Parteityp der Massenintegrationsparteien
Der Parteityp der Massenintegrationsparteien bildete sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts bzw. am beginnenden 20. Jahrhundert heraus, als es notwendig wurde die größere Anzahl wahlberechtigter Bürger in das politische Geschehen zu integrieren. Nachdem zuvor lediglich Männer ab 25 Jahren wahrberechtigt waren, wurde zunächst das Alter der Wahlberechtigung heruntergesetzt und später erhielten auch Frauen das Recht zu wählen.
Diese neuen Wählermassen versuchten die Massenintegrationsparteien durch eine zum Teil recht große Anzahl an Vorfeldorganisationen in die Partei zu integrieren.
Als Beispiele für solche Vorfeldorganisationen sind unter anderem Jugendgruppen oder Hochschulgruppen sowie parteiliche Ortsvereine zu nennen. Diese Organisationen dienen neben der Integration der Mitglieder auch dazu, Personen für die Partei zu interessieren, indem man sich ihnen auf deren privaten Umfeld nähert (zum Beispiel an der Universität) und ihnen Themendiskussionen präsentiert, die diese Personen persönlich interessieren oder betreffen. So können auch Menschen in Kontakt mit der Partei gebracht werden, die sonst eigentlich kein Interesse an ebendieser gehabt hätten. Die Massenintegrationsparteien versuchen ihre Wähler anhand deren Klassenzugehörigkeit oder Konfession anzusprechen, denn in der Regel haben Massenintegrationsparteien stets einen ideologischen Hintergrund.
Zum Beispiel verstand sich die SPD lange Zeit als Vertreter der arbeitenden Klasse und forderte in ihren Parteiprogrammen lange ausschließlich die Umverteilung der gesellschaftlichen Güter weg von der besitzenden Klasse hin zu den Arbeitern (mehr Beteiligung, bessere Entlohnung, mehr Sicherheit, Kündigungsschutz etc.). Ähnlich verhielt es sich bei der ideologischen Verortung des Zentrums als Partei der Katholiken und Bewahrer christlicher Werte. Eine Form der totalitären Massenintegrationspartei stellt die ehemalige NSDAP dar, welche versuchte, ihre Mitglieder regelrecht zu kontrollieren, anstatt sie demokratisch in das Parteigeschehen zu integrieren. Im Rahmen der Betonung der gemeinsamen Ideologien bemühten sich die Massenintegrationsparteien, möglichst breite Teile der Bevölkerung anzusprechen, also beispielsweise möglichst alle Arbeitnehmer und alle katholischen Christen.
Für die übrigen Parteien, vor allen Dingen für kleinere Interessenparteien oder die älteren Eliteparteien, blieben im Laufe der Zeit kaum noch Wähler übrig, da die Massenintegrationsparteien eigentlich nur Wählergruppen außen vor ließen, welche in der Bevölkerung eine Minorität darstellten. Die Wähler der Massenintegrationsparteien sind hauptsächlich die Parteimitglieder der Parteien selbst. Dadurch, dass die Parteimitgliederzahl zunehmend wuchs, erhöhte sich der Personalaufwand zur Organisation der Parteilandschaft und es entstand ein immer umfangreicher werdender bürokratischer Aufwand. Dieser Bürokratieapparat wurde durch Nebentätigkeiten sowie Spenden und Mitgliederbeiträge finanziert und schuf die ersten Berufspolitiker. Die Masse an Mitgliedern ließ sich am ehesten dadurch koordinieren, indem man die Parteispitze stärkte, was zur Folge hatte, dass im Laufe der Zeit die Partizipationsmöglichkeiten der Mitglieder immer geringer wurden.
Zwar wurde den Mitgliedern in der Partei durch die vielen Ortsvereine und die anderen Vorfeldorganisationen praktisch eine Vereinsheimat und durch die Vertretung einer bestimmten Ideologie auch eine ideologische Heimat geboten, allerdings konnten die Mitglieder hier kaum mitsprechen wenn es um die Gestaltung des Wahlprogramms oder auch das Parteiprogramm an sich ging. Gegen Ende der Periode der Massenintegrationsparteien, so etwa um 1960, führte der Frust über die mangelnden Partizipationsmöglichkeiten zu erheblichen Parteiaustritten und Parteiwechseln. Dazu kam, dass der Zweite Weltkrieg mit seinen teilweise recht großen Bevölkerungsbewegungen die Auflösung einiger Sozialmilieus gefördert hatte. Auch durch die Folgen des Zweiten Weltkriegs sowie die Verbesserung des Bildungsgebotes und den Ausbau des Wohlfahrtsstaates begannen sich die Klassengegensätze immer mehr zu relativieren. Zu guter Letzt hatte der Krieg einen Bedeutungsverlust der Eliten an sich hervorgerufen.
Aus all diesen Gründen war die Zielsetzung, Wähler und Parteimitglieder auf ihre Klassenzugehörigkeit oder Konfession hin anzusprechen und zur Wahl motivieren zu können auf Dauer nicht mehr praktikabel bzw. nicht mehr von ausreichenden Erfolgsaussichten begleitet. Hier begann die Öffnung der Massenintegrationsparteien gegenüber breiteren Bevölkerungsschichten: Sie versuchten nun, möglichst die komplette Bevölkerung als Ganzes anzusprechen und suchten nach Themen, die jeden Einzelnen interessieren – und wandelten sich somit zu einer Partei des Parteityps Volkspartei bzw. Allerweltspartei.
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