Über Armut klagen, aber großzügig leben (wollen)

vom 06.12.2008, 02:38 Uhr

Immer wieder fällt es mir auf, dass Menschen, die im Fernsehn als arm oder, wie man heute so schön sagt "finanziell benachteiligt", dargestellt werden, sehr oft bestimmte Attribute besitzen. Auffällig oft haben sie ein Handy, einen Fernseher, eine Stereoanlage, färben sich die Haare und schminken sich grell und sind auch oft beleibt. Gleichzeitig jammern sie aber, dass sie so wenig Geld hätten, dass sie fast verhungern würden. Nun frage ich mich, wie sie Hunger leiden und immer betonen können, dass sie ja so wenig Geld hätten, sich dann aber gleichzeitig diverse Elektronikartikel und solche unnötigen Dinge wie Haarfarbe leisten können. Manchmal klagen sie sogar, dass ihre finanzielle Situation es ihnen nicht erlaubt, diverse Luxus-Artikel zu besitzen, die sie sich wünschen.

Ich möchte nicht, dass man mich falsch versteht. Ich möchte ja niemandem, unabhängig von seinem Einkommen, verbieten, sich die Haare zu färben. Das muss er schon selbst entscheiden. Und dass ein Handy bei der Suche nach einem Beruf wichtig sein könnte, möchte ich auch nicht bestreiten. Genauso habe ich neulich, was mich erschreckte, in diesem Forum gelesen, dass man als Frau zu Vorstellungsgesprächen grundsätzlich geschminkt gehen muss, also mag Make-up vielleicht auch eine sinnvolle Anschaffung sein.

Aber ich selbst bin auch leider wirklich nicht reich und wenn ich etwas Besonderes möchte, einen Luxus quasi, der nicht notwendig zum Überleben ist, dann spare ich mir diesen vom Mund ab. Aber ich jammere nie, dass es mir schlecht ginge und vom Verhungern rede ich auch nie. Ich jammere nicht, wenn ich kein teures Designer-Parfum oder keine Eckebadewanne kaufen kann. So ist es eben, wenn man wenig Geld hat. Nun frage ich mich also wirklich, wieso Menschen, die arm sind, weil sie nicht arbeiten, es für sich beanspruchen, bestimmte Dinge, die wirklich nicht mehr als nur Luxusgüter sind, besitzen zu müssen? Und wieso klagen sie über Armut bis hin zur Gefahr zu verhungern und haben gleichzeitig scheinbar Geld für unnütze Dinge?

Natürlich weiß ich, dass Fernsehbeiträge immer selektieren und auch durch Auswahl dessen, was sie zeigen, ein bestimmtes Bild kreieren können, welches nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen muss. Wie viel gestellt ist, kann man aus Zuschauer auch nie wirklich wissen. Aber interessant finde ich dieses Bild, das in den Medien von armen Menschen vermittelt wird, schon. Was möchte man damit verursachen und wer hat Interesse daran? Möchte man, dass Menschen, die ein hohes Einkommen haben, abschätzig auf die Armen hinab blicken?

Benutzeravatar

» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Egal ob arm oder reich, ich finde jeder braucht irgendwo seinen eigenen, kleinen, persönlichen Luxus. Sei es nun Haare färben, ein Handy zu haben, einen MP3-Player zu besitzen oder sonst irgendwas. Man kann doch nicht erwarten, dass jemand der wenig Geld hat, in völliger Askese lebt.

Es ist natürlich sehr leicht, Menschen zu verurteilen (oder besser gesagt zu vorverurteilen) auch ohne die genauen Umstände zu kennen. Hat dieser Jemand der im Fernsehen zur Schau gestellt wurde das Handy vielleicht, weil die Eltern krank sind und gegebenenfalls schnell Unterstützung brauchen? Ist der MP3-Player vielleicht dadurch finanziert, dass die Person Monate lang an anderen Stellen gespart hat, wo du und ich möglicherweise ganz selbstverständlich Geld ausgeben?

Man muss einfach die genauen Umstände kennen, ehe man sich ein Urteil über andere erlauben sollte, alle andere ist nicht fair oder manchmal sogar einfach dumm.

Benutzeravatar

» crissi » Beiträge: 1137 » Talkpoints: -9,86 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich denke, das liegt einfach daran, dass es heutzutage zum Mindest-Lebensstandard dazu gehört, Dinge wie ein Handy und einen Fernseher zu haben. Diese Dinge dürfen meines Wissens nichtmal gepfändet werden, wenn der Besitzer hoch verschuldet ist.

Jammern ist einfach ganz normal heutzutage. Viele Leute, die nicht gerade über wenig Geld verfügen, klagen doch auch ständig, dass es an irgendetwas fehlt. Die beschweren sich dann eben darüber, dass sie einen Golf und keinen Porsche fahren. Ich denke, das ist ganz normal in einer Gesellschaft, in der keiner hungern muss. Müssten die Leute wirklich hungern, hätten sie vermutlich genug damit zu tun und könnten nicht nebenher noch im Fernsehen auftreten.

Viele der Leute, die man so im Fernsehen sieht, wissen einfach nicht, wie sie ihr Geld richtig einsetzen. Und natürlich ist da sicher auch einiges gestellt.

Benutzeravatar

» Studia » Beiträge: 1182 » Talkpoints: 2,44 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Liebe crissi,

Mir geht es nicht darum, diese Menschen zu verurteilen oder gar vorzuverurteilen. Was du möglicherweise in meinem letzten Beitrag überlesen hast: Ich habe selbst sehr wenig Geld und um Dinge zu bekommen, die nicht unbedingt notwendig sind, die ich aber dennoch haben möchte, muss ich wirklich lange sparen. Dinge, die andere sich als Selbstverständlichkeit schnell mal kaufen können, weil sie das Geld dazu haben. Ich habe auch einige Dinge, die Luxus sind. Dafür habe ich dann eine Zeitlang vielleicht auch weniger gegessen oder auf andere Dinge verzichtet.

Mir geht es bloß darum, dass diese Leute behaupten, sie müssten verhungern, dann aber Geld für beispielsweise Haarfarbe haben. Was für mich nicht zusammenpasst, ist eben, gleichzeitig Geld für etwas aufzuwenden und dann aber auch noch zu jammern, man müsse verhungern, weil man ja "gar kein" Geld habe. Denn wenn ich auf etwas spare, und dafür als armer Mensch woanders Abstriche machen muss, dann ist das doch meine eigene Entscheidung. Da sehe ich dann keinen Sinn darin, anschließend zu meckern. Natürlich ist es wenig Geld. Aber diese Person soll nicht klagen, sie wäre am Verhungern, wenn sie das Geld, das sie für Nahrung aufwenden könnte, stattdessen aus eigener Entscheidung für andere Dinge aufwendet. Nur das meine ich, nichts Anderes. Aber auch da mögen Meinungen auseinander gehen.

Benutzeravatar

» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Was das "Beleibt-Sein" angeht, ist das, glaube ich, auch ein ganz schön großes Vorurteil. Oftmals ist es so, dass finanziell schlechter gestellte Menschen nicht unbedingt die Dünnsten sind, weil sie sich nicht richtig/ausreichend ernähren können. Ich habe da mal einen Bericht gesehen, in dem eine solche Mutter mit ihrem Kind den Wocheneinkauf gemacht hat, und die sind am Gemüse- und Obststand vorbeigegangen, weil es schlicht und ergreifend zu teuer war. Eine Paprika kostet um die 70 Cent, da holt sich der- oder diejenige doch lieber etwas, von dem er/ sie mehr hat, was aber im Gegenzug gleich ungesünder ist.

Ich muss sagen, dass ich die Einstellung fast (fast!) verstehen kann. Wenn ich Obst und Gemüse kaufe, dann denke ich auch, dass es nicht sein kann, dass man eine Gurke für 69 Cent bezahlen darf, während man für ne Tüte fettiger ungesunder Chips vielleicht gerade mal 20 Cent mehr ausgeben muss. Gerade jetzt im Winter ist es mit den Gemüsepreisen ja besonders schlimm.

Benutzeravatar

» Kaethe » Beiträge: 309 » Talkpoints: 48,28 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Hallo wawa666

Ich kann verstehen was Du meinst, es kommt immer komisch rüber wenn sich die vermeintlich armen Leute im TV über ihr schlechtes Leben beschweren, sie nicht ein und aus wissen sich aber während dieses Ausbruches von Selbstmitleid eine Zigarette nach der anderen anstecken. Nichts gegen Raucher aber wenn ich kein Geld habe dann kann ich nicht rauchen. Ich weiß wie schwer das Aufhören ist, war selber Raucher.

Im Hintergrund läuft der Fernseher und der Rechner ist auch an, dann laufen noch die 4 Hunde und 3 Katzen durchs Bild. Aber genau darauf legt es die Fernsehindustrie doch an, dass wir uns darüber aufregen und beim nächsten mal wieder an machen.

In der Realität sieht es glaube ich ein bisschen anders aus. Da kann man nicht jeden über einen Kamm scheren, sicher es gibt auch die, die sich ständig beschweren aber die, die wirklich nicht mehr vor und zurück wissen sind meiste recht ruhig und versuchen ganz einfach nur zu überleben. Ein bisschen Luxus sei jedem gegönnt das mit dem Gemecker muss nicht sein, das gebe ich dir recht.

Gruß
MedTech

» MedTech » Beiträge: 126 » Talkpoints: -6,84 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Wawa666; es gibt viele Menschen, die haben es nicht gelernt mit ihrem Geld zu Haushalten. Da bekommen sie am Monatsanfang ihre Unterstützung, oder ein kleines Gehalt und dann wird ersteinmal eingekauft, aber sie übersehen, dass der Monat noch lang ist und zur Mitte des Monats wird das Geld dann knapp und zum Ende des Monats kommt es dann zu solchen Äußerungen, dass man kein Geld für Essen mehr hat.

Wir hatten so einen Fall in unserem Sportverein, da war meine Mutter am Anfang des Monat bei der Familie vorbeigefahren, weil sie ihr mitteilten, dass sie ihre Schulden bei uns bezahlen könnten und die hatten einen großen Schinken, ohne Brot auf dem Tisch stehen und jeder schnitt sich großzügig Scheiben ab, bis der Schinken alle war. Das war ein Essen an einem Tag, was vom Wert her zwei Wochen gehalten hätte, wenn man es nicht so üppig verzerrt hätte. Am Monatsende war dann das Geld wieder weg und sie liehen sich wieder etwas im Freundeskreis.

Deshalb finde ich es auch wichtig, dass man gerade als Eltern Kindern schon früh beibringen muss, dass man nicht immer alles haben kann und auch mal auf etwas sparen muss. Klar, möchte ich auch viel, aber ich habe gelernt abzuwägen was für mich und meine Familie wichtiger ist und dann bleibt auch mal etwas über, wovon man sich etwas extra leisten kann. Aber das ist ein Lernprozeß, den man ersteinmal durch gemacht haben muss und viele sehen die Notwendigkeit nicht oder wissen nicht, wie sie anfangen sollen, weil es ihnen auch nie vorgelebt wurde.

Benutzeravatar

» akasakura » Beiträge: 2635 » Talkpoints: 1,50 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich habe ja schon im Beitrag Ein Barmer ist kein Armer?! angemerkt, dass ich im Bekanntenkreis häufiger bemerke, dass einige Menschen sehr ausführlich ihre finanzielle Situation beklagen und dies kurz darauf, durch eigene Handlungen ad absurdum führen. Allerdings würde ich solche Urteile nur über Menschen fällen, die mir seit langem einigermaßen gut bekannt sind.

Gerade bei Menschen, die nur per Fernsehen bekannt sind, verkneife ich mir derartige Urteile. Dazu kenne ich die Menschen und deren persönliche Umstände einfach zu wenig. Es kann durchaus jemand dabei sein, der sehr wohl wenig Geld hat aber durch Communities wie beispielsweise Talkteria eben doch ein wenig Luxus genießen können.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Im entfernten Bekanntenkreis haben wir eine Familie, die von Hartz IV lebt und die eigentlich auf jedem Kindergartenfest nur am jammern ist, wie wenig ihnen doch zum Leben bleibt und dass sie ihren Kindern wirklich gar nichts kaufen können.

Unsere Tochter versteht sich mit dem gleichaltrigen Mädchen sehr gut und war vor ein paar Wochen auch zum Spielen dort. Als ich sie abgeholt habe habe ich im Wohnzimmer noch einen kleinen Schwatz mit der Mutter gehalten. Dort stand ein großer LCD-Fernseher und eine richtig tolle Stereo-Anlage. Der Mann kam dann von oben runter und erzählte mir stolz, den Fernseher hätten sie sich neu gekauft und es wäre ein Schnäppchen für 899 Euro gewesen. Die Anlage haben sie sich letztes Jahr geleistet.

Irgendwie denke ich langsam, dass mein Freund und ich irgendetwas falsch machen. Wir bekommen jetzt bald unser viertes Kind und mein Freund hat eine feste Arbeit, die ordentlich, aber nicht übermäßig hoch, bezahlt wird. Bis vor kurzem habe ich noch halbtags gearbeitet, um ein bisschen was dazuzuverdienen. Hmm, wir kaufen uns wirklich keinen teuren Schnickschnack, aber so einen LCD-Fernseher werden wir uns wohl nicht so schnell leisten können.

Es mag ja sein, dass diese Familie vielleicht Geldgeschenke aus ihrer Verwandtschaft bekommen hat und das Geld dann für diesen Luxus ausgegeben hat. Ich habe aber wenig Verständnis dafür, dass die beiden Kinder nur in abgewetzter Kleidung rumlaufen und nicht mal Hausschuhe im Kindergarten haben, weil dafür angeblich das Geld fehlt. Und dann kaufen sich die Eltern solche teuren Geräte, anstatt das Geld für ordentliche Kinderkleidung auszugeben.

Es ist wohl einfach so, dass einige Eltern nicht richtig mit dem Geld umgehen können und die Prioritäten nicht richtig setzen. Zumindest in meinen Augen nicht richtig, denn an erster Stelle sollten immer die Kinder stehen. Man weiß ja, dass ein Kind im Winter warme Stiefel und im Sommer Sandalen braucht. Für den Übergang dann noch Halbschuhe und sowohl für zu Hause als auch für den Kindergarten ein paar Hausschuhe, evtl. noch Turnschuhe je nach Kita. Da kann man sich doch rechtzeitig drauf einstellen, zumindest wir tun das und am Winteranfang lagen 150 Euro bereit für 3 Paar ordentliche Kinderstiefel. Was übrig blieb haben wir aufgehoben für Ersatz falls welche kaputt gehen und packen jetzt schon wieder Geld auf die Seite für Übergangsschuhe im Frühjahr.

Wenn wir uns irgendwelchen Luxus leisten wollen, dann sparen wir dafür längere Zeit. Und dann kam es auch schon vor, dass wir das zur Seite gelegte Geld doch für etwas anderes verwendet haben.

» Nicky14 » Beiträge: 743 » Talkpoints: 0,09 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Haare Färben kostet nicht viel.10 €uro und man ist gut dabei. Was ich persönlich viel schlimmer finde ist das viele sich beschweren das sie kein Geld haben ihre Rechnungen zu bezazhlen wie Strom, Wasser, Telefonrechnung etc. aber dennoch das Geld zusammen kratzen können um jeden Tag min. 1 Päckchen Zigaretten zu kaufen. Ich meine 30x4 €uro sind auch 120 €. Damit könnte ich meine Strom/Gas Rechnung + meine Telefon/Internet Flat bezahlen und hätte immer noch 20-30 € übrig für was anderes. Das ist natürlich bei jedem anders, aber rauchen, Alkohol trinken find ich viel schlimmer als sich die Haare zu färben oder ein Handy zu besitzen. Vorallem in Zeiten von Flatrates und PrePaids Handys sind gerade Handys selbst für viele HartzIV empfänger erschwinglich sind, was auch gut so ist. Denn mal ganz ehrlich, wer sich heutzutage nicht zumindest ein wenig anpasst ist gesellschaftlich gesehen so gut wie tot. Ich sage nicht das man unbedingt ein Handy haben muss oder Markenkleidung oder sonst jeden Luxus mitmachen muss. Doch wenn man gar nichts hat und sich selber nix gönnt, dann fühlt man sich auch einfach nicht gut und das wiederum strahlt man dann auch aus. Viele lassen sich dann gehen und pflegen sich auch nicht mehr richtig. Da kommen wir dann auch zu dem Punkt wieso viele "Arme" in Deustchland dicker sind. Keine Bewegung, kein acht geben mehr auf sich selber, sich gehen lassen und nur noch billiges Fastfood und so einen Kram essen. Das Ergebnis ist dann der immer kleiner werdende Freundeskreis bis am Ende nur noch die jenigen im eigenen Umfeld übrig bleiben die genauso sind wie man selbst oder noch schlimmer, man komplett alleine bleibt.

Deshalb würde ich sagen das es schon relativ wichtig ist das man in jeder Situation auch mal was für sich tut, sprich sich die Haare färbt, oder sich neue Schuhe gönnt, oder eben auch ein Handy oder irgendwas anderes.

» TeazY » Beiträge: 6 » Talkpoints: 0,51 »


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^