Dürrenmatt Weihnacht - Ein düsteres Gedicht

vom 23.11.2008, 14:13 Uhr

Hallo zusammen,

ich war gerade auf der Suche nach Gedichten zu Weihnachten und bin dabei auch auf das Gedicht beziehungsweise die Geschichte von Friedrich Dürrenmatt gestoßen. Dabei geht es aber nicht um eine schöne Weihnachtsgeschichte, sondern eher um eine recht düstere. Friedrich Dürrenmatt findet im Schnee das Christkind, welches keine Augen hat und wohl somit auch kein Leben.

Das Gedicht beziehungsweise die Geschichte erinnert mich an Weihnachten in Ländern wo Krieg herrscht, das es einfach kein schönes Weihnachten sein kann (ich habe selbst noch kein Weihnachtsfest im Krieg erlebt und kann es mir daher nur vorstellen).

An was erinnert euch das Gedicht? Wie sind eure Empfindungen, wenn ihr das Gedicht beziehungsweise die Geschichte lest?

Liebe Grüße von der
Laufmasche

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» Laufmasche » Beiträge: 7540 » Talkpoints: -37,09 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Das Gedicht ist wirklich nicht wirklich weihnachtlich, das hatten wir mal in der Schule gelesen. An mich erinnerte die Geschichte von Anfang an an einen Menschen, der an Weihnachten allein ist und der somit auch kein fröhliches Weihnachtsfest verbringen kann. Denn Weihnachten ist das Fest der Familie. Und das leblose Christkind bedeutet in dem Zusammenhang für mich, dass für diese Person Weihnachten gestorben ist.

Das wiederum könnte man auch wieder in den Zusammenhang mit Krieg bringen, wie du ja schon erwähnt hast, denn im Krieg sind auch viele Menschen alleine, weil sie die Familienangehörigen verloren haben. Es geht auf jeden Fall in die gleiche Richtung.

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» Chiquitalina » Beiträge: 2311 » Talkpoints: -3,62 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich muss ganz ehrlich sagen, bisher kannte ich das Gedicht nicht. Von Friedrich Dürrenmatt habe ich schon einige Dinge gelesen, und ich weiß seinen Stil auch sehr zu schätzen, aber mit seinen lyrischen Werken habe ich mich bisher noch kaum befasst. Was ich nun aber ändern möchte! Dafür kann ich im Grunde euch hier aus diesem Thread danken.

Zum Gedicht selbst: Es ist sicherlich eine traurige, etwas schaurige, aber für mich auch bizarr-"interessante", Stimmung, die dort produziert wird. Das mag meine rein subjektive Empfindung sein, ich habe es einfach so mit diesen "Merkwürdigkeiten". Besonders auffällig ist für mich da diese Schilderung mit dem gefrorenen Heiligenschein, den der Ich-Erzähler isst, und dann auch den Leib des Christkindes, den er dann als Marzipan beschreibt.

Meine erste Assoziation direkt beim Lesen des Gedichts war ebenfalls Krieg. Diese Beschreibung mit dem Eis und der Einsamkeit lässt mich an den Krieg an der Ostfront denken, im Zweiten Weltkrieg. Ich weiß nicht, ob Dürrenmatt dazu irgendeinen privaten Bezug hat, denke aber, biographisch ist da nichts zu finden. Allerdings kann ihn das Thema ja dennoch beschäftigt haben. Zu der Zeit war er ja gerade etwas über zwanzig Jahre alt, und davon gelesen wird er sicherlich haben. Viele, die im Krieg starben, waren gerade in seinem Alter. Also, mich persönlich würde das sicherlich besonders interessieren.

Auch dieser Hinweis auf alte, nicht mehr schmeckende, Nahrungsmittel, passt meiner Meinung nach zu einer Kriegs-Thematik. Im Krieg, und auch nach dem Krieg, hungerten viele Menschen. Da gab es dann vielleicht, wenn man Glück hatte, noch alte Reste aus Vorkriegszeiten. Irgendwelche Konserven oder solche Dinge. Die dann vielleicht auch schon ranzig schmeckten. Aber man aß sie, denn man hatte ja sonst nichts. Der Ich-Erzähler berichtet ja auch, wie er Teile vom Christkind isst, und das, obwohl sie ihm gar nicht wirklich schmecken. "Altes Brot" und "Marzipan" sagt er zu den Geschmäckern.

Zudem sieht er dann ja diese Leiche im Schnee liegen, und wenn er sie näher ansieht, sieht er, dass es das Christkind sei. Mein erster Gedanke bei diesem Bild war, bevor aufgelöst wurde, dass es um das Christkind geht, dass da ein totgeschossener Soldat, oder auch ein ermordeter Zivilist, im Schnee liegt.

Dass es das Christkind, damit auch als Symbol für Weihnachten, ist, heißt für mich persönlich im Zusammenhang, dass mit dem Tod dieses Menschen für den Ich-Erzähler eben auch alles Schöne an Weihnachten für immer verstorben ist. Möglicherweise ist es eine ihm nahe stehende Person gewesen, die gestorben ist. Diese Beschreibung, dass er das Christkind tot gefunden hat, muss man meiner Meinung nach nicht wörtlich sehen, selbst, wenn man das Gedicht als Art unrealistisches Traumbild betrachten würde. Vielleicht ist es ganz real ein Mensch, ein Verwandter vielleicht, und er bezeichnet die Person hier nur als "Christkind", weil eben direkt mit ihrem Tod auch Weihnachten für ihn gestorben ist.

Mich würde wirklich mal interessieren, wie denn die "offiziellen" Interpretationen dieses Gedichts aussehen. Vielleicht hat Dürrenmatt ja auch selbst zu Lebzeiten etwas dazu gesagt? Das wäre wirklich sehr spannend. Vielleicht recherchiere ich nachher noch ein wenig. Wobei es meiner Meinung nach auch irgendwie etwas Besonderes hat, wenn jeder einfach seine eigenen Assoziationen hat. Da muss man gar nicht zwangsläufig "auflösen", sondern die eigenen Assoziationen zu erhalten, kann auch sehr wichtig sein. Aber bei mir überwiegt im Moment die Neugierde. ;)

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



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