Zwangs Fortbildung nach Feierabend okay?

vom 15.08.2008, 07:14 Uhr

bigfoot11de hat geschrieben:Ich verstehe eigentlich dein Problem nicht.

Grundsätzlich ist das Problem jenes, dass der Arbeitgeber Leistungen abzurufen gedenkt, für die er weder zu zahlen bereit ist, noch die freie Freizeitgestaltung der Arbeitnehmer respektiert. Es gibt doch ein klares Verhältnis zwischen beiden Parteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) - und hier versucht der Arbeitgeber zu seinen Gunsten dieses Verhältnis auszuweiten und beliebig zu gestalten. Es mag übrigens sein, dass junge, unerfahrene Mitarbeiter auf so was reinfallen und alles mit sich machen lassen. Aber auf der anderen Seite gibt es auch Menschen, denen das Bewusstsein hinsichtlich ihrer Klasse klar ist. Oder aber, wenn schon kein Klassenbewusstsein vorhanden ist, die wissen, dass sie arbeiten um zu leben - und eben nicht umgekehrt.

bigfoot11de hat geschrieben:Klar, kann dich der Arbeitgeber nicht zwingen, zur Fortbildung zu gehen, aber dann weißt du auch, dass du bald schon wieder auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber sein wirst.

Damit nimmst du vorweg, dass die Machtverhältnisse so sind, dass der Arbeitnehmer immer eine bewegliche Arbeitsmasse darstellt mit der beliebig umzugehen ist? Oder aber siehst du in der Forderung nach unbezahlter Mehrarbeit auch gleich eine Drohung, bei der nächst besten Gelegenheit rausgeworfen zu werden? Wenn es sich nun nicht um vier Nachmittage handeln würde, ab wann wäre deine Schmerzgrenze erreicht? Samstagsarbeit ohne Ausgleich vielleicht? Welches Argument hätte der Arbeitgeber, hier mit Kündigung zu reagieren? Nur weil man bezahlt werden will oder sich an seinen Vertrag halten möchte?

bigfoot11de hat geschrieben:Und mit der Einstellung, die du zeigst, wirst du es schwer haben.

Ist die Einstellung eines Angestellten, der aus Angst vor einer Entlassung alles tut, wesentlich besser? Ist es in deiner Vorstellung tatsächlich so, dass eine Art von Kadavergehorsam mit der "modernen Arbeitswelt" untrennbar verbunden sein muss?

bigfoot11de hat geschrieben:Als Mitarbeiter in einem Betrieb ist man Teil eines Großen und Ganzen. Man gehört sozusagen dazu.

Man gehört immer dazu, wenn es gut geht. Aber ansonsten wird einem der zustehende Platz gewiesen und eine jede Krise beweist einem Angestellten (oder abhängig Beschäftigten), wie sehr man zum "großen Ganzen" gehört. Dann wird nämlich schnell klar, dass man letztlich nur "Material" ist, welches bei Verschleiß zu ersetzen ist. Ich persönlich finde die Einstellung, sich hier als "Teil einer Familie" zu begreifen, schlicht furchtbar und mindestens naiv. Es gibt ganz klar zwei Seiten, welche unterschiedliche, sich widersprechende Interessen verfolgen! Man zieht praktisch an einem Strick - aber eben nicht an den gleichen Enden. Warum ist das so schwer zu begreifen bzw. wieso wird dieser Umstand ständig geleugnet?

bigfoot11de hat geschrieben:Daher hat man schon die moralische Verpflichtung, alles zu tun, um immer auf dem aktuellsten Kenntnisstand zu bleiben.

Wo kommt den in der arbeitsteiligen Welt die Moral zum tragen und vor allem: wieso wäre diese geforderte Moral nur auf der Seite des Arbeitnehmers zu suchen? Wäre es nicht die "moralische" Verpflichtung des Arbeitgebers dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer nach getaner Arbeit die Möglichkeit zur uneingeschränkten Erholung bekommt? Oder die moralische Verpflichtung, dem Arbeitnehmer während der Arbeitszeit die Möglichkeit zu geben, sich regelmäßig an Fortbildungen teilzunehmen?

bigfoot11de hat geschrieben:Dein Arbeitgeber bietet dir nun die Möglichkeit, dies kostenlos zu tun.

Um nun dem Arbeitnehmer zu erfreuen oder aber um den Wirkungsgrad der Mitarbeiter zu erhöhen? Es geht um die Veredlung der Arbeitskraft zu Gunsten des Arbeitnehmers. Hierbei handelt es sich also nicht um eine Gefälligkeit oder eine Belohnung usw. usf.

bigfoot11de hat geschrieben:Vier mal zwei Stunden nach Feierabend ist nicht viel. Und am Ende bekommst du dafür wahrscheinlich noch eine Bescheinigung über deine Qualifikation.

Gerne noch mal meine Frage: was wäre denn ein "zu viel" in deinen Augen? Wieso sollte der Arbeitgeber in Zukunft nicht auf acht mal zwei Stunden nach Feierabend (welcher dann nicht mehr Feierabend ist!) gehen sollte?

bigfoot11de hat geschrieben:Ich an deiner Stelle würde auf jeden Fall Interesse zeigen und an der Maßnahme teilnehmen.

Sich also beugen - übrigens ganz unabhängig davon, ob andere Mitarbeiter das (aus persönlichen Gründen) können oder nicht. Damit erhofft man sich in der Regel, vor dem (Gott)Chef besser dazustehen. Übrigens ein erstes Anzeichen, dass es doch kein Ganzes gibt. Sondern einen Konkurrenzkampf zwischen den Angestellten.

bigfoot11de hat geschrieben:Das wirft dann ein gutes Licht auf dich und du sicherst dir vielleicht den Arbeitsplatz damit.

Aber nur, wenn es auch Leute gibt, auf die ein schlechtes Licht fallen kann. Es geht also darum, nicht nur durch Leistung aufzufallen, sondern auch die Sympathie der Vorgesetzten zu erschleichen? Ist es das, was man unter Networking im Unternehmen versteht? Die Absicht, sich so vor dem Vorgesetzten darzustellen, wurde einst mal als Kriechen bezeichnet. Und auch hier schwingt immer die unermessliche Angst mit, andernfalls seinen Arbeitsplatz zu gefährden. Das ist noch trauriger, als die Tatsache, dass man sich solchen willkürlichen Befehlen zu beugen bereit erklären würde.

bigfoot11de hat geschrieben:Übrigens erfragen viele Unternehmen bei Einstellungsgesprächen die Bereitschaft, sich fortzubilden. Wenn du das am Anfang deiner beruflichen Laufbahn im Unternehmen angegeben haben solltest, so musst du jetzt sowieso an den Maßnahmen teilnehmen, weil du sonst am Anfang gelogen hättest.

Das ist natürlich Quatsch! Selbstredend ist man bereit sich Fortzubilden und sein Wissen auf dem neuesten oder wenigstens notwendigen Stand zu halten. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man statt eines Angestelltenverhältnisses zu einer Art Sklaven verkommen muss, welcher widerstandslos alles hinnehmen muss. Übrigens auch unter völliger Missachtung dessen, was die Kolleginnen und Kollegen machen können.

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