitte auch mal Lösungen überlegen, was getan werden könnte, um es wieder in bessere Bahnen zu lenken. Nur meckern und den Politikern Stimmenfang zu unterstellen hilft da auch nicht weiter.
Es geht auch gar nicht darum den Lehrern in der jetzigen Situation einen Vorwurf zu machen, mehr können sie gar nichtleisten. Es sollen, will man mehr in den Schulen erreichen, deutlich mehr Sozialkräfte UND Lehrer in den Schulen arbeiten, kleinere Klassen, mehr Kompetenzen vermittelt werden, als das reine Büffeln. Und damit hat Clement eindeutig recht, egal ob vor, während oder nach einem Wahlkampf!
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