Kein Sex vor der Ehe - Interessante Interpretation

vom 15.11.2008, 11:14 Uhr

Hallo zusammen!

Ich lebe im Moment in England bei einer recht katholischen Gastfamilie und für die gilt natürlich, dass man keinen vorhehelichen Geschlechtsverkehr haben sollte. Der ganze Ort ist recht streng christlich und hier wird das allgemein so gesehen. Habe ich mir sagen lassen.

Darum geht es hier auch gar nicht. Ich persönlich halte wenig davon, aus diversen Gründen, aber im Moment beschäftigt mich eine ganz andere Fragestellung. Es soll hier nicht um Sinn oder Unsinn einer solchen Regel gehen, es steht lediglich der Umgang damit zur Debatte. Ich hatte nämlich gestern abend ein längeres Gespräch mit der ältesten Tochter dieser Familie, die knapp 17 ist und auch einen festen Freund hat. Und die berichtete mir, dass sich zwar die meisten daran halten vor der Ehe nicht mit ihrem Freund zu schlafen, die Grenzen aber etwas großzügiger auslegen.

Ich habe nun immer gedacht, wenn man vor der Ehe unschuldig bleiben will, gilt das ziemlich umfassend. In meiner Vorstellung waren dabei knutschen und auch kuscheln erlaubt (irgendwie muss man seine Zuneigung ja ausdrücken), aber alles, was darüber hinausgeht, war für mich tabu. Hier wird das (von den Jugendlichen, was die Eltern dazu dagen weiß ich nicht) deutlich lockerer gesehen. Außer dem tatsächlichen Verkehr, also den Penis in die Vagina einzuführen, ist alles erlaubt und wird auch gemacht. Jede Form von Petting bis hin zu Oralverkehr, je nach Vorlieben der betreffenden Personen.

Ich will ja nicht konservativ und spießig erscheinen, aber das finde ich irgendwie nicht gut. Mir erscheint ein solches Verhalten reichlich bigott. Dabei geht es mir mitnichten darum, was die jungen Leute tun, sondern darum, wie sie es nach außen hin darstellen. Denn wenn man sich damit brüstet, dass man keusch bleibt und sich für den richtigen Mann aufsparen will, kann man meiner Meinung nach nicht gleichzeitig rummachen, teilweise auch mit häufig wechselnden Partnern. Das geht für mich irgendwie gar nicht zusammen. Denn viel spart man dann ja nicht mehr auf, oder?

Entweder betrachtet man diese Lebensmaxime als richtig und hält sich dann auch daran, oder man hat eben Sex und steht dazu. Denn Sex fängt für mich nicht beim Einführen an, sondern viel früher und es darauf zu reduzieren ist ein bischen sehr vereinfacht, in meinen Augen.

Wie seht ihr die Sache? Findet ihr das auch komisch, oder haltet hier diese Auslegung der "Regel" für normal? Ich kann wie gesagt nichts damit anfangen und bin gerade so ein bischen entsetzt über die so genannte Moral der Dorfjugend.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich hatte vor einiger Zeit mal ein Buch gelesen, das spielte um 17 hundert in London. Da wurden genau diese Praktiken als legal angesehen. Was mich gerade in der prüden Zeit doch sehr wunderte und es einfach als literarische Beigabe abtat.

Wenn ich da bei dir aber so lese, dass diese Haltung immer noch so ist, dann sehe ich da mein Vorurteil Betreffs des katholischen Glaubens bestätigt. Da wird sich alles so hingebogen, wie man es haben will und zur Not geht man dann eben beichten. Ich finde das scheinheilig und heuchlerisch und gebe dir da absolut Recht, dass wenn man sowieso schon Petting mit allem drum und dran macht, man sich bestimmt nicht für die Ehe aufgehoben hat.

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» akasakura » Beiträge: 2635 » Talkpoints: 1,50 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Diese Interpretation scheint relativ normal zu sein, ja. Ich erinnere mich da an eine Amerikanische Talk Show in der eine junge Frau in meinem Alter auftrat. Sie hat sich als Jungfrau bezeichnet und wollte das auch bis zu ihrer Ehe bleiben und hat von Sexpraktiken erzählt an die ich mich damals im Leben noch nicht rangetraut hätte, obwohl ich damals mit meinem Freund schon Sex gehabt hatte. Sprich, ich wäre mit 17 Jahren nicht auf die Idee gekommen Analverkehr haben zu wollen und ich habe mich damals auch noch nicht so wirklich an Oralverkehr rangetraut.

Natürlich ist das total verlogen und nur weil man vom Gynäkologen bestätigt bekommen könnte, dass das Jungfernhäutchen noch intakt ist, ist man noch lange nicht unschuldig oder im eigentlichen Sinne jungfräulich, sprich unberührt. Aber ich denke diese Doppelmoral entwickelt sich zwangsläufig, wenn Religion auf Sexualität trifft. Denn Sexualität ist etwas total natürliches und instiktives und lässt sich nicht so ohne weiteres regulieren oder gar verbieten.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Das ist wohl eher etwas Alltägliches, Mensch legt sich die Dinge doch immer so zurecht, wie sie ihm am besten passen.

Es gibt ja auch viele sehr gläubige Moslems, die man dennoch betrunken in irgendwelchen Discotheken wiederfindet, die Drogen konsumieren und Gott und die Welt beglücken, aber dann beispielsweise keinesfalls und unter keinen Umständen Schweinefleisch probieren oder essen würden. Vor Letzterem kann ein gewisser (anerzogener) Ekel bestehen, das verstehe ich durchaus, worauf ich aber hindeuten möchte, ist lediglich, dass diese Personen nicht im Zwiespalt mit sich stehen, sie berufen sich bei gewissen Dingen nach Außen hin immer wieder auf ihren Glauben, halten sich selbst jedoch nur insofern an jene "Vorschriften", die sie nicht allzu sehr einschränken. Das ist als würde man jemandem Hilfe anbieten und im Endeffekt ihm nur bei den Dingen behilflich sein, die man sowieso gerne erledigt. Zwei Fliegen quasi mit einer Klappe geschlagen, man steht gut da und hat auch noch Spaß dran. ;)

Um auf das ursprüngliche Thema auch wieder zurückzukommen, ich kenne einige Moslems, die Analsex haben um diese Jungfräulichkeit am Leben zu erhalten. Das macht für mich auch alles keinen Sinn mehr, denn wenn ich einen Zaun aufstelle um Dich vor der Seite dahinter zu schützen und Dir verbiete über diesen zu klettern, Du jedoch ein Loch hinein sägst um hindurch zu kriechen, dann ist jeglicher Sinn der Vorschrift verloren gegangen. Das Verbot findet nicht in sich als solches Sinn, sondern in dem, wofür es aufgestellt wurde.

Meines Erachtens kann es sich bei solchen Menschen nicht um tiefgläubige und reflektierte Menschen handeln, denn wenn man sich aus gläubiger Sicht an Gebote zu halten versucht, versucht man Gott zu gefallen. Durch diese Handlungsweisen werden sie das wohl weniger erreichen, was auch bewusst sein müsste, scheinbar jedoch egal scheint. Es ist, als würde man legal betrügen, da man eine Gesetzeslücke fand. Das Ganze macht es jedoch nicht legitimer.

Ich selbst halte auch nicht viel davon, keinen Sex vor der Ehe zu haben, aber wenn man sich schon damit brüstet, sollte man sich und die ganze Welt vielleicht nicht verarschen, indem man sich irgendwelche zweifelhaften "Schlupflöcher" sucht. ;)

» Core » Beiträge: 19 » Talkpoints: 14,43 »



Ich finde dieses Verhalten auch reichlich grenzwertig. Für mich gehören auch die angesprochenen Praktiken zur Kategorie "Sex", und wären, wenn man dieser seltsamen Moral folgt, eigentlich auch vor der Ehe untersagt.

Problematisch finde ich vor allem die Aufwertung der klassischen Penetration als "richtige Sex-Variante", die dann quasi "verboten" ist (mir fällt gerade kein adäquates Wort ein für diesen gesellschaftlich erwünschten Verzicht, wobei "verboten" sich ein bisschen zu hart anhört). Damit werden gleichzeitig die anderen Praktiken abgewertet. Sex ist nicht nur die klassische Penetration zwischen einem Mann und einer Frau - es gibt soviele Graustufen, zum einen was die Praktiken angeht, zum anderen auch was die beiden Partner angeht (wenn man hierbei z.B. auch an homosexuelle Partner denkt).

» Nachtflugzeug » Beiträge: 490 » Talkpoints: -1,97 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich kann mich meinen Vorrednerinnen nur anschließen.Entweder ich stehe zu dieser Aussage und trage alle damit verbundenen Konsequenzen, oder ich lasse es bleiben. Schlupflöcher zu suchen, zeugt nicht gerade von großer Zustimmung zu dieser Haltung.

Ich kann natürlich verstehen, dass die jungen Leute einander erkunden wollen und neugierig sind. Aber wenn sie schon behaupten, bis zur Ehe keinen Sex zu haben, sollten sie sich daran halten und nicht alles andere praktizieren bis auf den eigentlichen Akt.

Mir ist klar, dass es wahrscheinlich Probleme mit den Eltern gäbe, wenn sie sich gegen deren Einstellung stellen würden. Aber meiner Meinung nach ist es besser, sich zu emanzipieren und seine eigne Ansicht kundzutun und dann auch darüber sprechen zu können, als scheinhelig zuzustimmen und im Verborgegen allerhand Dinge auszuprobieren.

Zudem frage ich mich, wie es denn dann mit der Verhütung aussieht. Denn vor Krankheiten ist man ja auch bei Anal- oder Oralverkehr nicht gefeit und auch wenn es wohl nicht oft passiert, kann sich auch bei Petting und einem anschließendem Samenerguss mal ein Spermium verirren. Wie können sie also richtig verhüten? Denn sie kann ihrer Mutter ja kaum einen triftigen Grund nennen warum sie denn die Pille braucht wenn sie offiziell noch keine Erfahrungen im sexuellen Bereich hat.

Also mich würde diese Scheinheligkeit einfach nur zu sehr anstrengen, denn es ist doch wichtig, auch mit seinen Eltern darüber sprechen zu können vor allem wenn Probleme auftauchen oder man Fragen hat. Und wie ich bereits sagte, wenn ich von mir behaupte, bis zur Eheschließung keinen Sex zu haben, dann sollte man sich für all die damit verbundenen Konsequenzen entscheiden. Und nicht nur ein paar Aspekte davon einhalten und sich den Rest so hinbiegen wie man es gerade braucht.

» steffi11191 » Beiträge: 1275 » Talkpoints: -2,88 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


So neu ist es ja nun nicht, dass "Kein Sex vor der Ehe" eigentlich "unbeschädigtes Jungfernhäutchen" bedeutet. In meiner Teenie-Zeit (Mitte/Ende der 80er Jahre des letzten Jahrtausends :wink:) gab es schon Witze, die diese Scheinheiligkeit aufs Korn nahmen. So wunderte sich beispielsweise der frisch gebackene Ehemann in der Hochzeitsnacht, weswegen das Jungfernhäutchen seiner Angetrauten LPG-Eigentum sein soll.

Auch wenn die Regel "Kein Sex vor der Ehe" recht überholt finde und mich auch nicht daran gehalten habe, so heißt das nicht, dass diese Regel grundsätzlich sinnlos ist. Allerdings wäre es in meinen Augen erst mal wichtig den Sinn dieser Regel zu erklären (auch wenn mir das wegen Ablehnung der Regel nicht gelingen würde). Dann fiele sicher mehr Jugendlichen die Einhaltung der Regel leichter - und das ohne auf irgendwelche anderen scheinbar erlaubten Sexualpraktiken umzusteigen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



So läuft das halt, wenn man eine Ideologie oder einen Glauben aufgezwungen bekommt, das ist halt einfach so bei den weitaus meisten Ideologien, Glaubensrichtungen und Religionen so, es heisst zwar immer die Wahl stünde einem frei, aber erstmal wird man ja so erzogen, wie die Eltern und deren Eltern auch erzogen wurden, so wie es alle oder die meisten im Ort erzogen wurden (auch in Deutschland gibt es das noch in ländlicheren Gegenden, dass man im Dörfchen zum Aussenseiter wird, wenn man nicht Sonntags in der richtigen Kirche sitzt und interessiert tut).

Das man sich dann Schlupflöcher sucht ist nur natürlich, denn man sagt ja nicht "Kein Sex vor der Ehe" weil es ihre eigene Überzeugung ist, sondern weil es die Überzeugung der Eltern, der Nachbarn, des Pfarrers, der Lehrer und so weiter ist. Wer aus eigener Überzeugung sagt "Kein Sex vor der Ehe" wird auch keine Schlupflöcher suchen.

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» crissi » Beiträge: 1137 » Talkpoints: -9,86 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Guten Mittag,

ich denke, dass ich dir, Sorcya absolut zustimmen kann. In meinen Augen ist es eine relativ seltsame Art mit religiösen Richtlinien umzugehen, indem man sie einfach so auslegt, dass sie einem passen. "Alles außer Geschlechtsverkehr"? Damit legen die "Kein Sex vor der Ehe" zwar nicht grundlegend falsch aus, aber dennoch verstehen die netten Leute die Grundgedanken nicht. Was bringt es, sich daran zu halten, wirklich keinen Sex vor der Ehe zu haben, wenn man sonst alles macht? Das ist zwar von dem religiösem Gebot her nicht falsch oder verboten, aber mit einem normalen Verstand sollte doch klar sein, dass es auch so nichts bringt.

Das religiöse Verbot ansich soll höchstwahrscheinlich dafür sorgen, dass man sich die Libido wirklich für den Gatten aufhebt und auch menschlich nicht frustriert ist, wenn man von irgendeinem Menschen dann "weggeworfen" wird. Somit ist das Gebot zumindest teilweise sinnvoll. Ob die christliche Denkweise sinnvoll ist, sei mal dahingestellt.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich diesen Umgang mit der Sexualität seltsam und höchst fragwürdig finde.

» Goldenboss » Beiträge: 396 » Talkpoints: -6,87 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich glaube dein beschriebenes Beispiel zeigt einfach nur wieder wie viel die Leute heutzutage wirklich von dieser "Regel" halten. Nach außen hin gibt es auch heute noch viele, die davon total überzeugt scheinen. In diesem Örtchen wird es auch bestimmt so sein, dass man kein besonders gutes Ansehen genießt, wenn man schon vor der Ehe Sex hatte und andere davon das mitbekommen.

In diesen gesellschaftlichen Zwang versetzt zu werden, ist sicherlich nicht gerade einfach für Jugendliche, die ihre Erfahrungen sammeln wollen. Da kann ich es nur zu gut verstehen, dass sie auch sehr gerne vor der Ehe einmal weiter gehen wollen als nur küssen und kuscheln (im geringen Maße, wie du meintest). Das ist zwar auch wunderschön und keinesfalls weniger Wert, wird aber nach einer ganzen Weile auch langweilig und man verspürt den Drang nach mehr.

Sinnvoll und richtig halte ich es zwar nicht nach außen hin den Braven zu spielen und im Schlafzimmer danach die Fetzen fliegen zu lassen, aber ich kann es verstehen, dass es unter diesen Umständen zu solchen eigenen Auslegungen dieser "Regel" kommt. Der Drang nach mehr wird sich einfach bei vielen nicht mehr aufhalten lassen, nur der "klassische Sex" bleibt aus, damit deren Gewissen rein bleibt.

Das Ganze ist eben genauso widersprüchlich und sinnlos wie dieses ganze Dogma und alles, was damit zusammenhängt. Warum man sich vor der Ehe nicht lieben und das auch uneingeschränkt zeigen darf, ist und bleibt für mich ein großes Rätsel.

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» Tidus9 » Beiträge: 275 » Talkpoints: 2,59 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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