"Ungläubige" Religionslehrer?
Guten Morgen auch,
ich studiere unter anderem Theologie auf Lehramt, werde höchstwahrscheinlich also in einigermaßen absehbarer Zeit mal als Religionslehrer arbeiten. Ich würde mich jedoch nicht als gläubig bezeichnen, auch nichts als Atheist, schon eher dann als Angostiker.
Ich hatte in der Schule eigentlich immer Spaß am Religionsunterricht und sehe das Fach viel mehr als Lebenskunde an, als als Bibelkunde oder ähnlichem. Ich wüsste nicht in welchem Fach man eher die Möglichkeit hätte, sich dem Schüler als Individuum am ehesten zuwenden und den Schülern vielleicht tatsächlich noch etwas mit auf den Weg geben zu können.
Ich habe jedoch schon einige Male überlegt, ob das so womöglich nicht ganz fair ist, etwas zu vertreten, wohinter man nicht gänzlich stehen kann. Allerdings dürfte es schwer werden, Lehrkräfte zu finden, die wohl im Ganzen hinter dem stehen, was die Kirche, die sie berief, vertritt. Ich habe auch nicht vor etwas vorzuspielen, sondern mit positiver Offenheit an dieses Thema ran zu gehen, womit man viele junge Menschen womöglich eher erreichen kann, als mit sturer Überzeugung.
Wie seht ihr das, findet ihr es verwerflich, wenn ein "Ungläubiger" oder vielleicht eher ein nicht gänzlich Überzeugter Religion unterrichtet?
Es wäre mit Sicherheit wünschenswerter, wenn das, was man unterrichtet mit den eigenen Sichtweisen übereinstimmt. Unschön wäre es, wenn diese dem Unterrichtsstoff gänzlich widerstreben würden, aber das wäre bei mir ja nicht der Fall. Ein Atheist ist da wohl gänzlich fehl am Platz, aber es kann vielleicht auch Vorteile bringen, wenn man nicht so ganz festgefahren ist und alles mit einer Offenheit angeht, die gleichzeitig jedoch nicht als Zweifel erscheint, sondern lediglich die Pluralität der Möglichkeiten und die Unzulänglichkeit der wahren Kenntnis diesbezüglich widerspiegelt.
Mich würden sehr die verschiedenen Sichtweisen von sowohl Gläubigen, als auch "Ungläubigen" interessieren und was man sich vielleicht für sich oder seine Kinder eher wünschen würde, sofern man nicht mit völliger Neutralität diesem Thema gegenübersteht.
Ich persönlich bin absolut nicht gläubig und finde den Gedanken irgendwie gut, dass jemand dieses Fach unterrichtet bzw. unterrichten möchte, obwohl er keinen absolut gefestigten Glauben hat.
Ich verstehe Religionsunterricht (wie jedes andere Fach auch) als reine Informationsvermittlung (was sicher von den meisten Leuten anders gesehen wird). Von meinem Standpunkt aus erscheint es mir sinnvoll, dass jemand das Wissen über Religion und religiöse Denkweisen vermittelt, der religiös nicht so stark geprägt ist, dass eine objektive Wissensvermittlung unmöglich wird. Glaube kann auch beeinflussen - und ich finde es gut, wenn das gerade nicht stattfindet - in der Hoffnung, dass die Schüler nicht in bestimmte Ecken gedrängt werden, sondern die Möglichkeit zur Reflektion bekommen.
Hallo Core,
ich selbst bin zwar katholisch, auch nicht ungläubig, aber doch zuweilen etwas kritisch eingestellt.
In den letzten Jahren meiner Schulzeit hatte ich einen katholischen Religionslehrer, der ganz offen merken ließ, dass er ebenfalls zu denjenigen gehört, die zwar glauben, aber das eine oder andere doch in Frage stellen, und ich erinnere mich noch gut, dass die meisten aus meiner Klasse ihn zunächst als sehr merkwürdig empfunden haben, so kennt man die Haltung eines Religionslehrers nun auch nicht gerade.
Ich weiß noch, dass uns sein Standpunkt lange nicht klar war, bis nach und nach die kritischen Sprüche meiner Mitschüler immer lauter wurden und eines Tages jemand sagte, es hätte das ja alles gar nicht gegeben, dieser Jesus sei ja frei erfunden etc. Da wurde unser Lehrer ganz energisch und sagte deutlich, dass es außer Frage stehe, dass in der fraglichen Zeit eine Person mit diesem Namen dort und dort gelebt habe und somit schon einmal klar sei, dass es diese Person gab.
Er sagte allerdings auch, dass wir über alle Geschichten rund um diese Person diskutieren können und es jedem selbst überlassen bleibt, ob er daran glaubt oder nicht, aber wir dürften nicht in Frage stellen, dass es diese Person gab.
Besonders im Nachhinein muss ich sagen, dass das einer meiner Lieblingslehrer war, denn er hat nie versucht (wie viele andere Religionslehrer), uns in eine Glaubensrichtung zu drängen oder uns seine Meinung aufzubinden. Er wollte auch nie das von uns hören, was er selbst für richtig hielt oder was seiner Sichtweise entsprach, sondern gestand uns immer zu, dass wir unsere eigene Meinung äußern, wenngleich wir sie auch stichhaltig begründen sollten.
Was uns wahrscheinlich am wichtigsten war, war die Tatsache, dass er unsere Meinungen und Ansichten akzeptiert hat, wenn wir ihm erklären konnten, dass wir uns diese Meinungen gebildet und sie nicht irgendwo abgeschaut haben. Jedenfalls war der Religionsunterricht sehr interessant, was ich von den Stunden der anderen Religionslehrer nicht sagen kann. Und ich denke schon, dass das an seiner Einstellung lag.
Deshalb finde ich es nicht verkehrt, einen kritischen Religionslehrer zu haben, ganz im Gegenteil. Auch wenn die Kirche das wahrscheinlich wieder anders sehen würde, aber die Kirche und der Glauben sind (besonders in der katholischen Kirche) meiner Meinung nach sowieso wieder zwei ganz unterschiedliche Paar Stiefel.
LG,
moin!
Hi,
Ich kann meinen beiden Vorrednern nur zustimmen. Genau eine solche Einstellung macht den Religionsunterricht interessant und bietet Diskussionsmöglichkeiten.
Der Unterschied, von einem gläubigen Christen und einem, der der Kirche auch kritisch gegenüber steht, unterrichtet zu werden, ist mir wohl bekannt. Denn wir wurden teilweise auch von Pfarrern unterrichtet, und deren Unterrichtsgestaltung war komplett anders und ließ wenig Raum für kritische Stimmen. Man hatte eher das Gefühl bekehrt zu werden, als frei sprechen zu können. Zudem ließen sich Pfarrer un Co kaum auf Diskussionen ein und waren kaum bereit, Argumente die gegen Kirche und Bibel gingen, zu akzeptieren. Auch als es um Diskussionen rund um Evolution und Darwin ging, waren sachliche und weltoffene Gespräche nicht machbar.
Umso schöner wurde es dann, als wir Religionslehrer bekamen, die dies zuließen. Der Religionsunterricht wurde zu einer Stunde, in der wir angeregt Ideen austauschen konnten und plötzlich war die ganze Klasse eifrig am Unterrichtsgeschehen beteiligt. So viel Interesse und so starke Beteiligung habe ich sonst während meiner 9 Jahre Gymnasium in keinem anderen Fach erlebt.
Der Religionsunterricht war DIE Stunde, in der jeder das Gefühl hatte, er kann sich einbringen und da bewegt sich etwas. Kein steifer Frontalunterricht, sondern leidenschaftliche Diskussionen und Schüler, die hundertprozentig bei der Sache waren. Religionsunterricht war der Hit
Ich kann dir also nur sagen, weiter so. denn genau eine solche kritische Einstellung des Lehrers erleichtert es den Schülern, sich ebenfalls kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen und es erlaubt lebhafte Beteiligung. den nichts ist schlimmer als von einem überzeugten Theologen in eine Glaubensrichtung gedrängt zu werden und zu glauben, man werde bekehrt.
Hallo,
in vielen Dingen möchte ich mich meinen Vorredner anschließen. Es ist gut, wenn der Unterrichtsstoff nicht unkommentiert geschluckt werden muss, sondern wenn der Lehrer es schafft, einen Denkprozess in Gan zu setzen und zu eigenem Denken und zu einer eigenen Meinung anregt.
So ist es auch mit dem Glauben: wenn er einfach übernommen wird, dann schläft er oder ist sogar tot, Glaube an Jesus Christus hat etwas mit einer Beziehung zu tun, nicht mit einem Denksystem. Entweder lebe ich mit dem Glauben an einen lebendigen Gott oder nicht. Und das kann vorgestellt werden, aber nicht verordnet. Als Lernstoff unterrichten und abfragen kann ich sicher solche Dinge wie Bibelkunde, Religionskunde und den Umgang mit den 10 Geboten und anderen Menschen.
Für mich ist es ein Unterschied, ob ich Religionskunde (oder ? - ich weiß nicht, wie dieser Unterricht heißt für die, die keinen Religionsunterricht haben) oder Religionsunterricht gebe. Ich finde es schade, wenn etwas, bei dem es schon um Glauben geht, von Menschen unterichtet werden, die diese Beziehung nicht haben. Ich kenne einige Eltern, die nicht glauben, aber bewußt ihre Kinder in den katholischen Religionsunterricht geben, damit sie dort den Glauben kennen lernen, um sich dann irgendwann selber zu entscheiden.
Ich finde es gut, dass Du Dir Gedanken darüber machst und dadurch die Sache nicht auf die leichte Schulter nimmst. Aber vielleicht gibt es eine Alternative, damit ich nicht unterrichten muss, wohinter ich nicht stehen kann.
Hallo seifensilvia.
Es hat natürlich auch einen Nachteil wenn du nicht als eine mit absolut gefestigtem Glauben gesegnete Religionslehrerin auftrittst. Du wirst angreifbar. Wenn du mit nonnengleicher Zuversicht in die Bibel vor der Klasse stehst und ohne mit der Wimper zu zucken von der Sintflut erzählen kannst, und das dort sämtliches heutige Leben der Erde aus jeweils einem Männchen und einem Weibchen hervorgehen die dort gerettet wurden, dann wird kaum einer mit dir die Diskussion suchen wollen. Du wirst dann eher die Aufgabe eines Tonbandes haben. Eine für mich nicht gerade erstrebenswerte Haltung.
Als Angnostikerin hingegen ist es ja geradezu deine Pflicht ausgewogen "zu kommentieren". Es ist ja nicht auszuschliessen, dass es einen Gott geben könnte, man kann ja weder seine Existenz noch seine Inexistenz schlüssig beweisen. Eine solche Beweisführung ist bei einem allmächtigen Wesen ja per Definition unmöglich.
Wenn du diese Einsicht gut vertreten kannst, dann wird es zu tieferen Diskussionen kommen. Die Jugendlichen müssen sich selbst Gedanken machen, sich selbst eine Meinung bilden. Sie bekommen von dir eine Grundübersicht, müssen dann aber damit selbst umgehen. Für mich der absolute Königsweg. So muss es sein.
Überhaupt ist vielleicht Religionskunde der falsche Unterricht. Oder zumindest sollte dort eine breite Übersicht über die verschiedenen Religionen und Konfessionen gegeben werden, das gegenseitige Kennenlernen gefördert werden. Ich weiss, es gibt Bestrebungen in diese Richtung, aber so wie ich das sehe gehen diese Anstrengungen immer auf die Motivation einzelner Leher zurück und ist nicht in einem Lehrplan festgehalten. Dabei ist dieses gegenseitige Verständnis die Grundlage für ein notwendiges Vertrauen, welches für ein friedliches Zusammenleben auf einem Planeten unabdingbar. ist.
seifensilvia hat geschrieben:Ich finde es schade, wenn etwas, bei dem es schon um Glauben geht, von Menschen unterichtet werden, die diese Beziehung nicht haben.
Ich sehe es sehr positiv, wenn jemand nicht so gläubiges den Religionsunterricht leitet. Denn wir der Name schon sagt, ist es Religionsunterricht und nicht etwa Katholizismus oder Islamlehre oder Buddhistentum oder sonst was. Es soll doch allgemein um Religion gehen und nicht darum die Schüler zu einer einzig wahren Religion zu bekehren.
Ich kann mir diesen allumfassenden Charakter des Unterrichts bei einem wirklich gläubigen Menschen überhaupt nicht vorstellen. Ein überzeugter Christ wird doch immer versuchen, das Christentum besser darzustellen als andere Religionen, ein Moslem wird auch Allah über alles erheben. Je nach-dem welchem Glauben dann der Lehrer angehört verkommt der Religions-unterricht dann eher zur Missionierung und dafür ist er einfach nicht da.
Da nun aber auch nicht die ganze Zeit jemand vor der Klasse stehen soll, der alles in Zweifel oder ins Lächerliche zieht, - wir wollen ja tolerant bleiben - ist es denke ich eine sehr gute Voraussetzung, wenn ein mäßig Gläubiger den Unterricht leitet. Er oder sie ist nur bedingt voreingenommen und geblendet, kann aber anderseits verstehen, warum viele Menschen so stark an ihre jeweilige Religion glauben. Da dürfte es sicher leichter fallen Fakten und Glauben in Zusammenhang zu bringen.
Außerdem dürfte es ein überzeugter Religionsanhänger heutzutage sehr schwer haben sich vor eine Klasse zu stellen und das wiedergeben, was in den jeweilige heiligen Schriften drin steht. Zum einen widersprechen sich die Religionen ja oftmals in sich, zum anderen stehen da Dinge drin, die glaubt einem kein Kind mehr. Da würde sich ein Gläubiger wohl von der Mehrzahl der Schüler so stark abgrenzen, dass diese seinen Worten gar keinen Glauben schenken und die wenigen die es tun, unter Umständen erz-konservativ werden.
Also ich finde es wirklich gut, dass du auch wenn du nicht ganz überzeugt vom Glauben bist, Religionslehrer werden willst. Ich denke, dass du deine Klassen später wesentlich toleranter im Umgang mit anderen Religionen erziehen wirst und dies kann nur gut für uns alle sein.
Mein Sohn hat Religion als drittes Prüfungsfach für sein Abitur gewählt, und da werden nun Themen behandelt, die man genauso in Ethik wieder finden könnte. Im Moment haben sie Sigmund Freud und Marx am Wickel und pflücken ihre Thesen als Atheisten auseinander. Womit ich sagen will, das Religion ab einer bestimmten Klassenstufe nichts mehr nur mit dem reinen Glauben zu tun hat. Ich bin evangelisch und hatte im Religionsunterricht in der 8. Klasse einen katholischen Priester, der es uns evangelischen Schülern jedesmal spüren ließ, dass wir das Falsche glauben. Da wäre mir ein wertfreier Lehrer wichtiger gewesen.
Wenn ich die heutige Zeit sehe, bei den Multi Kuli Klassen, wäre es sehr schwer einen Religionsuntericht zu machen, der sich einseitig nur mit einer Religion beschäftigt. Wenn du also schreibst, dass du ein "Ungläubiger" bist, dann fragt man sich natürlich schon, für welche Religion du ungläubig bist. Du siehst Religion als Lebenskunde und genau das ist Religion ja auch, wir hier in Europa sind zum größten Teil Christen, deswegen werden uns die Werte der christlichen Religion gelehrt. Genauso muss Religion aber auch die Werte der anderen Religionen vermitteln, in denen wir ja dann alle ungläubig wären, um Menschen aus anderen Kulturkreisen besser verstehen zu können. Denn Werte und Vorstellungen einer Religion prägen eine Kultur und dass vermittelt eine Religionslehrer. Somit kannst du in meinen Augen ruhig "Ungläubig" sein, denn du glaubst ja trotzdem an die Werte unserer Religion, die du auch vertreten kannst.
Anscheinend bin ich die bisher einzige, die einen Unterschied zwischen dem Fach Werte macht und Religionsunterricht. Werte kann jeder vermitteln - und es sind doch hoffentlich gute Werte. In Werte kann auch Religionskunde vermittelt werden. Wähle ich hingegen evangelischen oder katholischen Religionsunterricht, so kann ich keinen neutralen Unterricht erwarten - denn ich habe evangelischen oder katholischen Religionsunterricht gewählt. Es ist tendenzieller Unterricht - und da kommt anderes rüber als im Fach Werte. Ich jedenfalls erwarte es.
Es ist eine verkehrte Vorstellung, dass da monoton auf eine Meinung beharrt wird und Wunder dargestellt werden als etwas, was nicht in Frage gestellt werden darf. Gerade das hatte ich bei meinen Beitrag oben nicht gemeint.
Was hatte ich gemeint: wenn ich eine Wissenschaft erwarte, dann muss ich ein wissenschaftliches Fach wählen von mir "Religionskunde" genannt. Wenn ich Religionsunterricht wähle, dann wähle ich eine Religion, die nicht mit einem Für-wahr-Halten zu tun hat, sondern mit einer Beziehung zu einem Gott, und da finde ich es schade, wenn dieses nicht rüberkommt. Noch mal: nicht als Dogma, nicht als ausschließend, sondern als Möglichkeit, die ich als Schüler auch nicht Frage stellen kann.
So wie du dich schilderst, hätte ich mir gewünscht dich als Religionslehrer gehabt zu haben. Denn genau deine Einstellung finde ich klasse!
Ich hatte allerlei Arten von Religionslehrern. Eine von ihnen, eine doch sehr gläubige Lehrerin hat uns immer dermaßen mit ihren "wahren" Geschichten zugedröhnt, dass wir bald alle keine Lust mehr am Religionsunterricht hatten. Oftmals überkam einen das Gefühl dass man schlechter behandelt wurde, wenn man bestimmte unerklärliche Dinge nachgefragt hatte oder auch seine eigene Meinung genannt hatte.
Eine andere Lehrerin hat von vornherein gesagt, dass sie alle Art von Antworten und Glauben zulässt und dass es kein "Richtig" und "Falsch" gibt. Bis vor nicht allzu langer Zeit wusste ich auch noch nicht, dass die Bibel mit ihrer Entstehungsgeschichte eine Deutung macht und keineswegs beibringen soll dass Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen hat.
Wie schon mein Vorredner sagt, ein Lehrer, der einen nicht in eine bestimmte Glaubensrichtung zwängt und anständig diskutieren kann, ohne Fragen auszuweichen, ist für mich der beste Lehrer.
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