Baptisten - Erfahrungen
Es geht um einen Fall aus unserer Familie und wir sind langsam alle sehr ratlos. Und zwar um meinen Cousin und seine Frau. Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Mein Cousin hat in seiner Jugend sehr über die Strenge geschlagen. Nicht nur, dass er große Probleme mit Drogen hatte, er kam auch überhaupt nicht mit seinem Leben zurecht.
Vor einigen Jahren lernte er eine Gruppe kennen, die meiner Meinung nach auf Jugendfang war. Das war eine Glaubensgemeinschaft. Zur Anfang hat sich auch noch niemand was dabei gedacht, als er anfing zu gläubig zu werden und immer mehr dort hin zu gehen. Er war immer schon leicht beeinflussbar und wir haben gedacht, dass er nach einiger Zeit die Lust daran verlieren wird. Dafür war er einfach zu sehr ein Lebemann, der auch nichts anbrennen lies.
Dann lernte er seine heutige Frau kennen. Auch ein junges Mädchen mit damals 23 Jahren. Auch sie hat ihr Leben genossen, wobei bei Ihr im Vordergrund stand, viel rum zu kommen. Ihre Eltern sind wohlhabend und haben ihr daher z.B. ein Auslandsjahr in Australien ermöglichst. Auch Freund waren ihr sehr wichtig. Daher zog sie nach Düsseldorf um immer viel Leben um sich rum zu haben.
Dort lernten sich die beiden kennen und mein Cousin nahm sie in seine Gemeinde mit. Kurze Zeit später war auch sie davon überzeugt. Weil die Gemeinde vorgab, dass sie keinen Sex vor der Ehe haben dürfen, wurde dann auch nach drei Monaten geheiratet. Beide waren jung und nicht viel Geld. Dennoch wurde schon eine Wohnung an gemietet, in der sie nach der Hochzeit leben wollten.
Seine heutige Frau hatte auch eine Wohnung, die sie jedoch bis zur Eheschließung nicht aufgeben durfte, da sie nicht zusammen schlafen durften. Dabei hatten sie gar nicht das Geld um zwei Mieten zu zahlen und außerdem kann man ja auch die wenigen Wochen zusammen in einer Wohnung übernachten, ohne Sex haben zu müssen.Gut da hat man sich noch nicht eingemischt, aber danach wurde es noch komischer. Schon die Hochzeit wurde mit der ganzen Gemeinde gefeiert und dabei ging es ab, wie in einer Sekte. Die haben sich benommen, als ob sie auf Drogen sind.
Seine Frau hat zur Hochzeit ein Sparbuch mit 15.000 Euro bekommen, welches dazu da sein sollte, damit sie die Wohnung zu ende einrichten können. Bei der Hochzeit mussten jedoch alle Geschenke an den Priester abgegeben werden. Das kam uns zwar komisch vor, aber wir haben gedacht, dass sie das einfach nur für sie weglegen.Leider ist seid dem das Geld verschwunden. Die Wohnung wurde aus Sperrmüll eingerichtet und er gab nicht einmal eine Küche. Mein Cousin hat sich sogar noch Geld von meinem Bruder für Farbe und so was geliehen. Und dass 1 Wochen nachdem sie 15.000 Euro bekommen haben? Auch so kapseln sie sich immer weiter von ihrer Familie ab.
Dann wurde sie schwanger. Sie bekamen eine süße Tochter. Meine Tante musste dann feststellen, dass bei denen noch vieles für das Baby fehlt und ist los gefahren und hat alles gekauft, weil sie denen keine Geld geben wollte, damit es nicht wieder im Niemandsland verschwindet.
Weil mein Mann und ich so weit weg wohnen, haben wir sie erst nach einem Jahr, kurz nach der Geburt wieder gesehen. Und da fiel uns was auf. Die Gemeinde ist so organisiert, dass sie den Müttern im Wochenbett das Essen nach Hause bringen. Was ja erst einmal schön ist. Aber auch bei unserem Besuch kam eine Frau aus der Gemeinde und brachte das Essen. Soweit ok. Aber dann setzte sie sich ohne zu fragen zu uns an den Tisch und blieb wortlos sitzen. Schlagartig waren die beiden nicht mehr so gesprächig wie vorher. Mein Cousin nahm mir seine Tochter aus dem Arm.
Wie wir später erfuhren, durften sie von der Gemeinde aus, das Kind nicht in andere Hände geben, sondern es soll die ersten Monate nur bei den Eltern bleiben. Auch in anderen Gesprächen merkten wir, dass die beiden zusammen nicht so offen reden, wie wenn wir uns alleine mit ihnen unterhalten.
Seine Frau träumt davon, auch mal wieder etwas raus zu kommen und zu verreisen, aber mein Cousin ist dagegen, da die Gemeinde es nicht gerne sieht. Aber auch er spricht viel offener, wenn er alleine ist. Das kommt uns alles sehr komisch vor. Sie wollte z.B. auch nicht nach Mettmann ziehen, da ihr in Düsseldorf gefiel, dass sie da mit der Bahn überall hinkommt, ihre alten Freunde treffen kann und dort lebt, wo das Leben pulsiert. Aber da die Gemeinde in Mettmann ihren Sitz hat, musste sie mit.
Sie sind z.B. auch gegen jegliche Medikamente, da sie der Meinung sind, dass der Körper Selbstheilungskräfte hat. So bekam die Kleine auch kein Vitamin D. Als ich sie darauf angesprochen habe, wusste sie nicht einmal, das wofür es ist und mir schien es so, als das sie es ihn nach der Aufklärung gerne geben würde. Geht aber wie gesagt laut Gemeindepolitik nicht.
Was uns nun richtig Sorgen macht, ist das er seinen kleinen Bruder nun dazu überreden möchte. Er ist 13 und ihm gefällt die Gemeinde auch, sodass er mit gegenüber auch äußerte, dass er zu dem Baptisten gehen möchte. Ich habe das seiner Mutter, meiner Tante gleich erzählt und sie weiß auch nicht was sie machen soll, da sie gehofft hat, dass das nicht passiert.
Ich hab mich nun schon versucht über diese Gemeinde, speziell auch in Mettmann zu informieren, aber die Internetseite ich sehr allgemein gehalten. In Foren habe ich dann etwas mehr erfahren, über manche Vorgehensweisen und auch, dass sich bestimmte Gruppen dahinter verstecken. Erfahrungsberichte z.B. von Aussteigern konnte ich nicht finden.
Sehr gläubig zu sein ist das andere, aber unserer Meinung nach gibt es da zu viele Ungereimtheiten und es ist nicht normal, dass sie sich so von ihrer Familie zurück ziehen, zudem die Eltern auch noch Christen, also auch gläubig sind, aber nicht so stark. Was sollen wir von diesem „Verein“ halten? Kennt ihr jemanden (Familie, Freunde, Bekannte), der sich hat einmal von angeblichen harmlosen Baptisten, einfangen lassen? Könnt ihr mir mehr darüber sagen, was wirklich dahinter steckt? Warum sollen sie sich so abgrenzen? Was könnt ihr uns raten?
Ich kenne auch einige Leute aus einer baptistischen Gemeinde und da muss ich zumindest mal großenteils deinen Erfahrungen widersprechen!
Ja, es gibt Parallelen. Sex vor der Ehe ist tabu und es wird auch recht früh geheiratet und ebenso das Kinderkriegen steht recht früh auf dem Plan. Aber alle meine Freunde aus dieser Gemeinde waren liebe, ehrliche und fleißige Burschen. Die Gemeinde hat es ihnen dort ermöglicht, ihre eigene Familie so früh zu gründen. Viele haben sich auch nach einigen Jahren schon ein Haus gebaut und wenn so ein Projekt anstand, hat die halbe Gemeinde abends und nachmittags auf dem Bau geholfen.
Ich habe ebenso einige Hochzeiten dort mitgefeiert und wir wurden trotz der "fremden" Konfession super aufgenommen. Klar gibt es dort etwas andere Bräuche und Riten, aber wie auf Drogen hat sich niemand benommen, im Gegenteil, man hatte immer ein sehr gemeinschaftliches Gefühl und uns wurde sehr viel Respekt und Freundlichkeit entgegengebracht, nicht die typisch deutsche Distanz.
Aber ich habe in Gesprächen eben auch erfahren, dass Baptisten nicht gleich Baptisten sind und quasi von Gemeinde zu Gemeinde andere Regeln haben und es nur sehr lose Dachverbände gibt. Das heißt ein Pastor kann dort seine Gemeinde wirklich prägen und nach seiner Fason steuern. Vielleicht ist dies in der Gemeinde deines Cousins der Fall. Dieser Pastor hat seine Gemeinde ziemlich krass geformt und dann ist es schwer da etwas zu analysieren und vor allem den Gemeindemitgliedern da "raus" zu helfen.
Denn sie sind ja von ihrem Gott und den entsprechenden Regeln intrinsisch überzeugt. Ein Bruch mit der Gemeinde würde meist nicht nur einen Bruch mit der Familie, allen Freunden und der Unterstützung der Gemeinschaft bedeuten, sondern vielleicht auch für die Familie eben sehr schlimme Folgen haben können, deshalb ist sehr behutsames, langsames Vorgehen angesagt.
Also eine meiner besten Freundinnen ist Baptistin, aber diese Beobachtungen konnte ich nicht machen. Bei Ihnen gilt "kein Sex vor der Ehe", und tatsächlich meine Freundin ist in meinem Alter (24) und sie hat schon Torschlusspanik und jammert sie möchte endlich den richtigen kennen lernen. Aber dass sie auf irgendeine Art kontrolliert wird ist mir nicht aufgefallen. Sie hängt nur sehr an ihrem Glauben und der Kirche (was ich toll finde) mehr als jeder Katholik den ich kenne.
Außerdem weiß ich z.B. dass ihr Vater aus der Kirche ausgetreten ist (zahlt also keine Kirchensteuer) und zahlt trotzdem denselben Betrag den er spart freiwillig an seine Gemeinde. Aber meine Freundin und ihre Familie sind eine sehr nette und offene Familie, sehr hilfsbereit und gütig. Ich besuche sie gerne, ihre religiösen Ansichten finde ich oft sehr befremdlich, wenn sie anfängt zu erzählen, aber das sich ihr meine sicher auch.
Wie im Titel angedeutet - ich bin in einer Bapistengemeine aufgewachsen und habe sie als Junger Erwachsener verlassen.
Und ganz so harmlos wie die Anderen die Baptisten beschreiben sind sie aus meiner Erfahrung nicht. Ich selbst bin als Kind von "gläubigen" Baptisten aufgewachsen und habe die "vorgesehene Karriere" in der Wiesbadener Gemeinde absolviert. Seit inzwischen ca. 15 Jahren habe ich mich abgekehrt und es gibt immer noch Nächte in denen ich schweißgebadet und mit Herz-rasen aufwache. Und das obwohl ich in eine der sog. liberaleren Gemeinden groß geworden bin. Ich würde die Sache also wesentlich ernster nehmen, als nur "Befremden über ihre religiösen Ansichten" zu empfinden/äußern.
Zunächst ein Wenig zu den sogenannten Fakten: Die Baptisten sind nicht als Sekte eingestuft, sondern gehören zu dem sog. Bund der evangelischen Freikirchen. In Deutschland/Europa sind sie eine (verglichen mit den Römisch-Katholischen und den evangelischen Landeskirchen) eine relativ kleine Gemeinschaft. In den USA stellen sie - soweit ich weiß - die stärkste Konfession unter den christlichen Glaubensrichtungen dar. Die pure Größe sollte aber nicht mit Harmlosigkeit verwechselt werden.
Der Name (zu deutsch "die Täufer") rührt daher, dass sie es ablehnen Kinder zu taufen. In der Theorie soll es so sein: Jemand hat ein "persönliches Erlebnis mit Gott", dieser "offenbart sich ihm/ihr und daraufhin wird man "Wiedergeboren" und lässt sich taufen. Bei der Taufe wird der ganze Mensch unter Wasser getaucht um ihn so symbolisch von seinem alten Leben zu reinigen.
Ich schreibe einige Worte bewusst in Anführungszeichen, weil es sich hierbei um Baptisten-Jargon handelt. Ein wesentliches Merkmal dieser Gruppe ist es, dass sie – sobald es um ihre Religion geht – eine sehr stark reglementierte/formalisierte Sprache anwenden, die es praktisch unmöglich macht argumentativ zu ihnen vorzudringen.
Doch zurück: Diese wiedergeboren Christen sind in den letzten Jahren in den Medien eher mit dem englischen Begriff "reborn chritians" bekannt geworden. Der prominenteste Vertreter ist George W. Bush – und seine ideologische Verbohrtheit, im Grunde tiefe Missachtung des Menschlichen Lebens, verklausuliert in Erlösungsbotschaften, sind kennzeichnend für die Baptisten. Ähnlich wie Bushs Politik die Welt in Gute und Böse aufteilte, unterscheidet die baptistische Lehre zwischen den Bekehrten und den Ungläubigen. Je nach Radikalität der Gemeinde sind auch andere Christen Ungläubige. In Wiesbaden war dies unter einigen Gemeindemitgliedern in der Zeit meiner Mitgliedschaft eine übliche Ansicht.
Um es kurz zu machen, da ich heute nicht so viel Zeit habe: Nicht bzw. Falsch-Gläubige sind in den Augen der Baptisten "verlorene" Menschen. Diese werden am Tag des "Jüngsten Gerichts" nicht das ewige Leben erhalten. So etwas wie das Fegefeuer der Katholiken in dem die "Sünder" noch eine Chance bekommen gibt es bei den Baptisten nicht. Aus diesem Umstand betreiben Sie sehr starke Versuche andere Menschen zu "bekehren". Das implizite und explizite Druckmittel ist: Wenn du nicht willst, dass die Menschen die du lieb hast "verloren" sind musst du sie zum Baptistentum bekehren. Hier wird eindeutig mit (manchmal subtil, manchmal sehr offen) Psycho-Druck ausgeübt. Dies ist nur eines der Merkmale warum ich sie zu den Sekten zähle. Das der kleine Bruder angeworben werden soll ist für mich daher keine Überraschung und wenn irgendwie möglich sollte das, was er dort erlebt mit ihm kritisch hinterfragt werden.
Um an Mensch zu gelangen und vor allem die eigenen Mitglieder zu binden haben sie eine Reihe von Instrumentarien entwickelt, wie z.B. die "Zeltmission" oder Tourneen von populären (Wander)-Predigern. Diese kommen dann oft aus den USA nach Europa und füllen u.U. ganze Stadien. seit den 60er bis Ende der 80er war Billy Graham so ein extrem populärer Bekehrer. Auch eine gut organisierte Sozialstruktur, die es quasi unnötig macht sich außerhalb zu binden gehört dazu.
Des Weiteren wird in der Baptistenlehre die Todsünde (Sie wissen sicher, bei den Katholiken sind das die berühmten 7 – die allesamt auf Askese abzielen, die Protestanten haben sie glaube ich ganz abgeschafft) umdeklariert: Die Todsünde, also jene, die "nicht vergeben werden kann" und somit unweigerlich zur Verdammnis führt, begeht der, der sich nach seiner "Bekehrung bewusst gegen Gott entscheidet". Zu deutsch: Wer aussteigt ist verdammt und von diesem Psycho-Druck machen auch die gemäßigten Gemeinden Gebrauch. Hier hört für mich der Spaß deutlich auf!
Ich kann, wenn Sie Interesse haben, gerne sehr ausführlich und über die Strategien der Baptisten Auskunft geben. Heute habe ich jedoch nicht so viel Zeit, und es wäre sicherlich sinnvoll, wenn sie Fragen an mich richten, die Sie bewegen.
Nur noch kurz zwei Dinge:
Erstens: auch die Antworten der anderen Forumsteilnehmer sind für mich nicht wirklich überraschend, da die Baptisten nach Außen oft eine sehr bürgerliche, politisch korrekte Form haben. Auch die 80er Jahre "Friedensbewegung" und Anti-Atomkraft-Bewegung hat(te) durchaus Anhänger bei den Baptisten. Das verschleiert oft sehr wirkungsvoll Psycho-Druck und gehirnwäscheähnliche Praktiken.
Zweitens : Neben denen die wie Ich in die Sekte (ich nenne sie nach meiner eigenen Erfahrung so und habe, denke ich sehr starke Argumente dafür) hineingeboren wurden, stellen Quereinsteiger mit wilden, Lebenswandel eine weitere typische Mitglieder-Gruppe dar. Nun, eigentlich ja kein Wunder, wenn man realisiert, dass jemand, der zu dem was Sie "über die Stränge schlagen" nannten einen solchen Lebenswandel ja sicherlich auch aufgrund von starken Gefühlen wie Verletzungen, Verlassenheit (oder so einiges anderes) – kurz innerer Haltlosigkeit führt. Ich habe oft erlebt, dass die Seiteneinsteiger zu radikaler Ideologie innerhalb der Gruppe neigen.
An Hansmeier 2009 oder andere, könntest Du mir auch noch mehr von den Praktiken der Baptisten schreiben. Ich gehöre seit 1985 zu ihnen, bin aber Mittlerweise sehr kritisch geworden, habe mich auch sehr manipulieren lassen weil ich naiv und gutgläubig war. Weil ich glaube das jeder eine Chance bekommt zu Gott zu kommen egal ob Christ oder nicht.
Der Maisenkaiser hat durch Zufall dieses Forum und diesen Beitrag ergoogelt und fühlt sich verpflichtet ein bisschen "Aufklärungsarbeit" zu leisten, denn leider wird all zu häufig (man) mit zu wenig Grundwissen diskutiert und argumentiert. Um das mal klar zu stellen: der Maisenkaiser ist seit gut 20 Jahren Mitglied in einer Baptistengemeinde und war vorher engagiertes Mitglied einer evang. Landeskirche. Trotzdem will er hier nicht die Baptisten oder eine andere Kirche verteidigen, sondern ganz neutral ein paar Fakten auf den Tisch legen.
1. Theorem: DIE evangelische Kirche gibt es nicht! Die evangelischen Kirchen sind als Protestbewegung (Protestanten) zur katholischen Kirche Anfang des 16. Jh. entstanden. Davor gab es auch schon abtrünnige Bewegungen wie die Waldenser, aber auch einige kath. Orden sind quasi eigenständig. Die Reformation war geprägt von einer ganzen Reihe von Reformatoren - nicht nur Luther, auch Calvin, Zwingli, Müntzer, Melanchton, Hus und noch einige andere mischten in dem bunten Treiben mit. Zunächst waren sie sich sehr wohlgesonnen, später brachen aber unüberbrückbare Gräben zwischen ihnen auf.
So wurde das aktive Engagement Müntzers in den Bauernkriegen allgemein verurteilt. Zwischen Luther und Calvin kam es zum Bruch über ein völlig unterschiedliches Verständnis des Abendmahls. So spaltete sich die evangelische Konfession schnell in viele unterschiedliche Richtungen auf. Deutschland als Land gab es damals noch nicht, sondern nur kleine Fürstentümer und Königreiche. Und da galt die Regel, das der Landesherr den Glauben bestimmte. So gab es also bald rein katholische Regionen, calvinistische, lutherische - aber auch Regionen mit Mischformen: die calvinistisch/pietistisch geprägte lutherische Kirche in Württemberg oder die unierte Kirche in Norddeutschland. Diese feste Zuordnung von Kirche und Land wurde durch die napoleonischen Kriege aufgeweicht. Nun gab es überall katholische und evangelische Kirchen und jeder Mensch bekam eine persönliche Wahlfreiheit (die französische Aufklärung lässt grüßen).
Dies mündete Anfang des 19. Jh. in die Säkularisierung - d.h. der Staat trennte sich von kirchlicher Macht. Gleichwohl hatte er aber noch die Fürsorgepflicht für die kirchlichen Gebäude und Anwesen. Deshalb wurde ein Kirchensteuer eingeführt, die vom Staat eingezogen und an die Kirchen weitergeleitet wird. Aufgrund der oben angeführten Geschichte gibt es zwar eine (römisch-)katholische Kirche, aber es gibt viele (20) eigenständige evangelische (Landes)Kirchen. Diese sind in theologischen Bünden organisiert (z.B. die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands - VELKD), bilden gemeinsam die EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) und sind über den ÖRK (ökumenischer Rat der Kirchen) auch mit der kath. Kirche verbunden.
2. Theorem: Es gibt viele weitere evangelische Kirchen neben den evang. Landeskirchen! Die Reformation fand natürlich in Deutschland statt, aber sie strahlte in alle anderen europäischen Länder aus - z.B. auch nach England, wo 1531 Heinrich VIII. die (kath.) Kirche übernommen hatte und als anglikanische Kirche eigenständig führte. Heinrich wollte nun aber eine Reformation vermeiden und so wurden verschiedene Elemente des reformatorischen Glaubens in die anglikanische Kirche übernommen.
Nach seinem Tod konnte der Einfluss der Reformation nicht mehr gebremst werden und so entstand unter calvinistischem Einfluss u.a. der bekannte engl. Puritanismus (keine Kirche, sondern eine Weltanschauung). Aus einer separatistischen Bewegung entstanden 1604 die Baptisten. Um 1730 begründeten die Brüder Wesley die Methodisten, 1865 gründete William Booth die Heilsarmee. Als diese Kirchen sich ab 1830 auch nach Deutschland ausbreiteten, entzogen sie sich bewusst dem kirchensteuerlichen System, da sie eine ganz klare Trennung von Kirche und Staat postulierten. Sie finanzieren sich allein aus den Spenden der Mitglieder (i.d.R. der biblisch begründete "Zehnte"). Auch heute noch gibt es immer wieder Gründungen von neuen Kirchen (z.B. die ökumenische Communauté de Taizé) oder einzelner eigenständiger christlichen Gemeinden.
Die evang. Freikirchen sind intern unterschiedlich organisiert (z.B. sind die Methodisten sehr stramm hierarchisch geordnet mit klaren Regeln und einem Bischof an der Spitze, die Heilsarmee ist militärisch strukturiert). Sie arbeiten als Freikirchen untereinander in der Vereinigung evangelischer Freikirchen (VEF) und sind über die evangelische Allianz mit den Landeskirchen verbunden.
3. Theorem: Freikirchen sind KEINE Sekten! Eine Sekte wird i.A. als eine Glaubensgemeinschaft definiert, die eine nicht anerkannte "Sonderlehre" verbreitet und diese als "allein selig machend" betrachtet. Ganz klar als Sekte werden die "Zeugen Jehovas" und die "Mormonen" betrachtet, auf die diese Definition zutrifft. Evangelische Freikirchen betonen den einen oder anderen Aspekt christlicher Lehre ganz besonders, bewegen sich aber ansonsten klar und allein auf dem Fundament der Bibel.
4. Theorem: Es gibt keine baptistische Kirche! Die baptistische Bewegung hat keine feste hierarchische Struktur! Jede Gemeinde ist für sich selbst verantwortlich - in verwaltungstechnischer wie theologischer Hinsicht. Um theologische Sonderwege zu unterbinden arbeiten die Gemeinden eng zusammen und es gibt eine zentrale Ausbildungsstätte in der Nähe von Berlin für baptistische Pastoren. Baptistische Gemeinden sind im "Bund (!) evang.-freik. Gemeinden" organisiert, der allerdings keine theologische Weisungsfunktion hat, sondern lediglich bestimmte Aufgaben für alle Gemeinden übernimmt (Mission, Ausbildung, Verbandsarbeit etc.).
Von daher ist jede baptistische Gemeinde autonom und anders! Das geht von radikal-evangelikal über mehr oder weniger charismatisch bis hin zu ganz liberalen und weltoffenen Gemeinden. Ein unbedarfter Beobachter wird wohl nie auf die Idee kommen, das eine von Russlanddeutschen dominierte radikal-evangelikale Gemeinde (Frauen in Kleidern und mit Kopftüchern, altmodisches und "muffiges" Liedgut) und eine von amerikanischen Soldaten in Deutschland gegründete offen-liberale Gemeinde (mit Gospelchor, Rockband und modernen Anbetungsliedern) zu derselben "Kirche" gehören.
Die von Naffi beschriebenen Handlungsweisen irritieren den Maisenkaiser doch sehr! Bist du sicher, das du von einer im BEFG organisierten "evangelisch-freikirchlichen Gemeinde (Baptisten)" sprichst und es sich nicht um eine Verwechslung oder irgendwelche "Trittbrettfahrer" handelt? Es soll wohl aus Russland eine sehr radikale Bewegung rüberschwappen, die sich (wohl aufgrund eines Übersetzungsfehlers) auch Baptisten nennen, das aber eigentlich nicht dürfen (hat der Maisenkaiser mal gehört).
Vor allem das bei der Hochzeit Geld "abgegeben werden muss" ist mitnichten Teil der baptistischen Lehre und der Maisenkaiser kann sich sowas in einer Baptistengemeinde überhaupt nicht vorstellen - das wäre nichts anderes als Diebstahl. Auch eine persönliche "Überwachung" ist eigentlich ein Zeichen für eine Sekte, aber nicht für eine Baptistengemeinde! Baptistengemeinden betrachten sich als Gemeinschaft von Menschen, die Jesus als ihren persönlichen Herrn anerkannt haben oder die auf dem Weg dorthin sind. Dies ist ein höchst freiwilliger Prozess zwischen Gott und dem Menschen, der in keiner Weise von Außen gesteuert werden kann und darf.
Freilich gibt es innerhalb mancher Gemeinde Regeln, die auf den einen oder anderen sehr altmodisch wirken (kein Sex vor der Ehe), aber am Ende ist jeder für sich selbst verantwortlich. Und wenn die Gemeinde an dem persönlichen Lebenswandel eines Mitgliedes Anstoß nimmt, erfolgt nach einer Reihe von persönlichen Gesprächen maximal ein Ausschluss (falls das Mitglied dann nicht schon selbst gegangen ist). Gezwungen zu bleiben wird niemand!
Ich kenne mich da etwas aus. Von meinem Mann sind die Großeltern in einer babtistischen Gemeinde. Ich kenne das auch, dass die Mitglieder sehr früh heiraten, und dass der Sex vor der Ehe verboten ist. Denn Sex ist nur zur Fortpflanzung da.
Ich habe aber nie gehört, dass die Menschen das Geld dem Priester abgeben müssen und nie wiedersehen. Seine Großeltern und alle anderen Mitglieder haben Geld gespendet, als die Gemeinde ihre eigene Kirche bauen wollte. Was ich so gut fand, dass in dieser Kirche auch ein großer Raum gebaut wurde. In diesem Raum werden Hochzeiten und Beerdigungsfeier ausgerichtet. So, dass alle Mitglieder sich nicht nach einem Raum umsehen müssen, sondern diesen kostenlos für ihre Feier oder Beerdigungen nutzen können.
Was ich nicht so gut finde, dass die Frauen in diesem Glauben unterordnet sind. Sie sind dafür da um die Kinder zu erziehen und die Familie zu versorgen. Sobad sie geheiratet haben, müssen Frauen ein Kopftuch tragen. Die Haare dürfen nicht abgeschnitten werden. Und müssen immer zu einem Zopf gebunden oder geflochten werden. Vorallem dürfen sie keine Hose tragen, nur lange Kleider oder Röcke.
natascha19821 hat geschrieben:Was ich nicht so gut finde, dass die Frauen in diesem Glauben unterordnet sind. Sie sind dafür da um die Kinder zu erziehen und die Familie zu versorgen. Sobad sie geheiratet haben, müssen Frauen ein Kopftuch tragen. Die Haare dürfen nicht abgeschnitten werden. Und müssen immer zu einem Zopf gebunden oder geflochten werden. Vorallem dürfen sie keine Hose tragen, nur lange Kleider oder Röcke.
Nochmal in Ergänzung zum Artikel des Maisenkaisers vorher: Es gibt solche Gemeinden - ja - aber der "Baptismus" ist vielfältig. Man darf einfach nicht den Fehler machen, seine Kenntnisse über eine einzelne Gemeinde als Allgemeingültig für alle baptistischen Gemeinden herzunehmen. Das mag bei den meisten Kirchen gelten: kennste eine kennste alle - bei den baptistischen Gemeinden klappt das nicht, da jede Gemeinde im Sinne der Urgemeinden ganz eigenständig ist. Der Maisenkaiser hat viele baptistische Gemeinden kennen gelernt, darunter war keine einzige, in der Frauen Kopftücher tragen mussten und zum Leben hinterm Herd verdammt wurden! In seiner eigenen Gemeinde z.B. besteht die Gemeindeleitung vollständig aus Frauen und der Zorn Gottes hat bisher nicht in der Gemeinde eingeschlagen.
Ich selbst bin nicht religiös, aber mein Lebensgefährte besucht den Gottesdienst einer Baptistengemeinde und nimmt auch unseren Sohn dorthin mit. Ich muss sagen, dass ich gerade ziemlich irritiert bin, wenn ich das hier lese. Ich kann jedenfalls nicht behaupten, dass ich von dieser Gemeinde derartige Eindrücke habe. Es scheint dort alles sehr locker und zwanglos zu sein.
Kein Sex vor der Ehe? Es wissen dort alle, dass wir nicht verheiratet sind und ein Kind haben, aber negative Kommentare oder ähnliches gab es von niemandem. Auch die "Frauen-an-den-Herd"-Regel scheint dort nicht vertreten zu werden. Jedenfalls sind die weiblichen Gemeindemitglieder, die ich bisher kennengelernt habe, größtenteils berufstätig und durchaus auch karriereorientiert, auch wenn sie Kinder haben. Kurzhaarfrisuren haben sie auch, also nichts mit Zopfzwang.
Man muss dort auch nicht zwingend ein richtiges Gemeindemitglied werden, indem man sich vom Pastor taufen lässt. Jeder ist gerne gesehen und wird akzeptiert. Auch, dass ich eben nicht hingehe, wird ohne weiteres akzeptiert. Bei "radikalen" Glaubensgemeinschaften ist es ja meistens so, dass man seine Familienmitglieder davon zu überzeugen hat, dieser ebenfalls beizutreten.
Link dieser Seite https://www.talkteria.de/forum/topic-55318.html
Ähnliche Themen
Weitere interessante Themen
- Notebook von Plus 3145mal aufgerufen · 3 Antworten · Autor: Simone1987 · Letzter Beitrag von Entenhausen
Forum: Hardware
- Notebook von Plus
- Kosmetik in München 1231mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Sumapede · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Fingernägel, Haut & Haare
- Kosmetik in München
- Lohnen sich Asien Fonds? 4215mal aufgerufen · 4 Antworten · Autor: Balthasar · Letzter Beitrag von FinanzScout
Forum: Geldanlage
- Lohnen sich Asien Fonds?
- Überweisung rückgängig machen 5663mal aufgerufen · 5 Antworten · Autor: Player · Letzter Beitrag von Wibbeldribbel
Forum: Geld & Finanzen
- Überweisung rückgängig machen