Tanja Kinkel - Venuswurf- Eine Buchkritik
Gefallene Würfel im alten Rom
Man stelle sich vor, Ovid würde in seinem Exil am Schwarzen Meer ins Bücherregal greifen und dort den Roman „Venuswurf“ von Tanja Kinkel entdecken. Ein viel versprechender Titel, denn der Venuswurf war zu Zeiten des römischen Großimperiums der ultimative Wurf im Würfelspiel. Umso erstaunter dürfte der römische Dichter nach der Lektüre der ersten Seiten sein, trifft er doch sich selbst und wohlbekannte Figuren wieder, die sich um den ganz persönlichen Venuswurf bemühen, der ihm selbst verwehrt zu sein schien – denn die Intrigen des römischen Adels machten Ovid zum Ausgestoßenen.
Ovid selbst tritt jedoch nur als Nebenfigur der Romanhandlung auf. Im Mittelpunkt der Geschehnisse steht eine kleinwüchsige Frau, die als Sklavin erst in einem Hurenhaus landet und schließlich in den höchsten Kreisen der römischen Gesellschaft verkehrt, um dort als Leibeigene zu dienen. Eine beeindruckende Karriere einer mehrfache Außenseiterin, denn nicht nur ihr kleiner Wuchs, sondern auch ihr Status als Sklavin, Gauklerin und Spionin ist hervorstechend und macht sie eigentlich zu einer typischen Figur eines modernen historischen Romans: Die Frau in den Fängen der gesellschaftlichen Zwänge mit durchaus modernen Ansichten und Identifikationsmöglichkeiten; Versehen mit Sex & Crime ein untrügliches Rezept für den modernen historischen Trivialroman.
Die promovierte Literaturwissenschaftlerin Tanja Kinkel produziert eben diesen Typus des historischen Romans in verlässlicher Regelmäßigkeit und platziert ihre Werke mit großem Erfolg in den Bestsellerlisten. Betrachtet man ihren neuen Roman „Venuswurf“, stößt man grundsätzlich auf keine Revolution des Genres. Bekannte und erfolgreiche Schemata bleiben erhalten, Konflikte produzieren vermeintliche Schicksalsschläge für die Protagonisten und zum Ende des Romans löst sich alles durch einen mehr oder weniger geistreichen Geniestreich in allumfassende Normalität auf.
Entlang dieses Schemas bemüht sich Tanja Kinkel standhaft um historische Authentizität des Romanstoffes. Er spielt zu Beginn der westlichen Zeitrechnung im damaligen Zentrum der Macht. Rom als Handlungsort ist ein beliebte Quelle für Autoren historischer Romane, denn dem Klischee zur Folge war Rom nicht nur der Schauplatz politischer Intrigen, klassischer Künstler und Zirkuskämpfen zwischen Gladiatoren und exotischen Tieren, sondern auch ein Sündenpfuhl, dessen Leitsatz noch heute als geläufiges „Wein, Weib und Gesang“ Verbreitung findet.
Ein besonderes Bonbon erwartet den ambitionierten Leser im Anhang des Buches, denn dort findet sich nicht nur eine Aufschlüsselung historischer Stammbäume, Geldumrechnungstabellen und Auflistungen römischer Alltagswerte. Auf der Webseite des Buches (www.venuswurf.de) kann der Leser auch interaktiv und vollkommen unhistorisch zwischen Rezepten surfen und bei einem kleinen Würfelspiel selbst den Venuswurf versuchen.
Ovid würde also spätestens hier aus dem Marketingkonzept des Romans aussteigen müssen. Derartige Metatexte interessieren eigentlich nur, wenn man sich vom Romaninhalt überzeugt fühlt. Der Roman selbst ist bereits derartig mit Informationen über das römische Alltagsleben gefüllt, dass kein Platz für sprachliche Feinheiten oder gar eine interpretationswürdige Bildhaftigkeit bleibt. Die Kerbe des historischen Romans wird auf unterhaltsame Weise neu geschlagen, tiefer wird sie dabei allerdings nicht. Das Aufgreifen historischer Künstleridentitäten und ihren noch heute klassischen Werken im Laufe das Romans erscheint zunächst viel versprechend, jedoch stellt sich Ovid mehr als liebenswürdiger Opa vor, anstatt durch das handlungsbegleitende Schreiben der „Metamorphosen“ Impulse für die Romankonstruktion zu liefern.
Das typische Klischee der Sünde klammert die Autorin in ihrem Roman erfreulicher Weise vollkommen aus, denn eindeutig erotische Szenen, die man grade von einem historischen Roman erwarten könnte, fehlen im „Venuswurf“. Ganz verzichtet Kinkel jedoch nicht auf Liebesverwicklungen, denn auch die Protagonisten findet ihr Gegenstück, wenn auch nicht freiwillig. Alles weitere typisch Römische wird erwartungsgemäß in den Verlauf der Geschichte eingeflochten, jedoch ohne einen roten Faden oder eine nachhaltige Sinnbotschaft. Den Venuswurf im Leben schaffen – jeder Versuch diese Botschaft durchgängig ins Bewusstsein des Lesers zu werfen misslingt auf plakative Art.
Die anscheinend authentische Figur der Zwergin weckt zwar Sympathien, fügt sich allerdings weder in das Konzept der modernen Frau in historischer Umgebung, noch stellt sie sich als historisch glaubhafte Römerin dar. Die Bauernschläue dieser Frau kann nach einigen Seiten nicht mehr besonders beeindrucken und es entsteht ein zirka 200seitiger Leerlauf, ehe sich zum Ende hin alle Intrigen und Verwicklungen in Wohlgefallen auflösen
Ihr Steckenpferd, die römische Geschichte und der Autor Ovid, hat Kinkel ausführlich in diesem Roman ausgelebt, ohne einen aufdringlichen Lehrroman zu verfassen. Man erfährt nahezu nebenher etwas über das römische Sklaventum und mögliche Schicksale in dieser Schicht, trotzdem bleibt dieses Wissen großteils auf dem Niveau des Allgemeinwissens.
Der Leser bleibt im Lauf der Handlung stets überlegen und durchschaut, ehe dies den Protagonisten gelingt. Große Schwäche des Romans ist vor allem das inhaltliche Füllmaterial, welches weder sonderlich wichtig noch interessant ist. Ebenso der obligatorische Drang zur finalen Harmonie, dem Auflösen aller Konflikte und Problematiken, ist eher ein durchschnittliches Mittel, welches den Roman in eine lange Reihe von Roman stellt, die nach dem gleichen Konzept verfahren.
Mit dem Zuklappen des Romans sind die Würfel gefallen: der Venuswurf der Autorin ist dieser Roman nicht.
Mich wundert es gerade selbst ein wenig, dass ich noch nie zuvor etwas von dieser Autorin gehört habe, wenn du schreibst, dass sie schon viele Bestseller im Bereich der historische Romane geschrieben hat. Immerhin lese ich selbst sehr gerne historische Romane, habe von dieser Autorin aber noch nichts gehört und auch noch nichts gelesen. Du schreibst ja aber auch ganz klar, dass es bessere Werke von ihr gibt, so dass ich wahrscheinlich nicht mit dem "Venuswurf" anfangen werde, wenn ich ein Buch von ihr lesen möchte.
Ich weiß nun auch nicht so ganz, ob diese Thematik mich so anspricht. Rom als Schauplatz finde ich nun gar nicht so interessant und auch die Handlung hört sich nun auch nicht besonders spannend für mich an. Vielleicht sollte ich mir tatsächlich lieber die anderen Bücher der Autorin näher anschauen.
Link dieser Seite https://www.talkteria.de/forum/topic-47563.html
Ähnliche Themen
Weitere interessante Themen
- Notebook von Plus 3545mal aufgerufen · 3 Antworten · Autor: Simone1987 · Letzter Beitrag von Entenhausen
Forum: Hardware
- Notebook von Plus
- Kosmetik in München 1507mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Sumapede · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Fingernägel, Haut & Haare
- Kosmetik in München
- Lohnen sich Asien Fonds? 4621mal aufgerufen · 4 Antworten · Autor: Balthasar · Letzter Beitrag von FinanzScout
Forum: Geldanlage
- Lohnen sich Asien Fonds?
- Überweisung rückgängig machen 6113mal aufgerufen · 5 Antworten · Autor: Player · Letzter Beitrag von Wibbeldribbel
Forum: Geld & Finanzen
- Überweisung rückgängig machen