Faule Studenten?

vom 20.09.2008, 05:07 Uhr

Also ich glaube kaum, dass jemand der mal studiert hat, überhaupt so eine Aussagen tätigen würde. Klar gibt es durchaus viele Studiengänge, die auf den ersten Blick lässig ausschauen. 15-20 Wochenstunden ist ja eigentlich nicht viel. Aber da kommt dann eben auch Vorbereitung und Nachbereitung dazu. Der einfache Arbeitnehmer mag zwar 35-40 Stunden arbeiten, aber er hat danach eben größtenteils frei und muss sich um nichts mehr einen Kopf machen. Durch diesen unterschiedlichen Anforderungen verzerrt sich das Bild ja eh schon.

Und dann gibt es ja auch durchaus Studiengänge die zwischen 30 und 40 Stunden pro Woche liegen, ohne dass man noch Zeit für Vorbereitung und Nacharbeit mit einrechnet. Auch hat nicht jeder Student in den Semesterferien wochenlang frei. Oftmals müssen da ja Praktika gemacht werden oder Hausarbeiten geschrieben werden und die freie Zeit ist dann schnell aufgebraucht.

Zudem wird in vielen Fächern auch mehr Stoff als früher vermittelt. Wenn ich mir anschaue, was ich heute lerne und was meine Vorgänger vor 20-30 Jahren bei gleicher Studiendauer gelernt haben, unterscheidet sich das doch massiv. Vieles entwickelt sich ja auch während des Studiums weiter. Ich hab es auch schon in Prüfungen erlebt, dass man aus einem neuen Lehrbuch etwas vorbetet und der Prüfer dann sagt, ja ist eigentlich richtig, aber das macht man heute nicht mehr! Also muss man auch noch versuchen, neue Entwicklungen mitzubekommen und zu lernen.

Nichts desto trotz, kann ich aber auch neben dem Studium arbeiten gehen. Klar nur einen Minijob, aber es geht halt. Anderseits könnte ich mir das Studium aber auch sonst nicht leisten. Ich mach es also nicht nur aus Spaß, sondern weil ich es muss. Aber es klappt trotzdem und der schlechteste bin ich auch nicht.

Was mich auch dazu bringen würde, hier keinen G8-Vergleich anstellen zu wollen. Denn wir Subbotnik schon sagt, ist G8 ja nicht neu. Es gibt gerade im Osten genug Bundesländer die schon lange auf nur 8 Jahre Gymnasium setzen bzw. nach Erprobung der 9 Jahre wieder zurückgekehrt sind zum alten System. Und trotzdem kommen damit fast alle klar. Ich habe selber noch 13 Jahre machen müssen und fand es absolut überflüssig. Wir haben immer scherzhaft gesagt, als das 13.Jahr eingeführt wurde, wir müssen jetzt noch 1 Jahr Schauspielunterricht machen ;)

Schließlich muss man ja Schüler und Studenten auch auf das spätere Berufsleben vorbereiten. Irgendwann sollen die meisten ja auch mal 40 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten und das auch unter Druck. Daran muss man sich dann auch vorher schon mal gewöhnen. Und in die Bildung wird zwar noch zu wenig Geld investiert, aber es ist trotzdem eine gewaltige Summe, die sich irgendwo auch rentieren muss und effektiv verteilt werden muss. Und ich glaube eben auch kaum, dass wir es uns leisten können, Schule und Studium in die Länge zu ziehen, nur damit jeder angenehm durchkommt.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich bin Student und leider steckt in den Worten vieler Arbeiter ein Körnchen Wahrheit. Ich studiere eine Ingenieurswissenschaft und habe somit ein anerkannt anspruchsvolles Studium, trotzdem habe ich definitiv deutlich weniger zu tun als ein gewöhnlicher Arbeiter. Die meisten Studenten haben selten ausgefüllte Tage, mehr als sechs Stunden am Tag haben nur die wenigstens. Dazu kommt noch, dass die meisten mindestens einen zusätzlichen freien Tag wöchentlich haben. Die Krönung des Ganzen sind aber fast 6 Monate Semesterferien.

Klar, Studenten sollten die Welt sehen und selbstständig lernen, etc. Aber Studenten haben einfach zu viel Freizeit. Ich mache 40 Leistungspunkte dieses Semester, arbeite nebenbei, mache viel Sport und verreise andauernd und habe immer noch genug Zeit um mich zu langweilen. Was soll da die Bürokraft oder der Kellner denken, der wöchentlich 40h arbeitet, nicht nach anderthalb Stunden Arbeit (wobei genug Studenten in den Vorlesungen auch wenig machen) eine 30-minütige Pause bekommt und vielleicht 20 Tage Urlaub im Jahr hat.

Es gibt ja sogar genug Studenten, die es schaffen in der Vorlesungszeit kaum physisch und schon gar nicht psychisch anwesend zu sein und einfach vor der Klausurzeit sich alles mit Kaffee und Energy-Drinks reinprügeln. Und wie wird die Freizeit genutzt? Na Partys und Chillen!

Ich bin echt froh Student zu sein. Es ist zwar oft stressig, aber immer noch deutlich entspannter als zu arbeiten...

» Keksdose » Beiträge: 25 » Talkpoints: 0,23 »


Als Student möchte ich mich hier auch mal zu Wort melden. Faul, zu viel Zeit, überschätzt? Diese Anschuldigungen habe ich nun schon des öfteren gehört und auch hier zu lesen bekommen. Meine Meinung dazu: Alles Neid! Neid auf Wissen. Neid auf die Möglichkeit, spannende Vorlesungen zu hören. Neid auf die Möglichkeit, später viel Geld zu verdienen.

Als Student viel Zeit haben? Keineswegs. Ein Student, der pflichbewusst, diszipliniert und fleißig in seinem Institut studiert hat meiner Meinung nach immer etwas zu tun.

Es müssen:
- Texte gelesen werden (lesen heißt markieren, unterstreichen, anmerken, zusammenfassen, analysieren, untersuchen, interpretieren, bewerten, schlussfolgern etc.).
- Diskussionen durchgeführt werden (Diskussionen heit debattieren, Argumente sammeln, Meinungen verfechten, anprangern etc).
- Gruppenarbeiten erledigt werden (heißt zusammen Texte lesen und diskutieren, also eine ganze Menge Arbeit!)

Ich könnte bestimmt noch 10000 Dinge aufzählen, möchte meinen Redefluss an dieser allerdings stoppen. Ich hoffe, ich konnte aufzeigen, wie viel Arbeit in einem Studium steckt. Nicht zuletzt kommt es dabei doch auf das persönliche Engagement an. Faulenzer gibt es überall, diese würde ich allerdings kaum als "Studenten", sondern viel eher als "immatrikulierte Schwänzer" bezeichnen.

» telekollege » Beiträge: 17 » Talkpoints: 1,97 »



Keksdose hat geschrieben:Die Krönung des Ganzen sind aber fast 6 Monate Semesterferien.

Hier sollte man nicht voreilig verallgemeinern. Bei mir sieht es zum Beispiel so aus, dass ich 6 Monate Vorlesungsfreie Zeit habe. Darim fallen dann aber auch die Prüfungen, wodurch man im Studienjahr mindestens 1,5 Monate abziehen kann und die restliche Zeit muss dann für Praktika genutzt werden, wodurch auch nochmal 2 Monate mindestens wegfallen. Also bleiben maximal noch 2,5 Monate über. Dazu kommen dann eventuelle Nachprüfungen bzw. Zeit zum lernen für die Prüfungen. Effektiv habe ich damit im Jahr auch kaum mehr als 1 Monat wirklich frei, also das was auch ein normaler Arbeitnehmer hat.

Klar gibt es Studiengänge, bei denen so etwas wesentlich lockerer ist. Klar ist aber eben auch, dass auch nicht jeder Job wirklich anstrengend ist. Hier muss immer differenziert werden, was studiert und was gearbeitet wird. Ebenso lassen sich geistige und körperliche Arbeit in meinen Augen kaum vergleichen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Also "den faulen Studenten" per se gibt es sowieso nicht. Es gibt nur arbeitsintensivere und weniger arbeitsintensive Studiengänge. Gerade die Bachelor- oder Masterstudiengänge haben es ja in sich, da sie sehr komprimiert sind - da kann von Faulheit eigentlich kaum die Rede sein.

Auf der anderen Seite sagt man aber oft den Geisteswissenschaftlern nach, dass sie eher so ein "Gammelstudium" betreiben. Das trifft aber sicher auch nicht auf alle zu, nur scheint da zumindest dem Hörensagen nach die Zahl derer, die es nicht so genau mit dem Studium nehmen, höher zu sein.

Allerdings glaube ich, dass selbst die etwas - sagen wir mal gemütlicheren - Studenten aufgrund der Studiengebühren mittlerweile auch genauer überlegen werden, ob sie wirklich noch ein Semester dranhängen möchten oder nicht. Daher glaube ich, dass spätestens durch die Studiengebühren jetzt das Bild vom "faulen Studenten" ziemlich überholt ist.

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» netti78 » Beiträge: 3238 » Talkpoints: 18,35 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


netti78 hat geschrieben:Auf der anderen Seite sagt man aber oft den Geisteswissenschaftlern nach, dass sie eher so ein "Gammelstudium" betreiben. Das trifft aber sicher auch nicht auf alle zu, nur scheint da zumindest dem Hörensagen nach die Zahl derer, die es nicht so genau mit dem Studium nehmen, höher zu sein.

"Gammelstudium" kann ich nicht bestätigen. Ich studiere zwei geisteswissenschaftliche Fächer und komme auf 33 Stunden pro Woche, die ausnahmslos alle anwesenheitspflichtig sind. Dazu kommen während des Semesters verschiedene Tests, Protokolle, Referate, tägliche Hausaufgaben und natürlich die Vor- und Nachbereitungen. In den Semesterferien muss ich mich auf die Abschlussprüfungen vorbereiten, Praktika absolvieren, mehrere Hausarbeiten schreiben und mir sogar neuen Stoff selber beibringen, da während des Semesters nicht genügend Zeit vorhanden ist, um es da unterzubringen.

Unabhängig vom Fach kann das Studentenleben nicht mehr unter dem Klischee gesehen werden wie vielleicht früher. Trotzdem schauen mich alte (nicht studierende) Freunde immer ganz ungläubig an, wenn ich ihnen sage, dass ich unter der Woche nur in der Uni bin und auch zu Hause für gerade diese arbeiten muss.

» habox » Beiträge: 1 » Talkpoints: 0,27 »


netti78 hat geschrieben: Das trifft aber sicher auch nicht auf alle zu, nur scheint da zumindest dem Hörensagen nach die Zahl derer, die es nicht so genau mit dem Studium nehmen, höher zu sein.

Woran misst man das eigentlich, dass es jemand mit dem Studium nicht so genau nimmt? Nur weil jemand nicht zur Vorlesung geht, heißt das ja nicht, dass er nichts macht. Vielleicht sitzt er einfach nur die 1-2 Stunden, die andere in die Vorlesung gehen zu Hause und liest das Thema in Büchern nach und lernt damit noch intensiver. Genauso sagt eine Anwesenheit in der Vorlesung ja nichts darüber aus, wie intensiv man diese verfolgt und auch nachbearbeitet.

In jedem Fall kann ich aus meinem Studium sagen, dass die Anwesenheit in der Vorlesungen irgendwo zwischen 20 und 30% liegt, in einigen auch noch darunter. Trotzdem hängt kaum jemand nach, vielmehr sind einige der Niehingeher sogar richtig gut.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Die Argumente der faulen Studenten und der leichten Studiengänge werden immer von denen ins Feld geführt, die meinen, es gebe viel zu viele Studenten und Abiturienten. Die Selektierung nach sozialen Gesichtspunkten, die laut OSZE in Deutschland von allen Industrienationen am stärksten ausgeprägt ist, geht ihnen nicht weit genug. Jeder, der in einer Kleinstadt lebt und dort mit Multiplikatoren aus der Schulbildung zu tun hat, kennt diese Argumente, oder sagen wir lieber Behauptungen, da ihnen jede empirische Grundlage fehlt (faule Studenten, zu leichte Studiengänge, zu viele Abiturienten, zu viele Studenten).

Das ein Student heute, der nebenher 20 Stunden und mehr arbeiten muss gut und gerne auf eine 60 Stundenwoche plus x kommt, vergessen die gut bezahlten Sesselfurzer, die ihren Job sicherer haben, als es die heutige Studentengeneration jemals haben wird, sofern Papa nicht den richtigen Geldbeutel und die richtigen Kontakte hat. Ich fände es ehrlich, dass die Apologeten unseres stark nach sozialen Gesichtspunkten selektierenden Bildungssystems wenigstens ehrlich wären und sagen: Ja, das ist genau die Gesellschaftsordnung die wir wollen! So oder so, ich will heute kein Student mehr sein.

» Goldfischglas » Beiträge: 12 » Talkpoints: 3,76 »


Also ich kann davon überhaupt nicht reden, dass Studenten ein einfaches Leben haben.

Mein Freund studiert nun seit fast 2 1/2 Jahren in einer anderen Stadt und ich habe ihm im Jahre 2008 ganze 4 mal gesehen. Er hatte einfach nicht mehr Zeit, weil er selbst am Sonntag Uni hatte. Ich habe ihm das erst nicht geglaubt, weil ich auch im Kopf hatte, dass ein Studentenleben doch nur aus Party besteht und bin zu ihm gefahren und habe an Vorlesungen teil genommen. Es ging morgens um 7 Uhr los bis 22.30 Uhr durchgehend. Dazu kommt, dass es ja tolle Semesterferien gibt, aber die werden mit den Prüfungen vollgestopft, so dass sie von ihrer freien Zeit auch nicht viel haben, weil sie lernen müssen.

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» Anne-Kristin » Beiträge: 84 » Talkpoints: 0,62 »


Zu Beginn des Studiums wird es sicherlich Studenten geben, die glauben, das Studieren besteht aus lange Schlafen und Feierei. Ich kann zwar nur für die Naturwissenschaften sprechen und bin überzeugt, dass hier keiner bzw. nur ganz wenige faul ist.

Ich studiere noch auf Diplom und genieße daher die Freiheit, das die meisten Verantstaltungen keine Anwesenheitspflicht haben, ausgenommen der Praktika. Trotzdem sind die Veranstaltungen voll und es wird eifrig disskutiert. Jeder entscheidet sich doch freiwillig für ein Studium und dann geht man doch auch gerne zu den Veranstaltungen.

Ich denke als fleißiger Student ist man trotzdem immernoch dem Klischee des faulen Studenten ausgesetzt.

Natürlich gibt es auch Studenten die brauchen wirklich 16 Semester bis zum Abschluss. Aber sind die dann faul??? Da sind doch zuerst einmal die Hintergründe zu erfragen. Viele erhalten vielleicht keine finanzielle Unterstützung und im Zuge der Studiengebühren in vielen Bundesländern, müssen Sie verstärkt nebenher arbeiten gehen.

Ich hoffe das diese Klischees des faulen Studenten im Zuge des Bachelors ganz verschwinden, denn da wird soviel reingestopft und alles in einem festen Zeitrahmen. Bei den Bachelorstudenten wird sich dann bestimmt kaum noch ein fauler Student befinden, der nur zum Spaß studiert.

» girasol28 » Beiträge: 74 » Talkpoints: 41,48 »


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