Wir wollen doch belogen werden

zugegeben, die Überschrift klinkt etwas komisch, aber sie entspricht doch der Wahrheit. Wenn man jemand trifft, den man schon lange nicht mehr gesehen hat, dann kommt die Frage nach dem Wohlbefinden. Wir erwarten eine kurze Antwort, dass es der Person gut geht und stellen dann die Gegenfrage. Würden nicht aber die meisten etwas dumm schauen würde man nach der Frage eine ehrliche Antwort bekommen? Du mir geht es nicht so gut, ich hatte letzte Woche eine schwerere Operation, bei der ich fast gestorben wäre und dann plagt mich da noch der Rücken, heute morgen habe ich mir so tief in den Finger geschnitten, dass ich zum Arzt musste und dann erst der finanzielle Teil, wir hatten schon Sorgen das wir unser Haus verkaufen mussten. Tja wer hätte mit solch einer Antwort gerechnet.

Weiter geht es mit der Figur. Wenn unser herzallerliebster sagt, das Kleid steht uns nicht weil wir doch etwas zu dicke Oberschenkel haben, dann werden die meisten Freuen einfach beleidigt sein. Beim nächsten Besuch der Freundin holen wir das Kleid raus, ziehen es an, stellen uns vor die Freundin und fragen diese natürlich nach ihrer Meinung. Diese wird uns wohl direkt ins Gesicht lügen, denn eigentlich müsste sie dem herzallerliebsten recht geben, wir haben für das Kleid einfach zu dicke Oberschenkel. Welche Freundin würde das aber so ehrlich zugeben? Wohl keine, denn man möchte die Freundschaft ja wegen ein paar Millimetern Oberschenkel nicht auf das Spiel setzen.

Und so geht es mit den Alltagslügen weiter. Oft möchten wir einfach angelogen werden, weil es unser wohlbefinden steigert und wir sonst einfach nur traurig und enttäuscht wären.

Wir haben gerade über solche Beispiele auch schon im Ethikunterricht diskutiert und sind dabei noch zu weiteren Gründen gekommen.

Die "Es geht mir gut"-Lüge: Wir lügen, weil es uns zu umständlich wäre, dem Gegenüber auch noch unsere ganze Situation dazu erklären, denn sobald man sagt, es gehe einem schlecht, kommt automatisch die Frage nach dem warum auf und es kann mühselig oder auch schmerzhaft sein, dieses zu ergründen.

Die "Das sieht gut aus!"-Lüge: Gerade bei Frauen und Kleidungsstücken beliebt. Auch wenn das Kleid nicht so dolle sitzt, mögen manche das ihrem Gegenüber nicht sagen, da es erstens zu Spannungen in der Beziehung kommen kann (Du bist ja nur neidisch..) oder auch nur, weil die Anprobierende so euphorisch und froh über das Stück ist, dass wir die gute Laune einfach nicht verderben wollen und eine gute Miene machen, obwohls es nicht gut aussieht und eine vernünftig begründete, ehrliche Meinung häufig (gerade noch im Laden!) mehr nützen würde.

Doch genau wie du schon erörtert hast Laufmasche, ist es häufig so, dass wir auch einfach "erwarten" angelogen zu werden. Man sieht jemanden, trauriger Gesichtsausdruck, wir fragen trotzdem wie es geht und erwartet mindestens ein halbherziges "geht schon", dann haben wir auch unsere gesellschaftliche Verpflichtung erfüllt uns "zu kümmern" und können mit ruhigem Gewissen zum nächsten, fröhlicheren Menschen weitergehen.

Also ich bin jemand, der nicht belogen werden möchte. Ich merke auch wenn man mir was vorheuchelt. Wenn man mir erzählt, ich hätte zum Beispiel eine neue schöne Brille, und es ist nicht ernst gemeint, dann spüre ich das.

Ich halte mich da eher zurück. Wenn mir etwas nicht gefällt, sage ich entweder gar nichts, oder die Wahrheit.
Das verlange ich von anderen aber auch. Wieso muss man immer etwas von sich geben, manchmal ist schweigen eben besser!

Das ist einer der Gründe, weshalb mir diese ständige Begrüßungsfloskel : Hallo, wie geht es dir mächtig auf den Nerv geht. Denn der Gegenüber will ja eigentlich garnicht wissen wie es einem geht. Manchmal antworte ich dann auch direkt mit der Gegenfrage: Willst du es wirklich wissen?

Nachdem ich mich dabei ertappt habe, dass ich die Frage unnötig, falsch und überflüssig finde, wenn ich eigentlich keine wirklich Antwort will, stelle ich sie selber auch nicht mehr.

diese Notlügen kenne ich auch. Gerade wenn man im Internet mit Mädels chattet ist die erste Frage nach der Begrüßung so gut wie immer: Wie geht's dir? Meistens antwortet man mit einem kurzen "Gut.", wenn einem auch gerade garnicht, nach diesem Wort ist. Oft sage ich den Mädels aber auch die Wahrheit, weil man dadurch, in ein schönes Gespräch einsteigen kann. Aber die meisten Male verwendet man, wie ihr schon sagt Notlügen. Gerade, wenn mich eine gute Freundin oder sogar meine Lebensgefährtin aber nach der Meinung nach einem Kleidungsstück fragen würde, würde ich wohl oder übel, und wenns noch so schlimm aussieht, sagen, dass es ihr steht. Und diese Art von Notlügen gibt es massig. Und ich würde keineswegs sagen, dass diese Lügen schlimm sind. Ich würde nämlich von Freunden wohl auch diese Lügen erwarten. Wir wollen also wie gesagt doch belogen werden, auch wenn wir diese nur oft unterbewusst wahrnehmen.

Wenn mich jemand fragt, wie es mit geht, antworte ich automatisch, dass es mir gut geht, ohne groß nachzudenken. Und da kann es mir auch schlecht gehen, ich lüge dann einfach ein wenig. Denn wenn ich antworten würde, dass es mir schlecht geht, würden die Leute ja wahrscheinlich nach dem Grund fragen. Und es gibt Leute, die müssen jetzt nicht unbedingt wissen, wieso es mir schlecht geht und es gibt Leute, denen will ich das nicht erklären, weil es zu lange braucht. Somit ist es einfacher zu sagen, dass es mir gut geht.
Ich denke, das macht fast jeder in dieser Gesellschaft so und ich denke, manchmal hat das durchaus Vorteile (eben, dass man nicht genug Zeit hat, ewig lang Probleme zu besprechen).

Mit den Klamotten ist das eine andere Sache. Wenn mir etwas nicht gefällt, was eine gute Freundin gerade anprobiert, sage ich das meistens auch. Wenn sie es jedoch schon gekauft hat, sage ich meistens nichts mehr, weil es die Freundin eben verletzen könnte. Dann ist das Zusammenleben einfach leichter. Auch, wenn es eigentlich verlogen ist.

Wenn man so darüber nachdenkt, ist das eigentlich unfair, nur zu lügen, um einem Streit oder einer kleinen Krise aus dem Weg zu gehen. Aber ich denke, würde man den Leuten immer die Wahrheit ins Gesicht sagen, würde man sich einen Haufen Feinde machen. Insofern ist eine kleine Lüge mal ganz hilfreich, auch wenn es im Grunde nicht richtig ist.

Es liegt sicher in der Natur des Menschen. Manch kleine Lüge macht das Leben eben leichter bzw. unkomplizierter. Wenn ich z.b.an meine Frau denke. Da sag ich schonmal ja Schatz die Frisur sieht gut aus. Wenn sie mal wieder eine halbe Stunde im Bad vorm Spiegel verbracht hat um sich zu stylen. Auch wenn es nicht 100% perfekt aussieht, nur um endlich los zu können. Nicht das sie dann häßlich aussieht oder wie gerade aufgestanden.
Aber eben nicht top gestylt bis ins letzte Detail. Wenn ich dann sagen würde von hinten sieht es aber noch ein bischen durcheinander aus, könnte ich ja nochmal mind. eine viertel Stunde warten.
Bei der Begrüßung ist mir das auch schon aufgefallen. Besonders bei Familienfeiern jeder Art taucht diese Frage immer wieder auf. Aber da weis man ja das die es eh meist nicht wissen wollen sondern nur Freundlich bzw. Interessiert erscheinen wollen. Bei einigen von meinen Freunden ist es ernst gemeint. Das weis ich dann auch und erzählen ihnen alles. Bei den Verwantden ist meist alles in Ordnung. Ich frage meist auch nur wenn ich es wirklich wissen will.

ich würde sagen, dass unser Gewissen und Pflichtgefühl uns schon vorschreibt, diese Art von "Notlüge" zu begehen. Dieses Verhalten hat sich im Laufe der Zeit in die Gesellschaft integriert und jeder von uns handelt automatisch in den von Laufmasche vorgeschriebenen Situationen gleich.

Ich würde nicht so weit gehen und jemandem sagen, dass das Outfit, das er oder sie gerade trägt, obwohl es wirklich nicht gut aussieht, dann noch als "schön" oder "passend" zu bezeichnen. Ich würde schon etwas Kritik ausüben, die zwar nicht so schlimm ausfällt, wie sie wirklich ist, aber dennoch meinem Gegenüber zu verstehen gibt, dass man sich etwas anderes anziehen sollte. Schließlich möchte man, dass sich der Bekannte nicht in der Öffentlichkeit blamiert. Bei kleineren Mängeln greife ich jedoch auch immer zu der beschönigerenden Version.

Also ich bin jemand, der nicht belogen werden möchte.

Also solche Aussagen glaube ich sind Selbsttäuschung - natürlich möchte man nicht belogen werden, da würde wohl jeder mit: "Nein!" antworten wenn man ihn fragen würde.

Nur sollte man sich dann mal vorstellen, was wäre wenn man andauernd die Wahrheit zu hören bekommt? Wenn einem der eigene Mann sagt, man sieht auch immer älter und dicker aus und draußen laufen hübschere rum; die Kinder sagen, dass das Essen auch mal besser war und andere Mütter dies und das soviel besser können; der Vater sagt, dass der eigene Mann eine Pfeife ist; andere einem sagen, dass man einen für dämlich oder asozial hält; oder einem sagen, man hätte einen schlechten Geschmack, ist unlustig... (die Liste ist endlos).

Ich denkt mal, 2 - 3 "ehrliche Wochen" wo man jeden Tag von jedem genau das hört was er wirklich denkt - da kann man die Antidepressiva schon mal vorbestellen...

Im großen und ganzen hast du natürlich recht, die Leute wollen die Wahrheit meist nicht sehen oder hören. So Fragen wie - na, wie geht´s - sind doch eher Höflichkeitsfloskeln und mehr nicht, sie werden im vorbeigehen gestellt und eigentlich hat ja da auch niemand zeit, wenn dann der Gefragte sein Herz ausschüttet. Man sollte einfach wieder versuchten, ehrlicher miteinander umzugehen. Ich gehöre leider zu der Sorte Mensch, die das sagen, was sie denken und da ecke ich schon so manches mal an. Wenn jemandem etwas nicht seht, dann sage ich es auch und lasse ihn nicht den ganzen Tag so rumlaufen.

Gerade in Geschäften, wo ich Kleidung kaufe, geht es doch nur ums verkaufen, ob die Sachen passen oder nicht, ist egal, die Hauptsache ist doch das Geld abends in der Kasse. Meine Frau probierte mal in Bayern ein Dirndl an, die Verkäuferin merkte nicht, das ich etwas abseits stand und als meine Frau dann mit dem Dirndl herauskam, meinte die Verkäuferin nur - das ist ihnen wie auf den Leib geschnitten. Ich kam dann dazu und sagte zu ihr - das kann doch nicht ihr Ernst sein, meine Frau sieht darin aus wie eine Presswurst, das Dirndl ist mindestens 2 Nummern zu klein. Die Verkäuferin konnte das gar nicht verstehen, wie ich so über meine Frau reden würde und merkte nicht, das sie eigenlicht nur ihren Job nicht richtig gemacht hatte.