Dokufilm-Protagonist nicht ins schlechte Licht rücken wollen
In einem anderen Thema habe ich bereits erwähnt, dass wir von meinem Studiengang aus einen kleinen Dokumentarfilm gedreht haben. Das war eine sehr interessante Erfahrung, wenn auch gar nicht so einfach. Besonders beim Schreiben des Drehbuchs und beim Schnitt nach den Drehtagen haben wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir die Person darstellen wollen, die wir gefilmt haben. Wir hatten nämlich da mehrere Möglichkeiten.
Die Person hatte ein Problem, nämlich, dass sie aufgrund ihrer Selbstständigkeit nur wenig Zeit für ihr Kind hat. Das hat sie im Interview auch offen gestanden und wir hatten mehrere Aufnahmen, in denen sie das sagt. Da hätten wir also schön in die Wunde drücken können und den Fokus unseres Filmes vor allem darauf lenken könnten. Andererseits hätten wir auch in den Mittelpunkt stellen können, dass sie durch ihre Selbstständigkeit sehr erfolgreich ist und es ihr absoluter Tramberuf ist, den sie sich sozusagen selbst geschaffen hat.
Letztendlich haben wir versucht einen guten Mittelweg zu finden und beides zu thematisieren. Unsere Dozenten wollten, dass wir ein wenig Spannung und Tiefe hineinbringen, indem wir vor allem das Thema um das vernachlässigte Kind behandeln, aber das fand ich ehrlich gesagt dem Protagonisten gegenüber nicht in Ordnung. Immerhin machen die Personen freiwillig bei dem Film-Projekt des Studiengangs mit und könnten auch genauso gut sagen, dass sie da nicht mitmachen wollen, wenn mein Dozent auf sie zukommt und sie fragt, ob sie bereit wären, sich von ein paar unerfahrenen Studenten im Zuge eines Studienprojektes filmen zu lassen. Wir haben der Person auch sehr viel Zeit gekostet, ein Dokumentarfilm, selbst wenn er nur ein paar Minuten geht, ist ja nicht an einem halben Tag gedreht.
Somit hätte ich es unfair gefunden, wenn die Person sich freiwillig meldet, sich uns öffnet und wir sie dann in einem schlechten Licht, sozusagen als Rabenmutter, darstellen. Sie hatte sowieso Schwierigkeiten dabei, das zuzugeben und hat immer dann, wenn sie etwas Negatives gesagt hat, auch gleich noch ein „Aber“ hinzugefügt und erklärt, dass trotzdem alles toll und schön und gut ist. Nichtsdestotrotz sollte es kein Imagefilm über ihre Selbstständigkeit sein, sondern ein Portrait ihrer Person, weshalb wir natürlich auch solche persönlichen Probleme in den Film einbringen mussten.
Was denkt ihr dazu, wenn Personen in einem Dokumentarfilm ins schlechte Licht gerückt werden? Würdet ihr das als Filmemacher machen, obwohl sich die Person freiwillig meldet oder auch die positiven Aspekte einbringen? Wie erklärt man so einer Person überhaupt, dass sie auch ruhig etwas Selbstkritisches über sich sagen soll?
Ich habe noch nie einen Film gedreht, und stelle es mir ausgesprochen schwierig vor, die Balance zwischen Lobhudelei und Negativität zu finden, um eine Person in einem filmischen Portrait ausgewogen und doch interessant darzustellen.
Wenn ich mir eine Reportage oder einen Dokumentarfilm über einen oder mehrere Menschen ansehe, die mit einer bestimmten Situation klarkommen müssen, finde ich es immer sehr angenehm, wenn ich zumindest den Eindruck habe, man sei um eine objektive Darstellung bemüht. Natürlich möchte ich auch ein bisschen "Drama", denn sonst kann man ja gleich jemanden beim korrekten Ausfüllen der Steuererklärung filmen.
Besonders genervt bin ich dagegen immer, wenn gerade eine schwierige Situation im Leben eines Menschen ganz besonders rosig dargestellt wird, beispielsweise, wenn jemand mit 15 schwanger wird und sich die ganze (natürlich wohlhabende) Familie darüber scheckig freut und sich die werdende Mutter samt Kind vor lauter Unterstützung gar nicht mehr zu helfen weiß. So etwas kommt natürlich auch in der Wirklichkeit vor, aber mich würde viel mehr interessieren, wie jemand mit richtigen Schwierigkeiten fertig wird.
Andererseits habe ich als Zuschauer von Dokumentarfilmen über Menschen auch gerne zumindest die Andeutung einer Lösung des dargestellten Konflikts. Diese kann auch gerne darin bestehen, dass sich der Protagonist weiter von einem Tag zum nächsten hangelt und das Beste hofft, oder dass die Behandlung fürs Erste anschlägt. Aber komplett im Regen stehen möchte ich nach Ende einer Reportage auch nicht. Wenn man sich schon 30 oder 45 Minuten lang für das Schicksal eines Menschen interessiert, möchte man doch gerne eine Entwicklung wahrnehmen und nicht den Eindruck bekommen, man habe sich nur einmal im Kreis gedreht.
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