Ärzte - Götter in weiß?

vom 10.10.2008, 23:50 Uhr

Ärzte genossen sehr lange Zeit das Ansehen der Bevölkerung. Sie wurden als so was wie Götter in weiß betrachtet, die einerseits alles wieder heil machen können, andererseits aber vollkommen vertrauenswürdig sind. Mit der Zeit ist das Vertrauen in Ärzte immer weiter gesunken. Es scheint so, als würde die Kompetenz der Ärzte mit dem technischen Fortschritt immer weiter absinken.

Oder können die Ärzte mindestens genau gleich viel als früher, aber die Krankheiten sind komplizierter und vielschichtiger geworden, weil die Diagnosemöglichkeiten sich sehr stark verbessert haben? Welches Ansehen haben Ärzte heute, und ist das gegenüber ihren Leistungen gerecht?

» Curios » Beiträge: 16 » Talkpoints: 0,00 »



Ich denke ein Hauptproblem, dass die Ärzte haben, ist, dass sie durch die ganzen Gesundheitsreformen in ihrer Handlungsfreiheit etwas eingeschränkt sind. Viele Ärzte geben am Ende des Quartals bei weitem nicht mehr so bereitwillig Rezepte aus, wie noch am Anfang und die Nutzung der neuen Geräte kostet schließlich auch Geld, wodurch auch damit sparsam umgegangen wird, was widerum den Sinn der ganzen Technik etwas ins absurde rückt.

Ein weiteres Problem sind die Arbeitszeiten. Man kann wohl von keinem erwarten, dass er nach 20 Stunden noch sein volles Potential entfalten kann. Dafür ist der menschliche Körper einfach nicht ausgelegt und die 24 bis 48 Stunden Schichten muss man schon beinahe als fahrlässig betrachten.

Im Endeffekt lässt sich wohl sagen, dass die Ausbildung der Ärtze heutzutage besser ist denn je, es jedoch durch die unter anderem oben genannten Umstände schwer bis unmöglich ist, dieses Potential voll auszunutzen. Was eben zu einem schlechteren Ruf der Ärzte führt, da sie ja nicht das alles machen, was sie eigentlich machen sollten, beziehungsweise könnten.

so long

» JohnDoe » Beiträge: 72 » Talkpoints: 0,16 »


Uff, das ist ein Thema, welches man mit einem kurzen Beitrag gar nicht abhandeln kann.

Vielleicht mal zwei, drei Gedanken von mir dazu: Die Menschen gehen zum Arzt und warten. Warten lange. Es kommt ein Privatpatient, er kommt womöglich bevorzugt dran, wird "besser" behandelt. Frust macht sich breit in der Bevölkerung. Auf die Ärzte und Privatpatienten wird geschimpft. Im Krankenhaus liegen viele Patienten. Während ihres Aufenthaltes fühlen sie sich schlecht behandelt, kaum genesen werden sie entlassen. Man fühlt sich verschaukelt. Auf die Ärzte wird geschimpft. Faktum, das Ansehen der Ärzte, oder viel mehr die Meinung über sie sinkt, denn alle fühlen sich schlecht behandelt.

Jetzt die Frage, warum ist das so? Nun versetzen wir uns mal in einen Arzt, der in einem Krankenhaus arbeitet. Auf ihn wirken drei "Mächte" ein. Die Geschäftsführung (will Gewinne erwirtschaften, durch möglichst viele Behandlungen), die Krankenkasse (will Gewinne erwirtschaften, durch möglichst wenige Behandlungen), die Industrie (will Gewinne erwirtschaften, durch hohe Verkaufszahlen). Schnell wird deutlich, dass der Arzt hier eine Art Sprachrohr darstellt, oder auch einfach nur jemand, der vorgeschoben wird, um die Prügel der unzufriedenen Bevölkerung einzustecken. Daraus resultiert dann eigentlich die Antwort von JohnDoe.

Wichtig ist aber auch noch zu wissen, dass hinter dem ganzen Dilemma nur eines steckt: Geld. Die Krankenkassen prüfen genau, was nicht zahlen und wo sie nur Teilzahlungen leisten. Es gibt einen Katalog, der vorschreibt wie lange ein Patient im Krankenhaus bei einer bestimmten Diagnose behandelt werden darf. Beispielsweise, der Patient hatte eine mittelschwere OP. Dann bekommt er 2-3 Tage Krankenhausaufenthalt von der Krankenkasse bezahlt. Alles was darüber liegt geht auf Kosten des Krankenhauses. Es wird also darauf geachtet, dass der Patient nach 2-3 Tagen das Krankenhaus auch verlässt. Tut er das nicht, wird er praktisch gratis behandelt. Die Geschäftsführung des Krankenhauses macht dann Druck auf die Chefärzte, die Stationsleiter. Und wenn sich solche Fälle häufen, dann rollen die Köpfe der behandelnden Ärzte.

Traurig ist eben nur, dass der Arzt, der für alles am wenigsten kann, bei der Bevölkerung dann am Ende der Schuldige ist und sie ihm seine Engelsflügel ausreißen.

» Geegle » Beiträge: 208 » Talkpoints: 0,02 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Hallöchen,

Für mich haben Ärzte sehr wohl noch einen ähnlichen Status. Ich meine, sie haben wirklich viel Macht, wenn man sich das mal so überlegt und viele spielen tatsächlich Gott, weil sie über Leben und Tod bestimmen. Sie haben die Fähigkeit, einen totgeglaubten Menschen vor dem Tot zu bewahren. Früher wäre er gestorben.

Die Kompetenz der Ärzte sinkt nicht, nur wird man mittlerweile eben dazu gezwungen zum Fachidioten zu werden, weil es technisch immer komplizierter wird. Früher hat ein Arzt eben alles gemacht und nun muss man möglicherweise bei einer Krankheit zu 7 Spezialisten, die alle was anderes finden - oder nichts. Aber einer allein kann diesen Fortschritt einfach nicht mehr bewältigen. Man darf nicht vergesse, das es am Ende doch nur Menschen sind,die da behandeln.

Und Ärzte leisten viel. Ich würde nicht tauschen wollen, wenn man sich überlegt, dass die teilweise 24 Stunden am Stück arbeiten, ständig Bereitschaft haben, seöten funktioniert das Familienleben aufgrund dessen gut. Kinder haben die meisten Ärzte nicht und wenn kommen die zu kurz. Sie widmen quasi ihr ganzes Leben anderen, kranken Menschen.

Und das Warten im Wartezimmer - da können die Ärzte ja nun wirklich nichts für. Die haben auch nur 2 Hände. Der Unmut der da entsteht wird immer an ihnen ausgelassen, aber keiner überlegt sich, was wäre, wenn es diese nicht mehr gäbe.Maulen kann jeder. Bei mir ist das Ansehen eines Arztes nicht gesunken. Ich gehe zwar immernoch nicht gerne zum Arzt aber das ändert nichts daran, das wir ihnen doch eine Menge zu verdanken haben.

Liebe Grüße
winny

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge



Ärzte sind, wie der Vorredner schon sagte, gegebenenfalls direkt am Drücker. Die Technik macht vielleicht die handwerkliche Arbeit leichter, nimmt aber nicht die Aufgaben der Ärzte. Man kann sehr wohl sagen, dass Ärzte doch so etwas wie "Götter in weiß" sind. Wenn man überlegt, dass viele bei einem kleinen Wehwechen zum Arzt retten, muss ich wirklich sagen, dass Ärzte doch einen guten Status verdient haben. Zudem beeindruckt mich, wie weit das Wissen geht, damit man jedem Patienten eine Diagnose stellen kann.

» nick1 » Beiträge: 373 » Talkpoints: -8,69 » Auszeichnung für 100 Beiträge


@Curios
Eine sehr kluge und gut gestellte Frage finde ich, denn auch ich selbst habe mir shcon sehr oft Gedanken darüber gemacht.

@winny2311
Ein sehr guter Punkt, der auch meinen Standpunkt fast genau trifft, allerdings denke ich auch, dass Ärzte nciht dafür verantwortlich gemacht werden, dass sich die Technik verbessert, denn schlussendlich will man doch nur die Rettung der Menschen und die Auslöschung der Krankheit. Wenn heutzutage ein Arzt nicht mehr die Antwort auf alles weiß und man spezielle Ärzte aufsuchen muss, heißt dass doch nur dass die das beste für einen wollen udn nicht dass man die Kunden ohen Grund quälen muss.

In meinen Augen sind Ärzte immer noch "die Götter in weiß" und bleiben das auch :D

» cranki » Beiträge: 56 » Talkpoints: -0,11 »


Ich glaube kaum, dass Ärzte heutzutage weniger kompetent sind als früher oder gar weniger können.

Vielmehr ist es so, dass man heutzutage einfach viel mehr Krankheiten kennt und vorallem viel mehr davon behandeln kann. Ebenso stehen auch immer mehr verschiedene Therapiekonzepte parat. Das alles kann ein einzelner Mensch nicht mehr in sich vereinen, deswegen gibt es ja auch die Spezialisierung auf ein Fachgebiet. Für den Außenstehenden mag das vielleicht manchmal so wirken, als wenn man keine Ahnung hat und den Patienten einfach zum nächsten Arzt abschiebt, aber das passiert ja in den meisten Fällen zum Wohle des Patienten.

Das aber das Bild von den Göttern in Weiß bröckelt glaube ich schon. Gerade durch die Lohnforderungen der letzten Jahre und die Missständen im Gesundheitssystem die der Arzt ausbaden muss entstand bei vielen Menschen ein Bild des gierigen nie satt werden Arztes. Das liegt aber eben zum Großteil daran, dass die wenigsten Patienten wirklich genau wissen, welche Arbeit ein Arzt heutzutage alles leisten muss und die Ärzte versuchen es ja auch, dass die Patienten dass nicht so merken.

Wenn man zum Beispiel nach 24 Stunden Dienst bei einem Patienten einen unklaren Röntgenbefund nicht gleich als Bruch sieht und dass erst am nächsten Tag feststellt und mit der Behandlung anfängt muss man sich ja gleich vor dem Patienten und der Krankenkasse rechtfertigen und befürchten verklagt zu werden. Das hab ich so schon erlebt.

Oder wenn es dann um einen Arbeitsunfall geht und ein Büroangestellter einer Berufsgenossenschaft einem Arzt, der mindestens 6 Jahre studiert und 5 Jahre Facharztausbildung hinter sich hat, vorschreiben will wie dieser einen Patienten zu behandeln hat, dann ist das ein Missstand der so nicht geht.

Das alles muss man ja beachten als Arzt, es ist ja heutzutage nicht nur die reine medizinische Seite die zu beachten ist, es ist auch der ganze Bürokram der gemacht werden will und eine 40 bzw. 42-Stunden Woche gibt es ja auch nur im Tarifvertrag, 50-60 Stunden sind normal und dass ist ja sogar schon ein großer Fortschritt in den letzten Jahren.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Hallo,

ich glaube, dass das Ansehen der Ärzte sehr stark gesunken ist. Das hat mehrere Gründe. Früher waren die Menschen krank und hatten wenig Hoffnung auf Heilung. Wenn dann ein Arzt einen Patienten geheilt hat, dann war das was Besonderes, was sich rumgesprochen hat.

Heute werden die Leute krank und erwarten sogar Heilung. Werden sie schließlich nicht geheilt, so spricht sich das natürlich genauso schnell rum. Des Weiteren ist auch der Arztberuf eine Art Dienstleistung. Jeder Arzt ist schließlich in der Pflicht das Beste für seine Kunden zu tun. Tut er das nicht, so geht der Patient woanders hin. Es gibt genügend Ärzte.

Früher hingegen gab es kaum Ärzte und somit war die Auswahl auch nicht so groß. Große Auswahl bedeutet auch immer, dass auch mal schwarze Schaafe dazwischen sind. Der technische Fortschritt ist den Ärzten sogar noch zu Gute gekommen, denke ich.

Gruß

» GoroVI » Beiträge: 3187 » Talkpoints: 2,66 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Hallo!

Wie überall gibt es auch hier schwarze Schafe - man darf nicht alle Ärzte in einen Topf werfen. Wenn man natürlich das Pech hatte, öfter an ein schwarzes Schaf zu geraten, ist man davon überzeugt, dass die Kompetenz der Ärzte sinkt. Hier spreche ich aus eigener Erfahrung, denn mein Hausarzt gehört zu den schwarzen Schafen. Er fragt nicht nach den Beschwerden, sondern, wie lange man in Krankenstand gehen will und verschreibt auf gut Glück Medikamente.

Ich glaube, dass viele Ärzteserien einfach dazu beigetragen haben, dass der Patient denkt, dass sein Arzt auch so sein muss wie bei "Greys Anatomy" zum Beispiel. Oder sich selber als Arzt fühlt, wie schon Klehmchen in seinem Zitat angedeutet hat:

Oder wenn es dann um einen Arbeitsunfall geht und ein Büroangestellter einer Berufsgenossenschaft einem Arzt, der mindestens 6 Jahre studiert und 5 Jahre Facharztausbildung hinter sich hat, vorschreiben will wie dieser einen Patienten zu behandeln hat, dann ist das ein Missstand der so nicht geht.

Oder auch glauben, dass der Arzt immer für sie da ist, immer ein offenes Ohr hat, etc. Im Laufe der Zeit stumpfen manche Ärzte wahrscheinlich auch ab, weil sie sonst ihren Beruf nicht mehr ausüben könnten.

Grüße,
Erienne

» Erienne » Beiträge: 8 » Talkpoints: 4,22 »


Ich denke, dass zwei Punkte für das gesunkene Ansehen der Ärzteschaft verantwortlich sind. Zum einen wird heute von Ärzten viel mehr erwartet. Das wiederum ist einfach der Tatsache geschuldet, dass Ärzte (zumindest im deutschsprachigen Raum) dank verpflichtender Krankenversicherung für jedermann zugänglich sind und es normal ist, dass bei Krankheiten die Ärzteschaft in Anspruch genommen wird.

Und das ist ja nicht erst seit wenigen Jahren der Fall sondern schon sehr lange. Gerade zu Beginn diese heute selbstverständlichen Luxus war es sicher so, dass auch Erkrankungen geheilt wurden, für die es zuvor kaum Heilung gab. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass Heilung heute schon erwartet wird und alles andere (wie beispielsweise Linderung der Leiden) dann schon als Versagen gewertet wird. Durch Globalisierung und Vernetzung kann jeder Laie seinen Senf auch zu diesem Thema zugeben und so wird das Arzt-Patienten-Verhältnis unter Umständen noch belastet - nämlich genau dann, wenn ein Patient mit bestimmten Erwartungen zum Arzt geht, die dieser beim besten Willen nicht erfüllen kann.

Zum anderen sind natürlich heute sehr viel mehr Krankheiten bzw. Leiden sowie Möglichkeiten zur Heilung/Linderung bekannt und daher ist eine Spezialisierung (wie übrigens auch in anderen Wissenschaften) unabdingbar.

Ärzte waren und sind für mich keine Götter in weiß sondern in der Regel gut ausgebildete Spezialisten. Natürlich erwarte ich von ihnen Hilfe, aber mir ist durchaus bewusst, dass auch diesen Spezialisten Grenzen auferlegt sind. Diese Grenzen sind manchmal menschlicher Natur, manchmal fachlicher Natur und nicht zuletzt immer häufiger auch bürokratischer Natur.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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