Einfluss von Armut auf Intelligenzquotienten

vom 06.08.2008, 14:40 Uhr

Im Februar '08 wurde eine neue Studie zum Einfluss von Armut auf den Intelligenzquotienten von Kindern veröffentlicht, deren Ergebnisse durch die Medien gingen und unter anderem in Artikel1 und Artikel2 nochmal nachgelesen werden können.

Lange Zeit wurde ein Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Situation der Eltern und der Intelligenz der Kinder von Ärzten, Psychologen, Lehrern und Kindergartenpersonal beobachtet und ist an sich nichts Neues. Neu ist hier, dass dieser Unterschied zu Kindern aus wohlhabenderen oder normalen Verhältnissen nicht - wie lange vermutet - vor allem aus dem weniger vielfältigen Beschäftigungsangebot für die Kinder resultiert, sondern vor allem negativer Stress eine Intelligenzminderung bewirkt. Die Forscher behaupten zudem, dass diese Prägung ab einem Alter von vier Jahren irreversibel (d.h. also unumkehrbar) ist.

Glaubt ihr das? Könnt ihr euch erklären, warum negativer Stress (also Streit, anhaltende Geldsorgen, Perspektivlosigkeit, etc.) den Intelligenzquotienten eines Kleinkindes genauso stark beeinflusst, wie beispielsweise eine Cracksucht der Mutter (siehe Artikel1)?

Ich persönlich finde das schrecklich und frage mich: Was kann man als Gesellschaft tun, damit Kinder aus armen Familien nicht schon alleine was ihre geistigen Fähigkeiten angeht lebenslänglich derart ins Abseits geraten?

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» Tsunami » Beiträge: 218 » Talkpoints: 26,25 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Hallo!

Ich denke, dass die Armut nur indirekt am geringeren Inteligenzquotioneten schuld ist. Reiche Familien haben mehr Chancen, die Inteligenz zu fördern. Heutzutage ist der Besuch auf dem Gymnasium auch Statusgeprägt. Arme Leute können sich die teuren Kursfahrten nicht leistn, teure Bücher, manchmal nciht mal einen PC mit Internetanschluss, den man aber in höheren Schulen braucht.

Auch denke ich, wenn die Eltern nicht intelligent sind, können sie dem Kind auch nichts auf dem Weg geben. Haben beide Elternteile "nur" einen Hauptschulabschluss doer gar keinen Schulabschluss, können sie dem Kind in den höhren Schulen auch nicht helfen und die Kinder bleiben auf der Strecke. Auch hat das was mit Genen zu tun. Wie können 2 "dumme" Elternteile den Kindern Gene vererben, die für die Intelligenz sind?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Hallo zusammen,

ich habe mir gerade die zwei verlinkten Artikel durchgelesen und muss sagen, dass ich es auch nicht so wirklich glauben kann, dass Kinder bis zum vierten Lebensjahr aufgrund von Stressempfindungen der Eltern unintelligenter sein sollen als Kinder, die in einem normalen Haushalt aufwachsen. Ist ein Kind mit vier Jahren überhaupt schon weit genug, um nachvollziehen zu können, dass sich die Eltern in einer schwierigen finanziellen Lage befinden und oft gestresst sind? Ich könnte es ja verstehen, wenn Kinder ab acht Jahren psychische Probleme bekommen könnten, wenn sie in einem solchen Haushalt leben, aber das schon mit vier Jahren der Verstand "geschädigt" wird, klingt etwas unglaubhaft.

Auch, wenn es sich um wissenschaftliche Erkenntnisse handelt, so sind diese ja noch nicht offiziell anerkannt worden, sodass ich glaube, dass man vorerst keine Gegenmaßnahmen einleiten wird. Meiner Meinung nach besteht der Großteil der Intelligenz aus der Förderung des eigenen Kindes. Es ist zwar sehr erschreckend, wenn man solche Nachrichten lesen muss, aber im Ernstfall hilft wohl nur der Kindesentzug aus solchen Familien.

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» IceKing32 » Beiträge: 1238 » Talkpoints: -5,40 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich kann mir schon vorstellen, dass diese Studie durchaus recht hat und sich Armut schon auf den Intelligenzquotienten auswirkt. In der Zeit bis 4 Jahre sind ist zwar weniger die finanzielle Situation zur Erziehung wichtig als die Geborgenheit, die das Kind erfährt. Aber diese Geborgenheit kann man einem Kind auch nur dann richtig vermitteln, wenn man von großen und andauernden Alltagssorgen verschont ist.

Ich denke jeder hier hat schon mal existenzielle Ängste gehabt: sei aus die Prüfungsangst (was bedeutet es für meine Zukunft, wenn ich diese Prüfung verhaue), Geldsorgen (wie soll ich auch das zum Überleben Nötige bezahlen) oder ähnliches. Wenn man solche Ängste hat, dann bleibt für anderes meist gar kein Platz mehr. Diese Ängste, der negative Stress beansprucht alles Denken und Handeln. Und wenn solcher Stress von Dauer ist und ein vorhandenes Kind dementsprechend weniger umsorgt wird, dann hat das mit Sicherheit negative Folgen für das Kind, auch für die geistige Entwicklung, weil diesen Kinder das Umsorgtsein fehlt.

So berechtigt der Ruf nach Staat und Gesellschaft im ersten Moment auch sein mag - was sollen Staat und/oder Gesellschaft tun? Sicher sind Hilfsangebote sinnvoll. Nur diese Angebote müssen von den Betroffenen auch angenommen werden. Und dazu müssen die Betroffenen auch erst wieder erkennen, dass sie sich in einer Situation befinden, die nicht für sie selbst schlimm ist, sondern in der sie auch ihrem Kind schaden können. Selbst wenn die Betroffenen erkennen, dass sie ihren Kindern durch den ständigen negativen Stress Schaden zufügen, so müssen sie diese Situation auch wirklich ändern wollen und dabei auch tatkräftig selbst anpacken. Erst dann können Hilfsangebote wirken. Alles andere ist vergebliche Liebesmüh, die schlimmstenfalls auch eine Menge Geld kostet.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Tsunami hat geschrieben:Ich persönlich finde das schrecklich und frage mich: Was kann man als Gesellschaft tun, damit Kinder aus armen Familien nicht schon alleine was ihre geistigen Fähigkeiten angeht lebenslänglich derart ins Abseits geraten?

Das einfachste und schnellste Grundrezept wäre wohl: Steuern um 8 - 14 % rauf und alles massiv in die Bildung pumpen um das jetzige durch ein fortschrittliches und gerechtes Bildungssystem zu ersetzen - damit wir in ein paar Jahren wieder vor den Entwicklungsländern im internationalen Vergleich liegen. Hm, jeder findet bessere - und vor allem unabhängig von sozialen Faktoren - Bildung und Förderung toll, aber Steuern massiv rauf? Macht keiner mit, scheiß auf die Kinder wenn dadurch die Ratenzahlung für`s neue Handy, den Computer oder das neue Auto in Gefahr gerät. Man regt sich doch schon auf wenn Steuern leicht angehoben werden sollen damit die Jugendhilfe ausgebaut wird - spätestens beim Portemonnaie hört bei den meisten Deutschen das Mitgefühl wieder auf, egal wieviele Skandale hochgeholt werden.

Diamante hat geschrieben:Wie können 2 "dumme" Elternteile den Kindern Gene vererben, die für die Intelligenz sind?

Naja, so einfach ist das mit der Genetik nicht :wink:, zwei Dumme können ebensogut ein hochintelligentes Kind bekommen wie zwei Hochintelligente ein dummes wenn man sich nur auf die 1. Generation bei der Analyse konzentriert. Es gibt auch genug Akademiker und Hochintelligente die Kinder haben die grad mal die Hauptschule mit Ach und Krach geschafft haben - allein schon wegen der Inzuchtgefahr, aber anderes Thema.

@IceKing32
Ich nehm mal an Du bist Pädagoge oder Psychologe / Psychotherapeut wenn Du das so treffend analysieren kannst. Sieht man auch am Argument des Kindesentzugs - klar dass eine völlige Trennung von der Familie, Liebes- und Fürsorgeentzug und die Zerstörung gewohnter Verhältnisse die Kleinkinder locker wegstecken können eher helfen als Förderprogramme die von seitens des Staates eingeleitet werden könnten (warum nicht, siehe oben) um das Kind in der Familie besser zu fördern. Lebensborn e. V. heissassa - da kann man übrigens die radikale Trennung und deren Folgen bereits "studieren" und warum sich diese Personen rückblickend als Opfer bezeichnen.

Egal, denn Kinder kriegen schon ab 1 - 2,5 prägende Einflüsse mit auf den Weg die sich teilweise unbewusst auf ihr ganzes Leben auswirken, sei es vom mangelnden Aufbau neuronaler Verknüpfungen durch schlechte Förderung und vor den Fernseher hocken von Kleinkindbeinen an oder psychologische Muster die unbewusst von den Eltern auf die Kinder übertragen werden.

So gesehen: Natürlich wird diese Studie noch diskutiert werden müssen und ggfs. wiederholt aufgrund möglicher Schwachstellen die vielleicht noch aufgedeckt werden, trotzdem ist die Tendenz wohl richtig da auch in der Vergangenheit Vermutungen dahingehend geäußert wurden. Dass der IQ stark von den sozialen Gegebenheiten abhängig ist war schon bei der Prägung des Begriffes und der Untersuchungstechniken bekannt und dass diese Faktoren teilweise bis zu 30 IQ Punkte ausmachen können.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Egal, wie es gerade formuliert wird: Ungebildete Eltern werden ihren Kindern kaum Freude am Lernen und der Bildung vermmittlen können. Intelligenz ist meist mit lernen verknüpft, und damit meine ich nicht das simple Schullernen, sondern das Durchdenken von Problemen und Fragen, das Lösungswege finden, Kompromisse eingehen, sozial handeln, bereit sein für die Aufnahme neuer Dinge, Gedanken, Ideen etc.

Wenn man von vorneherein gebremst wird, weil niemand in der Umgebung auf die Idee kommen würde, mal etwas neues zu tun oder Dinge in Frage zu stellen, muss der Lernwille und die Intelligenz eines Kindes schon serh groß sein, um nicht zu verkümmern im wahren Wortsinn.

Daher sind auch frühkindliche Erfahrungen hier wichtig, ein Kind, welches schon früh Ernst genommen wird mit seinen Bedürfnissen und daher auch mehr Anreize bekommt, wird sich mit zeimlicher Sicherheit besser entwickeln als eines, für das ein bis zwei Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, die beide nie etwas neues bieten. Hier wird m.E. nicht der IQ bestimmt, dessen Bedeutung sowieso überbewertet wird, sondern die Bereitschaft des Gehrins, mit neuen Inhalten umzugehen. Und da kann man durchaus mit 4 schon abgeschottet sein.

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» Karen 1 » Beiträge: 1344 » Talkpoints: 0,40 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Hallo,

Ich halte es schon für kritisch, dass hier automatisch "ungebildet" mit "arm" verknüpft wird. In einigen Postings hier ist immer von ungebildeten Eltern die Rede, in der eigentlichen Studie geht wird dies jedoch gar nicht erwähnt, sondern es geht bloß um arme.

Dabei ist es natürlich klar, dass ungebildete Menschen möglicherweise wegen der schlechten Bildung keinen Beruf finden können, in dem sie gut verdienen. Aber umgekehrt kann man nicht daraus schließen, dass gebildete Menschen automatisch reich sein müssten. Arbeitslos werden kann im Grunde jeder, es sei denn, man arbeitet selbstständig. Und wie sieht es mit den eigentlich gebildeten Menschen aus, die aufgrund ihres Interesses beispielsweise einen künstlerischen Beruf begonnen haben? Diese knabbern möglicherweise am Hungertuch, trotz 1er-Abitur, Kunststudium und IQ von 130.

Dass Stress, egal, ob dauerhaft, oder nicht, sich negativ auf die Ergebnisse von IQ-Tests auswirkt, ist ja nachgewiesen. Wenn man Menschen, die gerade einen IQ-Test machen, unter zusätzlichen Stress setzt, dann schneiden sie besser ab, als wenn man sie einfach in Ruhe arbeiten lassen würde. Das heißt, wenn man seine Ruhe und keinen Stress hat, lernt man besser. Wenn nun Kinder in ihren Familien oder auch sonst in ihrem Umfeld Stress ausgesetzt sind, können sie schlechter lernen und somit schneiden sie auch schlechter in der Schule ab. Egal, ob der Stress nun durch Armut, Eheprobleme der Eltern oder durch beispielsweise auch Mobbing durch Mitschüler ausgelöst wird.

Arme Leute haben dann natürlich besonders Stress, wenn sie nicht wissen, wie sie mit ihrer finanziellen Situation umgehen sollen. Diese Unruhe wird natürlich auf das Kind übertragen. Kinder merken mehr, als die meisten Erwachsenen glauben. Und wenn die Eltern sich dann aufgrund anderer Sorgen möglicherweise wenig um das Kind kümmern, dann wird dieses natürlich nicht gefördert.

Allerdings gibt es natürlich auch arme Familien, die ihr Kind möglichst von ihren Sorgen abschirmen und dem Kind dieselbe Aufmerksamkeit schenken, die Kinder sonst bekommen. Dann muss das Kind nicht zwangsläufig schlecht gebildet sein und in der Schule scheitern.

Umgekehrt gibt es auch Kinder in reichen Familien, die mit massenhaft Geld überschüttet werden und die sonst keinerlei Aufmerksamkeit bekommen. Diese können dann unter Umständen auch in der Schule scheitern, weil sie eben nie gefördert wurden und auch sozial eigentlich eine schlechte Kindheit hatten, Geldgeschenke bringen schließlich nichts, wenn dafür keine Aufmerksamkeit von den Eltern kommt.

Dumme Eltern müssen auch nicht automatisch dumme Kinder haben. Dass dies genetisch nicht so einfach ist, wurde ja bereits geschrieben. Aber selbst, wenn man meint, dass dumme Eltern ihren Kindern nichts lehren können, unabhängig des "eigentlichen IQs" des Kindes, dann bin ich auch der Meinung, dass man sein Kind ja auch zu einem Nachhilfelehrer oder zu solch einer Person schicken kann. Es ist ja nicht so, dass nur Eltern ihrem Kind etwas lehren könnten. Daran sollte es also nicht scheitern.

Was kann man nun dagegen tun, dass in manchen armen Familien, die zudem, und das ist das Wichtige, nicht wirklich an ihrem Kind interessiert sind, die Kinder schlechtere Zukunftschancen haben? Ich denke, man muss das Klima verändern und diesen Familien zum Teil erst näher bringen, wieso es wichtig ist, dass sie ihr Kind fördern.

Denn meiner Meinung nach sind solche Familien das Problem, solche, die sich um das Kind nicht kümmern oder es überlasten, nicht einfach nur irgendwelche armen Familien. Denn, wie gesagt, in diesen kann das Kind durchaus auch in einem gewissen Rahmen gefördert werden und die Eltern müssen nicht automatisch dumm sein. Nur, weil man arm ist, muss man nicht automatisch ungebildet sein.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



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