Arbeiten beim Discounter: Wirklich so schlimm?

vom 21.09.2008, 02:22 Uhr

Bitte erzählt mir mal von euren Erfahrungen. Ist das Arbeiten beim Discounter (Lidl, Aldi, etc.) wirklich so schlimm, wie es in den Medien dargestellt wird? Ich habe ein Angebot bekommen für einen Teilzeitjob, und die Bezahlung ist echt gut. Ich habe kein Problem damit, Ware aufzufüllen oder an der Kasse zu sitzen. Aber ich habe Angst vor Betriebsspionage, schlechtem Betriebsklima und Sklaventreiberei, wie man es im Fernsehen schon gesehen hat.

Aber ist das wirklich so schlimm? Die haben ja tausenden von Filialen und so viele Menschen arbeiten dort, das kann doch nicht sein, dass die alle ihren Job hassen, oder? Hat jemand von euch schon mal beim Discounter gearbeitet und kann mir was darüber erzählen?

» Blind Guardian » Beiträge: 93 » Talkpoints: 0,08 »



Ich arbeite bei der Norma und es gibt selten Tage an denen nicht der Gedanke aufkommt, was für eine Ausbeutung dort stattfindet. Ich bin noch in der Ausbildung und habe laut Vertrag eine 40 Stunden Woche. Tatsächlich sieht es aber so aus, dass ich jeden Tag bereits vor meinem Schichtbeginn anfange und auch nicht bei Schichtende gehen kann. Pausenzeit beträgt eigentlich eine Stunde, tatsächlich sind es eher 15 Minuten und die auch nicht am Stück. Macht zusammen jeden Tag 1,5-2 Überstunden.

Nun ist es aber so, dass du als normale Vollzeitkraft laut Vertrag eine 37/38 Stunden Woche hast, tatsächlich aber mindestens 50 Stunden im Laden stehst und nur am hetzen bist damit du einigermaßen mit deinem enormen Arbeitspensum fertig wirst. Es sagt natürlich keiner offen, dass du Überstunden machen musst, dir wird halt einfach so viel Arbeit reingedrückt, dass dir gar nichts anderes übrig bleibt als "freiwillig" unbezahlte Überstunden zu machen :twisted: Von Oben kommt natürlich auch nur Druck und immer neue Forderungen: bessere Inventurergebnisse, mehr Umsatz, Stunden sparen...

Für Teilzeitkräfte sieht es teilweise ein wenig besser aus was die Überstunden angeht, zumindest kenn ich es von uns, dass Überstunden dort größtenteils auch aufgeschrieben werden, aber als Vollzeitkraft werden dir grundsätzlich nur 9 Stunden geschrieben. Ich bin echt am überlegen was ich mache, wenn ich mal mit meiner Ausbildung fertig bin, aber wo soll ich hin - gibt es im Lebensmitteleinzelhandel auch Firmen, die nicht derartige Praktiken an den Tag legen?

Über andere Discounter kann ich leider nichts sagen, interessiert mich selber ob es dort eventuell besser ist.

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» Fainne » Beiträge: 633 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Es kommt sicher immer auf den einzelnen Laden an. Selbst innerhalb einer Kette gibt es enorme Unterschiede. Ich selbst arbeite im Nebenjob bei einem großen Discounter und muss teilweise gut schuften. Meine Pausenzeiten kann ich auch nicht immer einhalten, weil es sonst mit der Arbeit knapp wird. Die Überstunden wurde anfangs auch nicht bezahlt, mittlerweile geht es einigermaßen, vorallem wenn es deutlich länger wird, dann wird das auch bezahlt.

Natürlich hat man aber vorallem im Markt, wenn es darum geht Ware aufzufüllen, sehr gut zu tun. Wenn man pünktlich Feierabend haben will, dann muss man schon sehr viel und schnell arbeiten, aber dann schafft man es auch. Von Spionage oder schlechtem Betriebsklima kann ich nun nicht unbedingt sprechen, sowas hab ich noch nicht erlebt.

Also die Arbeit verdient schon wirklich ihren Namen und man muss oft ziemlich viel schaffen, aber zumindest bei mir gibt es dafür auch einen einigermaßen guten Lohn. Im Einzelhandel sieht es wohl eh so aus, dass du am Lohn den Arbeitsaufwand ablesen kannst, je mehr du bekommst, desto mehr musst du schuften. Und dass sich jeder Arbeitgeber an die geltende Gesetze und Arbeitsbestimmungen hält, kannst du auch nicht erwarten.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Nein, es sieht nicht so aus wie in den Medien, sondern schlimmer! Ich habe im Discounter gejobbt, bei P*nny, und dort war es grausig. Überstunden gab es gar nicht, denn es gab keine Überstunden, weil es die nicht gab. Tja, real gab es natürlich massig, aber es gab keine Möglichkeit, die irgendwie irgendwo einzutragen. Dafür aber Kolleginnen, die jeden Morgen 3 Stunden früher mit der Arbeit begainnen,

damit der Chef nicht merkt, dass man das nicht schafft!

Pervers, oder? Da saß man auch schon mal fast ohne Pause 10 Stunden AM STÜCK an der KAsse, weil die diensthabende Vertretungschefin keine Lust zum kassieren hatten und lieber alweil ein kleines Schwätzchen mit dem Herrn Bezirksleiter führte. Bezahlung im Krankheitsfall? 20 Stunden die Woche. Realarbeitszeit? 42 Stunden die Woche. Bezahlung? 20 Stunden die Woche.

Ich habe das ein paar Monate mitgemachte, dann habe ich meinem Bezirkschef mit den Worten "Machen sie es doch, wenn sie alles besser und vor allem schneller können, heute mal alleine!" meinen häßlichen Kittel auf's Laufband geschmissen (vor allen Kunden) und bin geradewegs rausgegangen. Ein guter Abgang war das, und mich haben noch Wochen später Leute deshalb angesprochen (war ein Geschäft fast neben meinem Haus) wie dringend nötig das mal war, dass sich jemand wehrt.

Da liegt ja auch der Hase begraben: Warum wehrt sich denn keiner vernünftig? Warum organisiert keiner etwas? Weil jeder um seine Pfründe kämpft und befürchtet, der erste zu sein und Ärger zuz bekommen, stimmt's? So kann so ein System natürlich bis ins Unendliche ausgereizt werden.

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» Karen 1 » Beiträge: 1344 » Talkpoints: 0,40 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Karen 1 hat geschrieben:Da saß man auch schon mal fast ohne Pause 10 Stunden AM STÜCK an der KAsse


Ich sollte in meiner Ausbildung mal mitbekommen wie es aussieht, wenn eine neue Filiale eröffnet wird. Das sah dann so aus, das ich um 7 angefangen hab, von 8-20 uhr mit etwa 10 Minuten Pausenunterbrechung in der Kasse gesessen hab und um 21 Uhr gehen durfte, weil ich ja nur aushilfsweise dort war - die Anderen waren da noch lange nicht fertig...

Karen 1 hat geschrieben:Da liegt ja auch der Hase begraben: Warum wehrt sich denn keiner vernünftig? Warum organisiert keiner etwas? Weil jeder um seine Pfründe kämpft und befürchtet, der erste zu sein und Ärger zuz bekommen, stimmt's? So kann so ein System natürlich bis ins Unendliche ausgereizt werden.

Und wie soll das aussehen? Wie soll man sich denn dagegen wehren ohne dass man die Kündigung in die Hand gedrückt bekommt und anschließend einfach ersetzt wird?

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» Fainne » Beiträge: 633 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Das hängt ganz vom einzelnen Arbeitgeber ab. Von Lidl habe ich selbst nur Negatives gehört, das ging ja auch durch die Presse. Dass die Mitarbeiter sogar überwacht werden, wie oft sie auf die Toilette gehen, finde ich persönlich nicht tragbar.

Ich hätte um ein Haar bei Norma einen Minijob angefangen, und fand das Klima dort total in Ordnung. 8 EUR pro Stunde ist auch für einen Minijob eine gute Bezahlung, und die Kollegen waren alle sehr nett und zuvorkommend. Ich habe mich dann zwar für einen anderen Job, den ich von zu Hause aus ausüben kann, entschieden, auch aufgrund meiner Qualifikation, aber ich finde nicht, dass man alle Discounter in einen Topf schmeißen sollte.

Ich hatte auch Bekannte, die bei Aldi gearbeitet haben bzw. das noch tun, und der Job ist zwar anstrengend - wie wohl jeder Supermarktjob - aber die Bezahlung ist fast schon überirdisch. Ich denke, es hängt einfach davon ab, bei welcher Kette man arbeitet und auch in welcher Filiale, sprich wie das Klima dort ist, was ja auch stark von den Kollegen und vor allem von der Filialleitung abhängt.

Probieren kann man es ja mal, wozu gibt es eine Probezeit? Kündigen kann man immer noch, wenn man merkt, dass es nichts für einen ist.

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» netti78 » Beiträge: 3238 » Talkpoints: 18,35 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Der Haken an der Sache ist aber auch bei den Minijobs, dass dort teilweise geltende Tarifbestimmungen oder Gesetzen gnadenlos unterlaufen werden. So bekommt man oft nur wenig schriftliches in die Hand gedrückt, außer den Stundenlohn und die maximale Arbeitszeit.

Das man aber ein Recht auf alle Leistungen hat die der Betrieb auch seinen Festangestellten einräumt wird einem nicht erklärt, so z.B. auch auf alle Zuschläge die die Festangestellten bekommen. Das man sogar gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat wird genauso wenig gern eingeräumt. Da muss man dann drauf hoffen einen guten Betriebsrat zu haben, der das in den jeweiligen Filialen durchdrückt.

Aber gerade die Discounter die eher kleinere Filialen haben, besitzen oft gar keinen Betriebsrat, Gesamtbetriebsräte gibt es meist auch nicht und wenn man dann jemanden drauf anspricht, dass einem diese oder jene Sache gesetzlich zusteht, wird einem freundlich mit der Kündigung bzw. Nicht-Verlängerung des Vertrages gedroht.

Sicher sind 8 Euro für einen Minijob ein guter Lohn, da kann man sich nicht drüber beschweren, aber wenn man sich vor Augen hält, was die Discounter zum Teil eigentlich zahlen müssten und an Leistungen geben müssten, dann versteht man recht schnell das düstere Bild, dass sie in der Öffentlichkeit haben. Wobei ich natürlich keineswegs behaupten will, dass es nur bei den Discountern so ist, aber da kenne ich es aus eigener Erfahrung.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Hallöchen,

ich arbeite in einer großen Discounterkette als stellvertretende Filialleiterin und muss sagen, das es wie es hier schonmal gesagt wurde heutzutage : Ausbeutung pur ist.

Man ist nicht nur "Kassiererin", so wie es im Arbeitsvertrag steht, sondern "Mädchen für Alles", d.h. man ist : Handwerker, Putzfrau, Kassiererin und Kloofrau zugleich. Lieber sparen die Arbeitsgeber die Kosten für die Handwerker oder die Putzfrauen, anstatt da etwas Geld auszugeben. Es passiert öfters, das wir Dinge reparieren müssen, u.a. Leuchtstoffröhren, die Tiefkühltruhen, Schlösser usw.

Auch das abendliche Putzen müssen wir nach Kassenschluss übernehmen. Fast jede Woche ist die Putzmaschine defekt, sodass die die an der Kasse sitzen (meistens Aushilfen) mit der Hand putzen müssen, denn man spart an den Putzartikeln (Putzmaschine) wo man nur kann.

Bei uns im Discounter verdient man zwar gut, jedoch auf die Leistung, die man erbringen muss (auch als Aushilfe) ist es viel zu wenig. Kassieren alleine reicht keineswegs aus und so muss man nebenbei auspacken, kassieren und noch den Kassenbereich im Auge behalten. Öfters müssen eben auch die "berühmten" Putzarbeiten neben dem Kassieren erledigt werden in Gängen, in denen man die Kasse absolut nicht im Blickfeld hat und man "erahnen" muss, wenn jemand an der Kasse steht und wartet. Es ist ein undankbarer Job geworden leider :(

Auch ist es bei uns "Filialverantwortlichen" so, das man eben viel "umsonst" arbeitet, d.h. man früher kommen muss, weil derjenige der vorher die Schicht hat, etwas nicht auf die Reihe bekommt oder man später gehen kann, weil man in Stress ist und sich der Zeitplan irgendwie verschiebt, weil man anhand des Telefones "Mehrarbeit" aufgebrummt bekam, das unbedingt heute noch gemacht werden muss. So kommt es öfters vor, das man anstatt 9 Stunden gleich 10 oder 12 Stunden arbeitet, jedoch nur maximal 9 Stunden eintragen darf und so hat man einige Stunden umsonst gearbeitet.

Überstunden gibt es zwar auch, jedoch werden diese nur schwer bezahlt, d.h. wenn man genug hat, dann werden diese in 10er Schritten ausbezahlt. Zwar auch mit sehr gutem Stundenlohn, jedoch bleibt davon nie viel übrig und man ärgert sich hinterher umso mehr, Überstunden gemacht zu haben.

Wenn ich nicht so gut verdienen würde, wäre ich sicherlich schon weg, jedoch habe ich viele Vorteile durch meinen Arbeitsplatz, sodass ich diesen nicht wechseln kann (habe den Kindergarten eine Straße weiter, die Schule nur wenige Straßen und die Filiale im gleichen Ort). Soetwas hat man heutzutage selten und deswegen hänge ich an diesem Job!

lieben Gruß,
SybeX

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» SybeX » Beiträge: 3896 » Talkpoints: 11,19 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich habe mir sowas schon fast gedacht als "Außenstehender" beobachte ich immer nur die Gesichter der Einzelhandelskaufleute in den Discountern. Diese Gesichter sprechen meist Bände für mich. Recht begeistert oder arbeitsfreudig hat mir da noch nie jemanden entgegen geblickt. Und wenn man das in den Medien dann noch so mitkriegt, was da abgeht "Thema Lidl" usw. dann bestätigen die Kommentare hier noch das ganze Dilemma!

Schade das diese Berufssparte in so einen Ausbeuter - Sumpf geraten ist. Wie soll man sie da aber helfen? Streik - Streik und Gegenwehr scheinen mir die einzigen Mittel. Dazu bedarf es aber enorm mutiger Leute die unter Einsatz ihrer Anstellung für die Sache kämpfen. Ich finde die Situation äußerstes bedauerlich und fühle mit den Betroffenen!

» jostwi » Beiträge: 116 » Talkpoints: 0,55 » Auszeichnung für 100 Beiträge


jostwi hat geschrieben:Wie soll man sie da aber helfen? Streik - Streik und Gegenwehr scheinen mir die einzigen Mittel. Dazu bedarf es aber enorm mutiger Leute die unter Einsatz ihrer Anstellung für die Sache kämpfen.

Das Problem ist aber dass viele der Beschäftigten nur befristete Arbeitsverträge haben, die oft auch nur relativ kurze Laufzeiten beinhalten. Dem gegenüber stehen dann auch noch genug Leute die auch den Job machen würden. Wenn sich mal einer traut was zu sagen, dann fliegt er bzw. bekommt keine Vertragsverlängerung. Weil alle anderen auch davor Angst haben, bleibt man da schnell allein und somit ersetzbar.

Für einen Streik gegen die Arbeitsbedingungen bekommst du leider nur zu selten genug Mutige zusammen oder eben Leute die verzichtbar sind.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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