Arm trotz Arbeit - Wie kann so etwas passieren?

vom 26.08.2008, 11:20 Uhr

Was ich gerade in dieser Diskussion wieder merke: es wird weniger über konkrete Summen gesprochen (ist in Deutschland ohnehin unüblich) als das Armut oder nicht-Armut an Statussymbolen festgemacht wird. Wer sich Urlaub gönnt ist reich und unter ein oder gar zwei Autos geht es auch nicht. Damit will ich hier keinen direkt angreifen, aber das ist mir auch schon in meinem Bekanntenkreis aufgefallen. Auch zu Zeiten als ich wirklich ganz unten war, galt ich als reich, weil eben niemand gesehen hat, dass ich noch lange den analogen Receiver, den uralten 37-cm Röhren-Fernseher und 15"-Monitor hatte und stattdessen lieber einmal im Jahr mit meinem Sohn in einen einwöchigen Urlaub gefahren bin.

Wenn ich mal in meinem Bekanntenkreis schaue, wer trotz Arbeit gerade so über die Runden kommt und wer sich trotz Widerstände Stück für Stück weiter nach oben arbeitet bzw. sein Level hält, dann komme ich zu folgendem Ergebnis: die Armen jammern und lamentieren, die Anderen lassen sich fast nie etwas anmerken. Die Armen protestieren und petitionieren, die Anderen ändern dass was in ihrem direkten Einflussbereich möglich ist und lassen den Rest links liegen. Die Armen lechzen nach Statussymbolen, die Anderen schauen danach, was in ihrer Situation machbar ist und stehen über dämliche Kommentare. Und bei intensiverem Überlegen würde sich sicher noch mehr finden.

Auch die Aufregung über Hartz-4-Bezieher geht mir schon lange auf den Senkel. Wer meint, er verdiene weniger als ein solcher Mensch, dem steht es doch frei auch Leistungen zu beantragen. Muss man halt nur seine ganzen persönlichen Verhältnisse offen legen!

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



In meinem Bekanntenkreis rede ich schon mal über mein Gehalt, aber ich werde einen Teufel tun und dies im Internet schreiben. Hoffe das kann man auch so nachvollziehen. Es ist bei uns nicht so, dass wir uns gar nichts leisten können, ich wollte damit nicht sagen das wir arm sind. ;)

Ich habe schon mal Hartz 4 bezogen und ich bin davon überzeugt das man auch hier noch genug hat und nicht arm ist, aber das ist nunmal Ansichtssache.

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» Laufmasche » Beiträge: 7540 » Talkpoints: -37,09 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Da hab ich mich wohl etwas unglücklich ausgedrückt - ich wollte auch niemanden persönlich angreifen. Allerdings höre ich das so und ähnlich in letzter Zeit so häufig, dass ich fast jedes Mal aus der Haut fahren könnte. :?

Laufmasche hat geschrieben:in meinem Bekanntenkreis rede ich schon mal über mein Gehalt, aber ich werde einen Teufel tun und dies im Internet schreiben ;) Hoffe das kann man auch so nachvollziehen. Es ist bei uns nicht so, dass wir uns gar nichts leisten können, ich wollte damit nicht sagen das wir arm sind ;)

Das wollte ich damit auch gar nicht sagen bzw. verlangen und das verstehe ich durchaus. Allerdings habe ich das Gefühl insgesamt, dass Armut oder Reichtum nicht am (Netto-)Gehalt gemessen wird sondern an der Anzahl vorhandener Statussymbole. Anders kann ich mir nicht erklären, warum Menschen mit weniger als 600 € im Monat (für Wohnen, Lebensmittel usw.) noch als reich gelten, nur weil sie ihr Geld anders ausgeben :wink:

Laufmasche hat geschrieben:Ich habe schon mal Hartz 4 bezogen und ich bin davon überzeugt das man auch hier noch genug hat und nicht arm ist, aber das ist nunmal ansichtssache.

Sehe ich auch so. Das habe ich aber gar nicht gemeint. Mir ging es darum, dass viele monieren ihnen bliebe weniger Geld vom arbeiten als wenn sie Hartz-4 beziehen würden. Na dann sollen sie es doch gern zusätzlich beantragen! Das wollen aber auch die wenigsten, da müsste man sich ja vor der Behörde "nackig" machen.

Im übrigen finde ich, dass man sich auch nach einem besser bezahlten Job umsehen könnte. Aber das machen auch die wenigsten. Die "tollste" Ausrede warum man das nicht tun kann, habe ich erst kürzlich erfahren - das könne ja der jetzige Chef erfahren :? Na und? Wenn man der Meinung ist, zu wenig zu verdienen, dann darf der das auch erfahren, allerdings müsste man sich dann unter Umständen auch ernsthaft bewerben.

Um es mal auf einen Nenner zu bringen, die Menschen, die ich persönlich kenne und die jammern, ihnen würde es trotz Arbeit schlecht gehen, sie seien trotz Arbeit arm, die bemühen sich gar nicht an der Situation etwas zu ändern, die jammern lieber weiter! Provokant, ich weiß. Aber in meinem Bekanntenkreis gibt es niemanden, der sich ernsthaft bemüht und an der Situation arbeitet und bei dem trotzdem nichts rumkommt.

Und damit will ich Dich, Laufmasche, auch gar nicht angreifen: bei Dir und Deinem Partner habe ich eher das Gefühl, klar könnte es mehr sein, aber Ihr seid schon mit der Situation zufrieden - und das ist doch völlig in Ordnung so.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Im Endeffekt ist es aber eigentlich egal, wieviel Netto man hat, denn es hat jeder andere Ausgaben. Wenn eine Familie mit 3 Kindern nur 2.500 zusammen hat, und beide Elternteile arbeiten gehen, müssen sie auch viel mehr bezahlen, zum Beispiel Kindergarten für ein oder mehrere Kinder, eventuell 2 Autos, doppelte Spritkosten, etc. Rechnen wir mal mit 1.000 Euro für Miete, Strom, Nebenkosten, und die Versicherungen. Dann noch mal 500 Euro für die Unterhaltung von 2 Autos plus Sprit und noch die Rate für einen Kredit. Bleiben 1.000 Euro, davon muss der Kindergarten mit vielleicht 300 Euro bezahlt werden, dann haben wir nur noch etwa 700 Euro übrig für 5 Personen, und das ist weniger wie ein Hartz 4 Empfänger bekommt. Dann kommen noch Telefon, Handy, Essen, Kleidung, etc hinzu. Und da sind 700 Euro verdammt wenig.

Eine andere Familie hat vielleicht das gleiche Geld oder sogar noch weniger zur Verfügung, aber dafür passt die Oma auf die Kinder auf, die Wohnung ist billiger, hat dafür vielleicht auch ein paar Mängel, sie haben nur ein Auto, welches schon abbezahlt, dafür aber sehr alt ist. Und diese Familie hat dann vielleicht 700 Euro mehr im Monat zur Verfügung.

Von daher finde ich es immer etwas blöd, diese Arm - Reich - Vergleiche an irgendeiner Zahl des Verdienstes zu vergleichen. Und es ist nunmal so, das wenn man arbeitet, halt auch Kosten wie das Auto, die teuren Spritpreise hat. Und die Sachen werden alle teurer, aber die Gehälter steigen nicht. Mein Mann hat zu D - Mark Zeiten etwa 1.600 Euro verdient, das war in seinem Beruf schon viel, umgerechnet sind das 800 Euro, damit kommt man heute nicht mehr weit. Jetzt bekommt er als ungelernter Hilfsarbeiter 1.000 Euro mehr, wie damals vor 4 Jahren im Paketdienst. Und er hat keinerlei Spritkosten, da er mit dem Firmenbus abgeholt wird.

Wann zählt man eigentlich zu den Reichen oder Armen? Wenn man ein dickes Auto fährt, was aber noch lange nicht abbezahlt ist? Oder alles vom Neusten hat, aber dafür monatliche hohe Raten bezahlen muss? Oder nur die neusten und teuersten Klamotten hat, aber dafür nichts zu Essen? Jeder setzt seine Prioritäten anders.

Und wenn ich mir überlege, das wir auch schon Jobangebote hatten, wo man 40 Stunden die Woche arbeitet, jeden Tag 100 Km zur Arbeit fahren muss, und dafür nur 900 Euro bekommt, dann ist klar, das man trotz Arbeit weniger Geld hat. Entweder man nimmt es in Kauf, oder sucht etwas anderes.

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» pepsi77 » Beiträge: 1629 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ach ja ich frage mich auch immer wie es sein kann das 2 nicht so schlecht verdienende Leute keine großen Sprünge machen können, ja das kenne ich auch. Ist schon krass oder?

Manchmal ist es aber auch einfach so das die Leute wo man denkt: Wow wieso können die sich das leisten und wir uns nicht auf Pump leben und das vom feinsten, d.h. mal eben einen Kredit aufnehmen für den Urlaub. Ja solche Leute gibt es tatsächlich.

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» aries24 » Beiträge: 1748 » Talkpoints: 9,84 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Um mal wieder auf den ursprünglichen Beitrag einzugehen (die Diskussion uferte wie bei diesen Themen üblich mal wieder in einen Glaubenskrieg aus).

Ja, ich kenne sowas. Ich selbst habe immer hart gearbeitet und kenne Leute, die objektiv in der gleichen Situation sind wie ich und sich problemlos Dinge leisten können, indem sie schlicht Profis im Beziehen und Kombinieren von staatlichen Leistungen wurden. Das Problem dabei ist: Das gesellschaftliche Standing dabei. Ich selbst würde meine Selbstständigkeit nämlich niemals gegen ein einfacheres Leben auf Staatskosten eintauschen. Alleine schon aufgrund meines persönlichen Stolzes auf meine Selbstständigkeit trotz widrigster Umstände in der Vergangenheit.

Laufmasche, mal als Tipp wenns dir speziell darum geht, dir mal einen Urlaub zu gönnen: Schau mal, ob ihr nicht außerhalb der Schulferien mit Rianair geschickt einen Flug beispielsweise nach Irland buchen könnt und mithilfe von beispielsweise "hostelworld.com" eure Betten in einem der Hostels überall in Irland (oder einem Urlaubsort mit ähnlichen Möglichkeiten günstig Urlaub zu machen) buchen könnt. Glaub mir, es ist möglich mit sagen wir mal ca. 180 Euro pro Person sowohl den Flug als auch sechs Übernachtungen abzudecken.

Ansonsten müsst ihr dann nur noch sehen, dass ihr täglich nicht so viel ausgebt und ihr könnt für ca. 300 Euro pro Peron jeweils eine Woche einen sehr, sehr anregenden und schönen Urlaub an Irlands Küsten verbringen, mit Ausflügen, Wandern, und einmal am Tag günstig essen gehen (den Rest aus dem Supermarkt und in der Hostelküche zubereitet). Mit zwei bis drei Monaten echtem Einsparen an allen Ecken und Enden, kann man das auch mit geringen Einnahmen organisieren, solange jeder seinen eigenen Urlaub bezahlt und nicht einer für beide leisten muss.

Versucht es mal! Es tut wirklich gut und einen finanziellen Grund dagegen gibt es in dieser Situation immer! Wenn man es aber einfach macht und in Angriff nimmt, ist die Wut auf solche Leute, die es mit staatlichen Leistungen hinbekommen in den Urlaub zu fliegen, während man selbst in die Röhre schaut, gleich viel geringer und man startet inspirierter und entspannter wieder in den Alltag. Man fühlt sich einfach nicht so eingesperrt. Es gibt Freiheiten, für die muss man nur entschlossen genug sein, um sie sich zu nehmen.

Viel Luxus darf man von so einem Urlaub aber nicht erwarten: Diese supergünstigen Hostelpreise sind oft nur drin, wenn man bereit ist in Mehrbettzimmern zu übernachten, aber hey: Im Urlaub ist man eh dauernd unterwegs und wenn man es mal kennengelernt hat, ist ein Mehrbettzimmer für ein paar Tage gar nicht so schlimm, wenn es ein vernünftiges Hostel ist. Man konzentriert sich dann einfach auf die Ausflüge, das Wandern, die Landschaft, das Meer und das abendliche Feiern in den Pubs. ;)

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» Tsunami » Beiträge: 218 » Talkpoints: 26,25 » Auszeichnung für 100 Beiträge


pepsi77 hat geschrieben:Im Endeffekt ist es aber eigentlich egal, wieviel Netto man hat, denn es hat jeder andere Ausgaben.

Und wie willst Du dann vergleichen? Die Ausgaben jeder einzelnen Familie, jedes einzelnen Menschen hängen doch auch extrem von dessen Ansprüchen ab! Nur weil ein Geringverdiener anspruchsloser ist und am Ende des Monats mehr Geld übrig hat, ist er reicher? Und die Familie, die ihre altes Auto fährt und zusieht, dass sie kein weiteres braucht ist auch reicher?

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Du hast recht, es wird immer schwieriger, genug Geld zu verdienen. Ich fange morgens um 6.00 Uhr an und bin abends gegen 20.00 Uhr fertig mit meiner Arbeit. Dabei bin ich beim Staat angestellt als Hausmeister angestellt. Die Miete meiner Dienstwohnung hat sich in den letzten 15 Jahren verfünffacht, besonders auch durch die Nebenkosten. Ich muss leider in der Wohnung wohnen bleiben, wenn ich alleine wäre, könnte ich sie mir gar nicht mehr leisten.

Wenn alle Rechnungen und die Miete bezahlt sind, bleiben 200 Euro über, daneben verdient meine Frau noch etwas als Reinigungsfrau dazu. Lohnerhöhung seit 4 Jahren, ich hatte heute gerade eine alte Abrechnung in der Hand, waren 20 Euro. Wenn dann die Lebenshaltungskosten auch nur um 20 Euro im Monat mehr geworden wären, wäre ich ja noch zufrieden.

Vor 18 Jahren hatte ich in der freien Wirtschaft gearbeitet, da hatte ich 60 Cent weniger pro Stunde, wie ich jetzt verdiene. Das ist zwar bei mir ein Einzelfall, aber ich bin sicher, es geht vielen auch noch so.

So wird in meinem Bekanntenkreis immer öfter darüber diskutiert, ob sich arbeiten noch lohnt. Wenn ein Harz 4 Empfänger 350 Euro plus Miete verdient und noch etwas Geld nebenher macht, dann hat er nicht viel mehr, wie jemand, der 8 Stunden arbeitet und dabei 1000 - 1200 Euro verdient. Die meisten haben weite Fahrtwege zur Arbeit, was den Verdienst dann soweit schmälert, das sie für ihre 8 Stunden Arbeit auch nicht viel mehr haben.

1,9 Millionen Arbeiter in Deutschland verdienen weniger als 5 Euro die Stunde und 22 %, also fast jeder 4. in Deutschland arbeiten im Niedriglohnsegment, der höchste Satz in der ganzen EU.

» urilemmi » Beiträge: 2263 » Talkpoints: 7,31 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


urilemmi hat geschrieben:1,9 Millionen Arbeiter in Deutschland verdienen weniger als 5 Euro die Stunde und 22 %, also fast jeder 4. in Deutschland arbeiten im Niedriglohnsegment, der höchste Satz in der ganzen EU.


Super, dass das endlich erwähnt wird. Überhaupt bringt der Beitrag von urilemmi wie ich finde, das Problem perfekt auf den Punkt. Sehr schnell entwickeln sich solche Diskussionen leider zu einem Glaubenskrieg zwischen jenen, die glauben alles habe so schon seine Richtigkeit und die Wirtschaft gehe unter, wenn man da noch mehr reguliere und den anderen, die sich empören, weil sie vielleicht selbst betroffen sind oder betroffen waren.

Es ist eben nicht so leicht, das einfach so zu ändern und sich etwas anderes zu suchen, wenn man in einer solchen Situation steckt. Das einzige was oft bleibt ist zusätzlich einen Nebenjob am Wochenende oder in den Abendstunden anzunehmen. Das kann es aber wohl nicht sein!

In Deutschland gibt es hier eindeutig Entwicklungen, die sich zu einem Extrem zuspitzen und nach einer neuen Balance verlangen.

Balance sage ich deshalb, weil es natürlich nicht möglich ist, dass allen sofort geholfen wird, dass ein jeder über 10 Euro die Stunde hat, etc. Das wird vermutlich auch langfristig nicht möglich sein. Es wird immer Menschen geben, die zwar hart arbeiten, deren Qualifikationen die sie als Kinder und Jugendliche erlangt haben aber nicht ausreichen um ein wirklich hohes Gehalt zu generieren. Das wird es immer geben.

Was sich ändern muss, ist die soziale Brisanz. Das Extrem, in das sich Deutschland mit seinem Niedriglohnsektor immer mehr hineinentwickelt, muss abgeschwächt werden.

Es muss gesetzlich geregelte Lohnuntergrenzen für alle geben. Daran geht für mich kein Weg vorbei. Der Arbeitsmarkt, der bei diesem Szenario bei den Wirtschaftsvertretern immer in der Katastrophe versinkt, muss dann eben lernen das zu schlucken. Besser gesagt: Die Arbeitgeber werden lernen müssen einen gesetzlichen Mindestlohn zu schlucken. Einen generellen gesetzlichen Mindestlohn. Nicht dieser Flickenteppich an Branchenvereinbarungen, der da gerade gebastelt wird. Der Punkt sind hier nämlich die Schlupflöcher, ebenso wie bei der Tarifautonomie. Es gibt einfach zahlreiche Arbeitgeber, Bundesländer, etc., die einfach aus allen Tarifbindungen aussteigen. Und dann? Deshalb muss errechnet werden, was ein 40-Stunden-Wöchler im Monat verdienen muss, um unter heutigen Verhänltnissen bescheiden aber halbwegs sicher von seinen Verdiensten leben zu können.

Und da sind die von SPD und Gewerkschaften geforderte 7,50 eine durchaus bescheidene und vernünftige Marke, wie ich finde. Das Ergebnis sind da zwischen 1200 und 1300 Euro brutto. Ein Alleinstehender hat dann ca. 900-950 Euro netto. Bei Mietkosten von 500 Euro warm (z.B. in einer Stadt) blieben ihm dann noch ca. 400 Euro um damit Versicherungen, Fahrt- und Fahrzeugkosten, sowie Lebenshaltungskosten zu decken.

Das ist also schon eine sehr kritische Marke und das absolut Mindeste, was man heutzutage in der Stunde vedienen sollte.

Dennoch werde viele von uns zumindest aus Neben- und Gelegenheitsjobs Stundenlöhne kennen, die das bei weitem unterschreiten. Ich selbst sitze wochenends für 6 Euro die Stunde an der Kasse. Dieser Nebenjob nimmt wöchentlich immerhin 13 Stunden in Anspruch. Neben dem Studium in einem Bachelorstudiengang kommt da also schnell mal 50-Stunden-Woche, bzw. noch weit mehr dabei raus.

Der Arbeitgeber, der diese 6 Euro pro Stunde bezahlt ist nicht etwa ein kleiner Unternehmer, der um seine Existenz bangen muss. Es ist ein Handelsriese.

Da wird einfach knallhart kalkuliert:

13 x 6 = 78
78 x 4,33 = 337,74 (monatlich)

ergibt: 4052,88 jährlich

13 x 7 = 91
91 x 4,33 = 394,03 (monatlich)

ergibt: 4728,36 jährlich

Ersparnis für den AG bei 6 statt 7 Euro stündlich: 675,48 jährlich

Warum sollte ich als Handelsriese in all meinen Filialen nicht bei jeder einzelnen Aushilfskraft (über die ja auch festangestellte Kräfte eingespart werden können) jährlich 675 Euro sparen, wenn mir das Gesetz doch meine Lohngestaltung völlig frei stellt und ich da keine Mindestmenge für die Arbeitskraft eines Menschen zahlen muss?

Warum sollte ich und alle anderen Hanelspartner mit mir dann nicht knallhart kalkulieren um mehr Dividende für meine Anleger und damit auch mehr Gewinn für meine eigenen Unternehmensanteile reinzuholen? Warum sollte ich da Skrupel haben? Es machen doch alle so?

Was ich mit diesem kleinen Blickwinkelwechsel sagen wollte: Die Konzerne werden - zumindest in weiten Teilen - zwar weniger Dividenden einstreichen, aber an einem Mindestlohn mit Sicherheit nicht untergehen.

Was die kleinen und mittelständischen Betriebe angeht, so ist meine persönliche Erfahrung, dass die meisten Chefs dort es aus Gewissensgründen häufig gar nicht wagen würden, solche Löhne anzubieten. Dort gibts ganz häufig automatisch ein für beide Seiten verträgliches Angebot. Zumindest ist das meine persönliche Erfahrung. Leider bieten diese Betriebe nur eine sehr begrenzte Zahl an Jobs an und die sind dann häufg auch schnell unter den Verwandten der Angestellten vergriffen, etc.

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» Tsunami » Beiträge: 218 » Talkpoints: 26,25 » Auszeichnung für 100 Beiträge


urilemmi hat geschrieben:1,9 Millionen Arbeiter in Deutschland verdienen weniger als 5 Euro die Stunde und 22 %, also fast jeder 4. in Deutschland arbeiten im Niedriglohnsegment, der höchste Satz in der ganzen EU.

Na den Wert sollte man aber mal im Kontext sehen und nicht losgelöst von den Fakten.

Von den 1,9 Millionen Arbeitnehmern mit einem Stundenlohn unter 5 Euro, soweit ich das noch im Kopf habe, haben gerade einmal 400.000 nur einen echten Minijob - die anderen 1,5 Millionen haben diesen Minijob neben ihrem Hauptjob bzw., üben 2 oder teilweise sogar 3 Minijobs aus.

Insgesamt beträgt die Zahl der Minijobber um die 6 Millionen in Deutschland, davon sind 2,1 Millionen Arbeitnehmer die diesen als Zweitjob ausüben, 4 Millionen sind reine Minijobber von denen ein erheblicher Anteil wiederum mehrere Minijobs hat, sprich: Die Zahl der reinen Minijobber mit nur einem Minijob beträgt um die 2 Millionen. Und von den 6 Millionen Minjobbern verdienen gerade mal 400.000 Menschen unter 5 Euro die Stunde.

Also: Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird und Zahlen und Statistiken sollte man doch mal wirklich mit dem nötigen Hintergrundwissen betrachten oder dieses zumindest dazu liefern anstatt hier immer nur populistisch etwas in den Raum zu werfen.

Tsunami hat geschrieben:Und da sind die von SPD und Gewerkschaften geforderte 7,50 eine durchaus bescheidene und vernünftige Marke, wie ich finde.

Mit dem Mindestlohn wird es auf die nächsten Jahre gesehen sowieso nichts - mal abgesehen davon dass diese Forderung wie alle sozialen Forderungen von der Linken stammt, die sogar 8 Euro verlangen, und von der SPD mal wieder nur geklaut wurde. Die SPD bekommt das niemals durchgedrückt, dazu ist sie gar nicht mehr mächtig genug und niemand glaubt das mehr - dazu kommt, dass es sich bei der SPD hier um eine rein populistische Forderung im politischen Aktionismus handelt, die sie nicht wirklich durchdrücken wollen. Hier wird dann oft auf die Position der CDU zurückgesprungen, dass es bereits einen Mindestlohn (den angesprochenen Flickenteppich) gibt und dieser tariflich ausgebaut werden soll. Kommt auch immer wieder in politischen Debatten durch, dass die SPD keinen flächendeckenden, sondern einen branchenspezifischen Mindestlohn (wie wir ihn jetzt ja bereits teilweise haben) umsetzen möchte.

Nicht umsonst haben sich die Gewerkschaften, die ebenfalls dafür einstehen, von der SPD losgesagt und der Linkspartei angeschlossen als einzigen echten Interessensvertreter der "ausgebeuteten" Arbeitnehmer. Nur die Linkspartei bekommt das auch nicht durch, solange sie nicht auf 25 % bei den Bundestagswahlen kommt.

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