Kurzinformation über den Ideologiebegriff

vom 08.06.2008, 16:04 Uhr

1. Historische Entwicklung des Ideologiebegriffes
1.1 Ideologie nach Francis Bacon
Francis Bacon (1561 - 1626) beschreibt in 'Novum organum scientiarum' (1620) die Idolenlehre über die 'Theorie des befangenen Denkens' und schuf somit den Grundstein für die Ideologietheorie. Bacon selbst verwendet in seiner Idolenlehre das Wort „Ideologie“ noch nicht, sondern spricht stattdessen von der 'idola'. 'Idola' beeinflusst den menschlichen Verstand laut Bacon negativ und hindert ihn so an einer richtigen Erkenntnis der Phänomene und der Wirkungszusammenhänge der Natur.
1.2 Ideologiebegriff nach Helvétius und Holbach
Claude Adrien Helvétius (1715-1771) und Paul Thiery von Holbach (1723 – 1789) entwickelten die Lehre von den Vorurteilen. Laut Holbach und Helvétius führen Vorurteile zur subjektiven Verzerrung der Erkenntnis, da die Vorstellungen der Menschen über soziale und politische Institutionen, Zusammenhänge und Prozesse durch gesellschaftliche Faktoren beeinflusst werden. Helvétius und Holbachs Kritik der Aufklärungsphilosophie enthält zentrale Inhalte der sich später entwickelten, klassischen, Ideologiekritik.

1.3 Ideologiebegriff nach Destutt de Tracy
1796 wurde der Ideologiebegriff von Antoine Louis Claude Destutt de Tracy (1754 – 1836) geprägt. Nach Destutt de Tracy stand Ideologie (Eléments d´ideologie) für eine von ihm so bezeichnete philosophische Grundwissenschaft. Diese so genannte Ideenlehre, basiert auf der materialistischen- sensualistischen Philosophie John Lockes. Diese Ideenlehre führt ihre Ideen auf deren sinnlich-materialistischen Ursprung zurück.

1.4 Ideologiebegriff nach Marx und Engels
Marx und Engels stellten die Frage, „was den ideellen Antrieben der geschichtlich agierenden Menschen zugrunde liegt.“ Sie übten Kritik an der Geschichtsauffassung, welche die materiellen Existenzbedingungen der Menschen von dem Bewusstsein differenziert, das wirkliche Leben von der Idee abtrennt, und dadurch unrealistische Gedankengebäude errichtet. Dies bezeichneten sie als Ideologie.

1.5 Ideologiebegriff nach Marx und Lenin
Im Marxismus-Leninismus bekam der Ideologiebegriff eine positive Bedeutung. In seinem Kampf gegen den Trade-Unionismus verkündete Lenin die Notwendigkeit einer revolutionären Theorie. Er forderte, dass in den Klassenkampf des Proletariats der Sozialismus von Ideologen herein getragen werden müsse. Für Lenin verkörperte die revolutionäre Ideologie eine `wissenschaftliche` Ideologie, die identisch mit der absoluten Wahrheit ist, und die der bürgerlichen, idealistischen Philosophie entgegengesetzt ist.

2. Wichtige ideologietheoretische Ansätze in der Gegenwart
2.1 Positivistischer Theorieansatz
Charakteristika des positivistischen Theorienansatzes ist, dass Ideologie stets als ein Gegenbegriff zu Wahrheit, Objektivität, Erkenntnis und Wissenschaft verwendet wird. Ideologisch ist etwas, das der objektiven Erkenntnis und der Wahrheit abträglich ist. Der Soziologe Theodor Geiger vertritt in seinem Buch „ Ideologie und Wahrheit“ die Ansicht, dass Ideologie nicht im Bezug auf Gedankengebilde, Denkprozesse und Vorstellungen verwendet werden soll, da diese intersubjektiv nicht nachprüfbar sind. Er fordert, dass sich die ideologiekritische Analyse auf die Aussageebene konzentrieren sollte, da in der Wissenschaft nicht die Denkprozesse, sondern die Denkresultate für eine verlässliche Analyse zur Verfügung stehen.

2.2 Marxistischer Theorieansatz
Der marxistische Theorieansatz betont den Einfluss von gesellschaftlichen Voraussetzungen und der ökonomischen Produktionsweise auf menschlichen Ideen und Vorstellungen. Diesem Ansatz zufolge ist das gesellschaftliche Denken von den Beziehungen zwischen Produktionskräften und Produktionsverhältnissen abhängig. Diese sozial-ökonomische Basis bestimmt entscheidend den ideologischen Überbau. An Karl Marx Theorieansatz wird vor allem die Vermischung von persönlichen und utopischen Wunschvorstellungen mit subjektiven Prophezeiungen kritisiert.

2.3 Wissenssoziologischer Theorieansatz
Als Hauptvertreter des wissenssoziologischen Theorieansatzes gilt Karl Mannheim. In 'Ideologie und Utopie' beschreibt er Ideologie „als geltend wahrhafte Deutungsmuster zur Interpretation der sozialen Wirklichkeit“ . Nach Mannheims „totalem Ideologiebegriff“ bezieht sich Ideologie auf die Seinsgebundenheit oder auf die soziale Bedingtheit allen Denkens. An Mannheims neutralem Ideologiekonzept ist kritisiert worden, dass er mit seinem totalen Ideologiebegriff die aufklärerischen und kritischen Intuitionen vorausgegangener Ideologiekonzepte aufgebe.

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