Make Over Shows - warum sehen wir uns das an?

vom 06.12.2008, 17:03 Uhr

Ich sitze gerade an einem Referat über das Tv Genre Make Over Show. Für jeden der das nicht kennt: es handelt sich hierbei um ein Genre, in dem Personen von Kopf bis Fuss rund erneuert werden. Dabei steht der betroffenen Person ein Expertenteam zur Seite. Dies setzt sich meist aus einem Fitnesscoach, einem Ernährungberater, einem oder mehreren Psychologen und natürlich Schönheitschirurgen zusammen. Im Laufe der Sendung und der verschiedenen Folgen verändern die Kandidaten dann ihr komplettes Aussehen und versprechen sich dadurch ein neues, besseres Leben.

Angefangen haben diese Sendungen in Amerika mit "The Swan" und "Extreme Makeover". The Swan ist dann vor nicht allzu langer Zeit auch nach Deutschland übergeschwappt und inzwischen gibt es auch bei uns Sendungen, die plastische Eingriffe und die Veränderung einer Person zeigen.

Nun fragt man sich natürlich, mal ganz abgesehen davon, warum dort jemand teilnimmt und sich so öffentlich zur Schau stellt, auch, warum wir uns das denn ansehen.

In Amerika, sagt man, sei das Teil der Kultur. Die amerikanische Geschichte strotzt nur so vor Neudefinierungen, die Siedler mussten oftmals Neuanfänge starten, sich immer wieder behaupten, als Person positionieren und ihren Status definieren. Es liegt denn Amerikaner also im Blut sich neu zu erfinden. Daher auch ihre Vorliebe für solche Shows und die darin gezeigte Möglichkeit, sich selbst und sein ganzes Leben neu zu definieren und zu gestalten.

Außerdem zeigt es vor allem Frauen, dass die so heiß geliebte Cinderella-Story wahr werden kann. Auch eine hartarbeitende Frau, die immer selbstlos für andere da ist, kann es schaffen und sich mal etwas leisten. Diese Gratifikation kann dann gerne auch mal eine Schönheits-OP sein. Und durch diese OP verändert sich dann auch ihr Umfeld und alles wird schön. Super!

Der kulturell verankerte Hintergrund, dass Amerikaner es einfach lieben, sich selbst neu zu definieren, mag mir noch eher einleuchtend erscheinen. Der Cinderella Gedanke, bei dem eine Schönheit OP einfach eine Art der Belohnung darstellt, ist in meinen Augen doch sehr abstrus.

Was meint ihr dazu? Und vor allem, was sagt ihr zu der Begründung warum wir Deutschen das sehen? Die ist nämlich nicht weniger seltsam :lol:

Wir Deutschen sehen diese Show nämlich angeblich aus einem Grund: Schadenfreude. In einer Welt, die überfüllt ist von Schönheiten, ergötzen wir uns daran, wenn wir sehen, dass auch eine Brigitte Nielsen noch perfekt ist, dass auch sie nicht makellos ist, sondern dass gewaltig nachgeholfen werden muss. Aus Frust an der eigenen mehr oder weniger nicht perfekten Gestalt erfüllt es uns mit Freude solche Shows zu sehen. Die Gottheiten der Leinwand und andere Schönheiten werden der Illusion, makellos zu sein, enthoben und auf eine Stufe mit uns "normalen" Menschen gestellt. Diese Erkenntnis erfüllt uns mit Freude und Lust, so dass wir diese Sendungen gerne schauen.


Stimmt ihr dem zu? Warum schaut ihr diese Shows? Was ist toll daran? Glaubt ihr dass es kulturelle Unterschiede bezüglich des Schauens solcher Sendungen gibt? Kann es wirklich sein, dass es in der Mentalität verankert ist, warum man eine Sendung mit einem bestimmten Thema ansieht? Glaubt ihr, dass wir so schadenfroh sind und uns an den Fehlern anderer ergötzen?

» steffi11191 » Beiträge: 1275 » Talkpoints: -2,88 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Also erst einmal, ich finde es schon kritisch, von "den Deutschen" und "den Amerikanern" zu sprechen. Vielleicht gibt es schon so etwas wie Mentalitäten, aber die betreffen auch nicht jeden einzelnen Menschen, da jeder Mensch anders ist. Übrigens finde ich auch historische Ableitungen sehr kritisch. Ganz derb könnte ich sagen, nur, weil die deutsche Vergangenheit eine Zeit lang leider rechtsextremistisch und rassistisch war, sind die Deutschen es nicht zwangsläufig heute auch. Soetwas muss nicht eine fortlaufende Linie sein. Genauso werden nicht alle Amerikaner heute "sich selbst neu erfinden" wollen, nur, weil vor Generationen einmal irgendwelche anderen Amerikaner etwas erfunden haben. Solche pseudo-evolutionären Gedankengänge können nicht gut gehen.

Ich sehe mir solche Sendungen (ich glaube übrigens, lange vor den heute populären Sendungen gab es auf dem "Frauensender" TM3 die so genannte "Vorher-Nachher-Show", wo es auch nur um das Umstyling diverser Personen ging) übrigens nicht an, egal, ob es "nur" um eine andere Frisur und andere Kleidung geht oder gar um Schönheitsoperationen. Die lehne ich übrigens allgemein ab, da medizinische Eingriffe fast immer gefährlich sind und Situationen vorbehalten sein sollten, in denen sie für die Gesundheit notwendig sind. Wer mit seinem Aussehen, so lange er nun nicht gerade nach einem Unfall schwer entstellt wurde, unzufrieden ist, sollte lernen, damit irgendwie anders umzugehen, als an sich herumschneiden zu lassen. Notfalls eben per Psychotherapie.

Wieso ich diese Sendungen also nicht mag? Zum Einen finde ich es einfach uninteressant, wie irgendwelche anderen Menschen aussehen, zum Anderen mag ich diese Oberflächlichkeit nicht. Ich hasse es, wenn Menschen nur anhand ihrer Äußerlichkeiten betrachtet werden und es dann sogar noch so dargestellt wird, als könne man als "hässlicher" Mensch keinerlei Erfolg haben, aber sobald man sich mal anders angezogen oder anders geschminkt habe, sei plötzlich alles in Ordnung, man habe keine Sorgen mehr und hunderte von Freunden. Auf solche oberflächlichen "Freunde", die sich nicht für innere Werte, sondern nur für mein Äußeres interessieren, könnte ich übrigens sehr gerne verzichten. Außerdem empfinde ich solche Sendungen auch als Gleichmacherei. Individualität wird vernichtet, alle Menschen werden gleich, nach einem einzelnen "Schönheitsideal", verändert. Das finde ich einfach nur schrecklich.

Dass sich einige Menschen soetwas aus Schadenfreude ansehen, kann ich sehr gut glauben. Sie schauen sich "hässliche" Menschen an und lachen sie auch. Darüber kann man auch in diversen TV-Internetforen lesen, wo die Leute sich dann über die Kandidaten beziehungsweise Teilnehmer lustig machen: "Guck mal, hast du die hässliche Kuh da gesehen, die Dicke?" - dasselbe Prinzip sehe ich übrigens bei "Deutschland sucht den Superstar", wenn Dieter Bohlen mal wieder Kandidaten beschimpft. Viele Menschen sollen sich diese Show nur wegen der Beschimpfungen und dem Niedermachen der Teilnehmer ansehen, weil sie das lustig finden. Andere nieder zu machen erhöht eben den Selbstwert von Menschen, die sonst armselig dran sind, wirklich armselig. Sie haben dann einen Grund, sich aus nichtigen Gründen für besser zu halten.

Und ich glaube schon, dass es manchmal, in mancherlei Angelegenheit, kulturelle Unterschiede gibt. Aber sie betreffen nie alle Personen, denn wir sind alle Individuen und alle unterschiedlich. Aber allgemein sind alle Völker sich doch ähnlicher, als man glaubt. Auch, wenn meist die Andersartigkeit betont wird und leider nicht die Gemeinsamkeiten.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass das in Deutschland anfangen hat mit der 'Vorher-Nacher-Show', irgendwo auf - damals - TM3. Zuerst hingen total viele Leute dabei vor dem Fernseher, mich eingeschlossen, weil ich es einfach faszinierend fand. Ich fand mich damals selbst nicht so besonders schön und hat natürlich Mut gemacht, wenn man sah, dass auch ziemlich unhübsche Menschen durch etwas Make-Up zu etwas gemacht werden können, was die Gesellschaft als attraktiven Menschen bezeichnen würde. Das ging ja noch einigermaßen.

Später entwickelten sich daraus dann aber Shows, die eher abzielten auf Schönheitsoperationen. 'The Swan' ist ein gutes Beispiel dafür: Die Frauen (übrigens haben da immer nur Frauen mitgemacht und nie ein einziger Mann!) waren dann auch mehrere Monate in einer Klinik, wo sie runderneuert wurden: Neue Nase, neues Kinn, Fettabsaugung und so weiter. Das dauerte natürlich immer, bis die Wunden einigermaßen verheilt waren und deshalb ging das auch über Wochen hinweg. Das führte dann mit der nötigen Schminke, neuem Outfit und neuer Frisur und Haarfarbe dazu, dass die Frauen nacher im Spiegel komplett anders aussehen. Also wirklich so als wären sie ein neuer Mensch. Und das fand ich dann irgendwann einfach nur so eine grauenhafte Botschaft an die Zuschaer. An den Frauen war am Ende gar nichts mehr so wie es einmal war, sie sagen ganz anders aus.

Aber was sollte das den Zuschauern sagen? Mit dem nötigen Kleingeld kann jeder so aussehen? Schade für dich, dass du kein Geld hast für die 11 Schönheitsoperationen, die Renate jetzt brauchte um einigermaßen straßentauglich zu sein? Sowas wollte ich mir nicht mehr angucken.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Lustig, damit beschäftige ich mich auch grade. für welches Fach ist denn das Referat?

Warum "wir" (wer ist das?) uns das anschauen, kann ich dir auch nicht so ganz sagen, aber die Faszination liegt glaube ich (übrigens ganz egal ob aus deutscher oder amerikanischer Perspektive) in der dargestellten Möglichkeit des Wandels. Der Erzählmodus, der da bedient wird spricht eigentlich alle an und wenn man es ganz platt formuliert ist es ja auch (wie die Sendungtitel oft andeuten) die Geschichte vom hässlichen Entlein..

Man sieht zu bei einem Übergang hässlichen, ausgestoßenen und fast schon unmündigen, oftmals auch zu vielen Dingen unfähigen (auf die Sprechertexte achten! bspw. können die immer keinen Job finden, ihre Familie nicht glücklich machen usw.) Wesen zu einem "besseren" und schöneren Menschen.

Dass dabei der Körper bearbeitet wird und man sich die ganze Leiden Prozedur mitfühlend vorstellen kann (ich zumindest hab immer auch Schmerzen, wenn ich die Ops oder blauen Flecken usw sehe) macht das ganze übertragbar und einsehbar. Und am Ende hat doch jeder irgendwas, was man an sich "verbessern" will.. Damit mein ich nicht unbedingt die Optik, aber was durch die Sendungen ja vermittelt wird, ist dass bei entsprechendem Engagement und Willen (auch zum Leiden) sogar etwas scheinbar so unveränderbares wie der Körper verwandelt werden kann. Und die Botschaft ist deshalb: mach was aus dir, egal auf welche Art, denn wir zeigen dir hier, dass es möglich ist..
ich hoffe ich hol nicht zu weit aus, wenn ich sage, dass dadurch ein bestimmtes gesellschaftlich-politisches (Selbst-)Verständnis bedient wird, das besagt, dass jeder für sein eigenes Glück verantwortlich ist.. und diese neoliberalistische Vorstellung ist heute nicht mehr nur in den USA sondern eben auch in D vorherrschend.

Also könnte man zusammengefasst sagen, dass ich glaube, "wir" schauen uns das an, weil damit zum einen ein gewisser Hoffnungschimmer verbunden ist, was auch immer man von solchen Sendungen und dem Wandel dort hält.. und zum anderen "unterwerfen" wir uns damit wieder genau dieser Forderung nach Selbstführung usw., die in diesen Sendungen am Körper ansetzt..

Puuh, ich hoffe das ist nicht zu weit ausgeholt ;) falls es dich interessiert empfehle ich gern ein paar Bücher.

» kolumnista » Beiträge: 1 » Talkpoints: 1,40 »



Ich frage mich ebenso wie meine Vorrednerin, wer eigentlich "wir" ist. Vermutlich schließt du einfach von dir auf andere und gehst davon aus, dass alle einen ähnlichen Geschmack in Bezug auf Fernsehsendungen haben wie du. Ich habe so eine Sendung noch nie gesehen und kann auch ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, warum sich jemand so einen niveaulosen Schrott anschaut. Allerdings kann ich das bei 99 Prozent der anderen Sendungen im Privatfernsehen ebenso wenig. Ein Volk ist keine homogene Masse, sondern eine Mischung aus unterschiedlichen Menschen. Natürlich gibt es Gruppen, die man zusammenfassen kann, weil die Menschen in der Gruppe viele verbindende Elemente aufweisen, aber so grundsätzlich würde ich nicht von "den Deutschen" oder "den Amerikanern" sprechen.

Die Leute, die sich für solche Shows bewerben, sind wahrscheinlich so verzweifelt und verfügen über ein so geringes Selbstwertgefühl, dass es ihnen egal ist, wenn sie sich öffentlich zur Schau stellen. Für die ist das einfach der letzte greifbare Strohhalm. Solche Leute sind von dem Gedanken besessen, nur durch kosmetische Eingriffe attraktiv und interessant sein zu können. Ich habe grundsätzlich gar nichts gegen Schönheitsoperationen einzuwenden. Es gibt einfach Dinge, die Menschen als entstellend empfinden oder aufgrund derer sie sich sehr schämen, auch wenn andere Leute diesen Makel vielleicht nicht so gravierend empfinden würden. Wenn sich solche Leute nach einem Eingriff wohler in ihrer Haut fühlen, ist das ein guter Grund, sich unter das Messer zu legen. Leider kann man im Vorfeld nicht immer abschätzen, ob es wirklich nur um die optischen Problem geht, oder ob jemand grundsätzlich ein Problem mit sich selbst hat - dann helfen oft die aufwändigsten Operationen nicht.

Den Zuschauern von solchen Sendungen unterstelle ich einen Hang zum Voyeurismus. Es gibt kaum einen Lebensbereich, der noch nicht ins Rampenlicht gezerrt wurde. Für manche Fernseh-Spanner reicht es einfach nicht mehr aus, Leuten einfach nur beim "normalen" Leben (so normal, wie ein Leben vor Fernehkameras sein kann) oder albernen Spielchen auf der Südhalbkugel zuzuschauen. Diese Leute wollen dann vermutlich auch gerne sehen, wie jemand zurecht operiert wird, um dann wenigstens einigermaßen ins gängige Schönheitsideal zu passen. Vielleicht sind auch einige dabei, die sich selbst ihre kleinen Unzulänglichkeiten haben und davon träumen, auch mal aufgehübscht zu werden. Wie Wawa666 schon geschrieben hat, ist bei vielen sicher auch eine gewisse Schadenfreude dabei. Die Leute sitzen vor der Glotze, lästern über die Personen, die in der Sendung vorgeführt werden und freuen sich diebisch, dass sie selbst ja so viel besser aussehen (selbst wenn das nicht der Fall ist - ein hässlicher Mensch findet immer noch einen scheinbar hässlicheren, über den er herziehen kann).

Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass "die Amerikaner" andere Motive haben, sich solche Sendungen anzuschauen als "die Deutschen". Die Leute, die sich solche Sendungen anschauen, haben einen Grund dafür, der irgendwo zwischen Schadenfreude, Voyeurismus, Neugier und Langeweile (weil sie sich nicht anderweitig beschäftigen können und dann lieber Müll im Fernsehen anschauen) zu suchen ist. Ob nun ein Amerikaner, ein Deutscher oder sonst jemand zuschaut, ist irrelevant.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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