Literatur in der Schule
Deutsch ist immer mein Lieblingsfach gewesen und ich habe alles gerne angenommen, was mir meine Lehrer geboten haben. Manchmal war ich da aber auch die einzigste oder zumindest in der Minderheit der Klasse, denen das genauso ging. Sicherlich ist das schade, aber an sich völlig normal.
Jeder Lehrer denkt, dass sein Fach das Wichtigste wäre, aber das muss jeder Schüler selbst für sich festlegen. Ich zum Beispiel war unglücklicherweise an einem naturwissenschaftlichen Gymnasium, an dem Mathe, Chemie und Physik alles waren. DAS war das einzig Wichtige. Wenn man jemand sein wollte, musste man sich für diese Fächer interessieren und bestmöglichste Noten haben. Damit war man bei mir allerdings an exakt der falschen Adresse. Ich konnte mit Naturgesetzen und mathematischen Funktionen nichts - absolut gar nichts - anfangen und wollte am liebsten nichts damit zu tun haben. Mich haben Deutsch, Geschichte und Politik interessiert, was wiederum an der Schule kaum jemanden interessiert hat. Selbst die Deutschlehrer kamen mir da nicht vor, als wären sie überzeugt von dem, was sie tun.
Jetzt werde ich Krankenschwester und brauche die Naturwissenschaften - außer Biologie natürlich - nicht mehr. Das spielt jetzt alles keine Rolle mehr und so ist das auch mit der Literatur. Ein Wissenschaftler muss den Faust von Goethe an sich nicht gelesen haben, es muss ihn auch nicht interessieren, das ist einfach nicht sein Gebiet. Man kann und muss sich nicht für alles begeistern können, wenn ihr mich fragt.
Natürlich ärgert es mich, wenn meine naturwissenschaftlichen Freundinnen und Geschwister nichts mit Büchern, Schriftstellern und "Pflichtlektüre" anfangen können. Natürlich fehlt denen da ein Stück Allgemeinbildung, aber ich weiß auch nicht wie ein Fotoapparat funktioniert und das ist auch Allgemeinbildung. Wir können einfach nicht alles wissen, es reicht vielleicht, wenn jeder Ahnung hat von dem, was er tut.
Am Gymnasium haben wir übrigens von der 5. bis zur 9. Klasse lediglich Ausschnitte aus dem Tagebuch der Anne Frank, Romeo und Julia und in den kleineren Klassen ein paar wenige, dünne Jugendbücher gelesen. Die 10. Klasse verbrachte ich an einer Mittelschule bei einer begnadeten Deutschlehrerin. Allein in diesem Jahr haben wir Faust 1, Kabale und Liebe, den Vorleser und einige Kurzgeschichten gelesen. Die Räuber musste ich noch zu Hause nachholen, weil das dort bereits in der 9. Klasse behandelt worden ist - neben Nathan dem Weisen, Macbeth und anderen Werken, die wir am Gymnasium nicht behandelt haben. Meine Freundinnen sind jetzt 12. Klasse und haben noch nicht einmal Faust 1 ordentlich behandelt.
Ich weiß nicht, ob das an den Lehrplänen oder an den Lehren liegt. Ich weiß nur, dass die Mittelschüler an meiner alten Schule in Sachen Literatur jetzt mehr wissen, als die klugen Gymnasiasten. Am Gymnasium haben wir viel erörtert und öfters Gedichte interpretiert, was wir allerdings auch an der Mittelschule getan haben. Darf denn das sein?
Wie geschrieben, man kann nicht jeden Schüler für Literatur begeistern, so ist das bei allen Themen. Aber wenn man ein guter Lehrer wie meine Deutschlehrerin aus der 10. Klasse ist, dann kann man schon viel erreichen. "Pflichtlektüre" ist die eine Seite, aber das geht hier rein und da wieder aus dem Ohr des Schülers heraus, wenn der Lehrer das Ganze nicht entsprechend rüberbringt. Ich finde es wichtig, dass die Schüler von vielen Werken mal gehört haben (ok, gerade "Die Räuber" hätten vielleicht nicht sein müssen, das ist in meinen Augen kein besonders wertvolles Werk. Da kann auch der Name "Schiller" nichts daran ändern.), aber reinprügeln kann man es nicht. Man kann als Lehrer nur sein Bestes geben.
Ich würde es übrigens begrüßen, wenn Schüler einmal im Jahr mitentscheiden dürften, was gelesen wird. Man könnte als Lehrer z.B. 3-5 Bücher (vielleicht mal etwas Moderneres) zur Auswahl stellen, die man für wertvoll einstuft und die Schüler könnten darüber abstimmen, was behandelt wird. Damit erreicht man zwar nicht jeden einzelnen, man kann es ja leider nicht jedem Recht machen, aber das wäre wirklich mal ein großer Schritt, den man auf den Schüler zu geht. Der Schüler hat dann das Gefühl, dass er etwas mit entscheiden durfte und er wird sich eher dafür begeistern können, als wenn man ihm etwas vorschreibt. Und diejenigen, die für eines der anderen vorgeschlagenen Bücher gestimmt haben, werden es womöglich sogar zu Hause für sich lesen, weil man sie ja trotzdem angeregt hat, auch wenn ein anderes Buch durch die Demokratie gewählt worden ist. Das wäre doch mal etwas.
Letztendlich ist es nämlich gar nicht so wichtig, was man liest, sondern DASS man liest. Und mit meinem Vorschlag könnte ein Lehrer das wirklich erreichen und fördern. Es ist ja schließlich nicht nur seine Aufgabe den Schüler mit Goethe und Schiller vertraut zu machen, sondern ihm das Lesen auch schmackhaft zu machen. Mein Gott, und wenn es Harry Potter ist.
Heute gibt es an den Schulen in der Unterstufe zumeist die Möglichkeit sich eine Lektüre auszusuchen und so haben wir damals eigentlich fast nur Bücher gelesen, die uns gefallen haben. Die Lehrerin hat einige Werke vorgeschlagen und die Schüler ebenfalls und nachher wurde dann einfach abgestimmt. Das hielt ich damals für absolut fair und es konnte auch keiner danach meckern ''ueh, das Buch ist doof'', weil jeder die Chance hatte, etwas besseres vorzuschlagen. War der Inhalt des Buches aber tatsächlich etwas zu trocken, haben die Lehrer sich oftmals Dinge einfallen lassen wie Theater. Dann konnte man bestimmte Szenen nachspielen oder ein alternatives Ende erfinden. Zu vielen Büchern gab es auch einen Film, den wir dann neben dem Stoff geschaut haben und auch ein Lesetagebuch konnte für Abwechslung sorgen und hat das Ganze Schmackhafter gemacht.
Im Abitur ist das nachher natürlich anders, da man bestimmte Bücher vorgegeben bekommt. Aber man sitzt ja auch nicht zum Spaß in der Schule und ich für meinen Teil konnte mich auch an Werken von Goethe oder Shakespeare erfreuen, obwohl diese schwer zu lesen waren. Im Abitur hat man aber immer noch die Möglichkeit auf andere Fächer auszuweichen, so dass man nicht unter dem Druck eines Leistungskurses leiden muss, wo man pro Schuljahr an die acht Lektüren zu lesen hat.
Ich hatte zu meiner Schulzeit Deutsch als Leistungskurs in der Oberstufe und es hat mir immer außerordentlich gut gefallen. In den Jahren davor habe ich mich fast schon etwas unterfordert gefühlt, denn wenn wir mal ein Buch gelesen haben, dann haben wir nicht tiefergehende Gespräche darüber geführt, sondern einen Fragebogen mit Fragen zum Buch bekommen die nur dazu da waren damit der Lehrer gesehen hat das wir es auch wirklich gelesen haben.
Mir ist das interpretieren auch nie schwer gefallen. Hat man ein wenig Hintergrundsinformationen zum Autor und zu der Zeit in der das Buch spielt, kann man sich einen großen Teil zusammenreimen. Zudem hilft Textverständnis auch. Wir haben überwiegend diese kleinen Reklamheftchen gelesen wie zum Beispiel "Die Soldaten", "Der Hofmeister", "Faust", "Nathan der Weise" und "Kabale und Liebe".
Ich bin eine begeisterte Vielleserin, empfand Schullektüre aber immer als Zwang. Da ich mir die Bücher nicht selbst aussuchen konnte, sondern dazu verdammt war etwas zu lesen, fiel es mir unheimlich schwer. Auch den anderen ging es diesbezüglich genauso. Es gab nur einmal den Fall das jeder eine Buchbesprechung über ein beliebiges Buch halten durfte. Das erntete Begeisterungsstürme, weil die Bücher nun aus den eigenen Regalen stammten und den Neigungen der Schüler entsprachen.
Interpretationen gehörnten in der Schule zu meinen Lieblingsthemen. Die Diskussionen machten wirklichen Spaß, vor allem war es interessant, was die anderen sich beim Lesen gedacht haben. Ich kann auch nur bestätigen, dass dies nur in der Oberstufe so war. Davor gab es kaum anspruchsvollen Unterricht.
So ein Lehrer kann eigentlich alles schnell vermasseln. Ich hatte Literatur in der Oberstufe geliebt, aber die Lehrerin hatte absolut kein Feingefühl die Schönheiten oder den tieferen Sinn dieser Werke an Jugendliche zu vermitteln. Eigentlich hatte ich, genau wie meine Klassenkameraden, fast die ganze Unterrichtszeit nur Fragen von der Folie abgeschrieben die zu Hause schriftlich beantwortet werden mussten. Dabei handelte es sich nicht nur um ein paar Fragen die einem dabei helfen sollte diese Bücher zu erschließen sondern um ganz banale Dinge wie zum Beispiel an welchem Ort Herr X Frau Y getroffen hatte. Das war dann bis zu einhundert Fragen die eigentlich nur den Sinn hatten zu überprüfen ob jemand das Buch gelesen hatte oder nicht. Diese Art von Zwang ist völlig daneben und dann braucht sich niemand wundern wenn Jugendliche den Spaß an der Sache verlieren.
Ich denke aber schon dass ein bisschen Druck sein muss, wie man das pädagogisch am Besten löst weiß ich allerdings nicht. Er ist nun einmal so dass bestimmte Werke die im Unterricht behandelt werden müssen entweder vorwiegend Mädchen oder nur Jungen oder gar keinen interessieren. Bei Büchern aus meiner Schulzeit denke ich da so an Pavel Kortschagin (Wie der Stahl gehärtet wurde) und Thomas Mann (Mario und der Zauberer). Da waren die Interessen einfach nicht unter einen Hut zu bringen.
Literatur in der Schule halte ich aber für sehr wichtig. Ich fände es aber besser wenn nur die Grundlagen vermittelt würden oder bestimmte Kernaussagen wie bei der Ringparabel herausgearbeitet werden würden. Auch ein Theaterbesuch nützt da nichts um die Sache etwas aufzulockern, wenn das Interesse im Unterricht nicht geweckt werden kann dann ist jeder Zwang sinnlos. Stur auswendig lernen kann einfach nicht der richtige Weg sein.
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