Selbstjustiz - vertretbar oder nicht?
Hallo, ich habe noch nichts darüber gefunden, deswegen frage ich euch einfach mal. Was denkt bzw. haltet ihr von Selbstjustiz? Denkt ihr, dass Selbstjustiz vertretbar ist oder dass es absolut daneben ist?
Selbstjustiz ist ja zum Beispiel vorallem in Filmen ein sehr beliebtes Thema und oftmals werden die Menschen, die Selbstjustiz verüben, auch als Helden dargestellt, weil sie für Ihre Moral eingestanden sind oder ähnliches (wie zum Beispiel der Vater seiner vergewaltigten Tochter bringt den Vergewaltiger um und er kommt straffrei davon). Natürlich sehen wir auch die Selbstjustiz in Comics und natürlich deren Verfilmungen (wie zum Beispiel eben Batman).
Ich habe mal so darüber nachgedacht, irgendwie ist es schwer, sich in die Lage eines Menschen hineinzuversetzen, der Selbstjustiz verübt. Manchmal denke ich mir, es ist absolut unvertretbar und absolut unmoralisch, aber wenn jemand zum Beispiel meiner Tochter was antun würde, ich wüsste wirklich nicht, wie weit ich gehen würde! Ich weiß, das klingt jetzt vielleicht total schlimm, und es wird auch nie dazu kommen, aber man macht sich halt so seine Gedanken darum und denkt sich halt was wäre wenn. Es ist halt schwer zu sagen. Ich weiß nicht, ob ich einem anderen Menschen etwas antun könnte, aber ich war auch noch nie in so einer Extremsituation und kann das auch absolut nicht nachvollziehen - und will es ehrlich gesagt auch nicht. Eben weil ich nicht weiß, wie ich reagieren würde.
Natürlich sagt das Gesetz eindeutig NEIN zur Selbstjustiz, was ja auch verständlich ist. Schließlich habe ich zum Beispiel nicht das Recht einen Menschen zu töten, weil er einen anderen Menschen getötet hat. Es macht mich ja auch zum Mörder und ich werde dadurch keinen Deut besser. Aber ich hätte zum Beispiel meine Rache. Wäre es das wert? Nein... ich denke definitiv nicht.
Aber es ist halt schwer einzuschätzen. Ich würde einfach mal gerne eure Meinung hören. Würdet ihr in einer Extremsituation (je nachdem was ihr für eine Extremsituation haltet) Selbstjustiz begehen? Oder wäre das für euch auch absolut unvertretbar? Oder seht ihr das wie ich - dass ihr es nicht wisst, und irgendwie zwiegespalten seit?
Selbstjustiz nach Erpressung des Sohnes usw.
Selbstjustiz ist prinzipiell die Tat von Dummen - niemand steht über dem Gesetz und zum Glück werden Taten denen Selbstjustiz zugrunde liegt ähnlich hart wie das eigentliche Vergehen geahndet. Zudem kann niemals garantiert werden dass der der Selbstjustiz übt objektiv handelt und durch subjektives Handeln andere subjektive Taten provoziert - das hat man schon vor tausenden von Jahren erkannt und die Rechtssprechung Dritten übertragen.
Wer meint Selbstjustiz für gut zu befinden denkt zudem nur sehr kurzfristig - langfristig wird damit das Leid gestreckt. Man denke an Länder und Kulturen die ihr "Recht" auf Selbstjustiz aufbauen und Systeme wie die Blutrache, Fehde oder Vendetta - das Unrecht würde so niemals ein Ende haben.
Oder anders: Selbstjustiz ist einfach nur der salonfähige Name eines ziemlich verwerflichen Guts: Rache (eines der am härtesten bestraften Motive). Nichts anderes ist Selbstjustiz und Rache gilt nicht umsonst als "niederer Beweggrund" und nicht als "edles Handeln".
Ich finde das ist ein sehr schwieriges Thema. Ich wünsche natürlich erstmal niemandem in diese Situation zu kommen. Dennoch kann man ja in den Medien verfolgen, wie viele Straftaten begangen werden.
Ich könnte da wohl für nichts garantieren. Sollte jemand meinem Kind etwas antun, ich wüsste nicht, was ich (nicht)tun würde, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte. Sehen wir uns doch mal die Morde an, die begangen werden. Da nimmt sich jemand das Recht raus jemandem anderen das Leben zu nehmen und dann bekommt er dafür nur eine Freiheitsstrafe. Ist das eigentlich fair? Schwierig schwierig.
Stern2812 hat geschrieben:Sehen wir uns doch mal die Morde an, die begangen werden. Da nimmt sich jemand das Recht raus jemandem anderen das Leben zu nehmen und dann bekommt er dafür nur eine Freiheitsstrafe. Ist das eigentlich fair? Schwierig schwierig.
Natürlich ist das fair, schließlich wird ein Mörder nicht für 5 Minuten weggesperrt sondern den Großteil seines Lebens. Im Grunde ist es auch egal ob man ihn 5 Jahre oder 30 Jahre wegsperrt, denn bereits 5 Jahre des Lebens in Haft und weniger reichen aus um in der Gesellschaft das Gesicht zu verlieren und seine komplette Existenz.
So gesehen könnte man zynisch bemerken dass der der getötet wurde es wenigstens hinter sich hat und der andere den Rest seines Lebens "ableben" darf und sein Leben im Grunde (aus gesellschaftlicher Sicht) nicht mehr Wert ist (außer man sieht ein Leben auf unterstem Niveau als lebenswert an).
Stern2812 hat geschrieben:Ich könnte da wohl für nichts garantieren. Sollte jemand meinem Kind etwas antun, ich wüsste nicht, was ich (nicht)tun würde, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte.
Und wozu soll das führen? Das meine ich mit kurzfristigem Denken. Wenn jemand das eigene Kind ermordet und man denjenigen aus Rache (nichts anderes ist es, wie gesagt) ermordet so hat die Familie des Ermordeten nun auch wieder das Recht aus Rache jemanden umzubringen. Kann man ewig fortsetzen und wohin das führt kann man sich ja denken. Deswegen schlagen sie sich in niederen Kulturen seit Jahrhunderten den Schädel ein weil vor hunderten von Jahren der Opa von irgendwem jemand anderen die Blumen plattgetrampelt hat.
@Subbotnik: Ja ich stimme dir auch uneingeschränkt zu. Ich mache mir zurzeit darum einfach Gedanken, ich denke da werde ich auch viel von den Medien beeinflusst. Jedenfalls stimmt es schon, dass Selbstjustiz auf gut Deutsch einfach nur Rache ist. Und ja, das mit der Objektivität ist wirklich nicht gewährt, Rache geschieht ja wirklich aus niedrigen Beweggründe, das ist klar. Ja ich denke ich kann dir wirklich zustimmen, du hast die Sache, wie ich denke, genau auf den Punkt gebracht.
@Stern2812: Ja, so geht es mir ähnlich. Aber wenn man darüber nachdenkt, ist es ja wirklich verwerflich. Ich denke mir, wenn jemand mein Kind was antut, ist das irgendwie anders. Ich wüsste nicht, wie ich reagieren würde. Aber natürlich ist hier Rache oder eben Selbstjustiz nicht das Richtige, das wissen wir glaube ich alle und wir sind uns alle darüber bewusst. Aber würden wir auch so denken, wenn unser Kind umgebracht wird? Vergewaltigt wird? Ich weiß es wirklich nicht und ich wünsche mir auch, niemals in so eine Situation zu kommen, das wäre für mich unbeschreiblich schwierig.
Und das mit der Freiheitsstrafe: Generell sage ich, dass ein Mörder auch eine angemessene Strafe erhalten sollte. Ich verstehe teilweise noch immer nicht, dass lebenslänglich nicht wirklich lebenslänglich ist und dass man in vielen Fällen mit einer vorzeitigen Entlassung rechnen kann. Oder Vergewaltigung... teilweise ja wirklich sehr leicht bestraft und manchmal kommen Vergewaltiger nach kurzer Zeit wieder frei oder bekommen eine Therapie. Und du als Opfer oder als Angehöriger eines Opfers musst dann für dein Recht kämpfen, eine anständige Therapie zu erhalten und auch die Gewissheit, dass dieser Mensch auch weggesperrt wird. Aber wie gesagt, sehr hart greift da unser Rechtssystem ja auch nicht durch.
Natürlich hat Subbotnik recht, dass es eigentlich nichts bringt, an diesem Menschen Rache zu verüben, weil es eben ein ewiger Teufelskreislauf ist. Aber kann man wirklich noch objektiv handeln, wenn das eigene Kind ermordet, schwer verletzt, vergewaltigt, etc. wird? Ich kann es mir nicht vorstellen. Aber ich wüsste eben auch nicht, wie ich reagieren würde. Ich weiß es einfach nicht. Ist eine schwierige Situation und ich wünsche wirklich niemanden in diese Situation zu kommen.
Aber prinzipiell stimmt es schon, dass Rache zu nichts führt. Ich denke, dessen sind wir uns alle bewusst. Aber wie man wirklich reagieren würde, weiß man nicht und ich hoffe, dass wir das auch nicht erfahren werden.
Selbstjustiz ist keine Lösung, aber ich denke, da sind wir uns alle einig. Der Gedanke an Selbstjustiz kommt aber bei vielen auf, weil lebenslänglich höchstens 25 Jahre ist und nach 15 Jahren ist der Mörder, wegen "guter Führung" wieder draussen. Klar, hat er sein Gesicht verloren oder besser gesagt, hat er sich das Gesicht mit der Tat selber genommen. Aber ich frage mich oft, warum lebenslänglich nicht auch ein Leben lang ist.
Es ist wirklich schwer nicht an Selbstjustiz zu denken, wenn man selber vergewaltigt wurde und der Täter nach 7 Jahren wieder draussen ist, weil ein Gutachten ihm den Freifahtschein gibt, dass er "geheilt" ist und kaum ist der Täter draussen, ist das nächste Vergewaltigungsopfer "klar gemacht". Es ist auch schwierig, nicht an Selbsjustiz zu denken, wenn ein Mensch einem das Kind genommen hat oder es missbraucht hat oder ähnliches. Das ist wahrscheinlich das schlimmste was einer Mutter passieren kann. Die Mutter ist lebenslänglich ein Wrack. Der Täter kommt nach 15 Jahren raus und das nächste Opfer steht an der nächsten Ecke.
Ich kann schon die Leute verstehen, die an Selbsjustiz denken. Aber eine Lösung ist es nicht und man macht sich selber zum Straftäter.
Bei dieser Frage fällt mir der Fall "Bachmeier" ein. Frau Bachmeier hatte den Mörder ihrer kleinenTochter getötet. Dieser Fall beschäftigte damals die Medien und auch mich. Ich konnte sie fast verstehen. Würde ich auch so reagieren, wenn man meinem Kind etwas antut. Ich glaube nicht, aber wirklichsicher bin ich mir nicht.
Aber ich einigen Fällen kann ich die Gerichtsurteile auch nicht verstehen. Mich würde es wüten machen, wenn der Mörder eines meiner geliebten Menschen mit 2 - 3 Jahren Gefängnis davon kommt. Egal ob der Täter krank ist, irrtümlich getötet hat oder unter Alkohol stand. Wahrscheinlich würde ich vor Wut und Leid auch verzweifeln, aber es gibt mir nicht das Recht auch zu töten.
Wahrscheinlich haben diese Menschen durch die Tötung ihres Kindes, Partner oder Eltern ihren ganzen Lebensinhalt verloren. Dann kann es wohl passieren, dass nur noch der Gedanke an Rache oder Strafe zählt, weil es für sie kein Morgen mehr gibt. In solchen Fällen wird viel mehr Hilfe gebraucht. Sicherlich gibt es hier auch Selbsthilfegruppen, aber ich weiß nicht ob Ärzte, Polizei und Freunde daraufhinweisen, bzw. diese mit einbeziehen.
Diamante hat geschrieben:Der Gedanke an Selbstjustiz kommt aber bei vielen auf, weil lebenslänglich höchstens 25 Jahre ist und nach 15 Jahren ist der Mörder, wegen "guter Führung" wieder draussen. Klar, hat er sein Gesicht verloren oder besser gesagt, hat er sich das Gesicht mit der Tat selber genommen. Aber ich frage mich oft, warum lebenslänglich nicht auch ein Leben lang ist.
Lebenslänglich ist ein Leben lang - deshalb heißt es ja auch lebenslänglich und nicht "Höchststrafe von 25 Jahren.
Allerdings besteht bei einer lebenslangen Strafe eben die Möglichkeit jemand, der sich in der Haft gut geführt und gebessert hat nach 15 Jahren die Strafe zu erlassen (was allerdings selten der Fall ist). Dem liegt einfach der Gedanke zugrunde dass sich Menschen auch ändern können und jeder eine zweite Chance verdient hat - auch wenn viele das nicht so sehen. Zudem bereuen viele Täter ihre Tat auch (ernsthaft) wenn sie mal ein paar Jahre auf ein paar Quadratmetern verbringen durften und "Zeit zum Nachdenken" hatten.
Genauso gibt es aber auch völlig uneinsichtige Menschen bei denen das nicht der Fall ist oder deren Verhalten in der Haft trotz Lippenbekenntnissen etwas völlig anderes aussagt. Und nicht der Wille zur Reue, sondern das Haftverhalten ist ausschlaggebend. Deswegen heißt es auch "wegen guter Führung" und nicht "weil er Reue zeigte" - denn reden kann man viel wenn der Tag lang ist, 15 Jahre unter Extrembedingungen normal und richtig verhalten ist dagegen schon eine "Leistung" die man auch anerkennen muss.
Natürlich spielt Reue auch eine Rolle - es gibt genug Täter die lebenslänglich bekommen haben und niemals ihre Tat bereut haben und in den Rest ihres Lebens in der Haft verbracht haben. Promintes Beispiel dafür dass lebenslänglich auch lebenslänglich heißt ist Rudolf Hess den man nach 41 Jahren Haft am Ende nur deswegen entlassen wollte da er eher in ein Altersheim statt in eine Zelle gehörte.
Und nach 15 Jahren oder 25 Jahren kommt niemand pro forma auf freien Fuß - hier sollte man aber mal wirklich das Bedenken was ich oben schrieb dass die meisten Menschen nach 15, 20, 25 Jahren im Bau doch mal irgendwann angefangen haben nachzudenken und oft nach ihrer Entlassung nur deswegen wieder straffällig werden da sie nicht resozialisiert werden können da sie ihr Gesicht in der Gesellschaft verloren haben. Selten werden hier weitere schwere Straftaten begangen sondern meist nur geringfügige Delikte im Rahmen von Beschaffungskriminalität.
Selbstjustiz ist das Resultat der Irrationalität der Menschen. Wenn sich jeder Mensch richtig Gedanken darüber macht, ob Selbstjustiz moralisch vertretbar ist oder nicht, dann würde es sowas kaum geben. Aber wenn, wie in dem angeführten Beispiel, die Kinder von Menschen zum Beispiel umgebracht werden würden, würden viele aus Hass, Frust und Trauer selbstjuristisch handeln. Doch was bringt das? Es reicht vollkommen aus, zu den gesetzlichen Mitteln zu greifen und diesen Mann anzuzeigen, dieser bekommt dann seine gerechte Strafe.
Wenn man für Selbstjustiz ist, dann sollte man auch gegen staatliche Gesetze sein, weil diese machen dann keinen Sinn mehr. Hier macht es auch Sinn nach diesem Schema zu denken: Wie sähe es aus, wenn jeder Mensch so handeln würde? (also selbstjuristisch) Bzw. was macht mich zu etwas Besonderem, dass ich mir das erlauben darf?
Grundsätzlich ist Selbstjustiz total sinnlos, denn Gewalt die mit Gegengewalt bekämpft wird, führt zur Rache der Rache und der Kreislauf nimmt dann kein Ende. Natürlich gibt es Fälle der Selbstjustiz, wo man mit menschlichem denken nachvollziehen kann, was den Täter zur Selbstjustiz bewogen hat, aber ich nenne es Glück für die Menschen, die sich zusammen gerissen haben und das Gesetz (gerecht) entscheiden lassen.
Ich wüsste nicht wie ich reagieren würde, wenn z.B mein Kind vergewaltigt und ermordet würde und ich den Täter in einem unbeobachteten Moment vor mir stehen hätte. Ich weiß es nicht ob ich mich zusammen reißen könnte, aber ich weiß das es für mein eigenes Leben besser wäre. Selbstjustiz ändern nämlich nichts an dem was geschehen ist, ein ermordetes Kind kommt nicht wieder, die geklauten Euros werden nicht ersetzt etc. etc. was auch immer es war, Rückgängig kann mein ein Verbrechen auch mit Selbstjustiz nicht machen.
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