Steht Ausländern kein Urteil über Deutschland zu?

vom 16.10.2014, 23:21 Uhr

Ich habe in einem anderen Thread ja bereits geschrieben, dass ich der Meinung bin, dass die Deutschen etwas verschlossener und vielleicht nicht so herzlich sind, wie Menschen aus anderen Ländern. Anlass hierfür war unter anderem dieser Thread: Heimweh nach Kanada - Fühle mich in Deutschland unwohl. Ich habe schon von einigen Menschen gehört, dass sie sich in Deutschland weniger wohl fühlen, weil die Menschen hier anders sind. Viele Immigranten ziehen später ja auch wieder in ihr Heimatland zurück.

Als ich dieses Thema mal Freunden gegenüber erwähnt habe, war einer davon kein bisschen begeistert. Er meinte, dass Ausländer kein Recht dazu hätten, so über Deutschland zu urteilen und sich über Deutschland zu beschweren, wenn sie hier sind und unsere Vorteile nutzen. Die meisten Ausländer kommen ja nicht etwa her, weil es hier so schön ist, sondern weil es in ihren Ländern Arbeitslosigkeit gibt oder die Bildungssysteme nicht gut sind, wenn man nicht gerade aus anderen Gründen flüchten muss. Deswegen nutzen sie ja durchaus die Vorteile, die unser Land bietet.

Trotzdem verstehe ich nicht, warum ein Ausländer dann nicht kommen und sagen darf, was ihm eben im Vergleich zu seinem Heimatland an Deutschland nicht gefällt. Das ist ja kein beschweren, sondern nur eine Feststellung. Ich teile diese Meinung bedingt auch. Außerdem finde ich die Einstellung nicht in Ordnung, dass ein Deutscher meint, die Ausländer sollten ruhig und dankbar sein, für das was Deutschland bietet, denn ohne die Ausländer, wäre Deutschland ja nie das geworden, was es heute ist. Davon abgesehen können wir bei unseren abgrundtiefen Geburtenraten nur froh sein, dass noch genug Ausländer ins Land kommen und das wieder teilweise ausgleichen.

Findet ihr es unverschämt, wenn jemand auswandert und dann mitunter eben sagt, was ihm an dem neuen Land nicht gefällt? Findet ihr, dass es einem nicht zusteht, wenn man von Vorteilen dieses Landes profitiert? Warum denkt ihr so?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich finde es schon unverschämt, wie manche Deutschen versuchen, Ausländern regelrecht den Mund zu verbieten. Ich lebe jedoch nun einige Jahre in Deutschland und ich durfte diese Erfahrung jedoch zum Glück noch nicht machen, habe es aber bei Anderen mitbekommen, die bei der Äußerung ihrer Meinung zurechtgewiesen wurden.

Ich habe alle möglichen Menschen hier in Deutschland kennengelernt, von spießig bis locker-flockig. Ich kenne das politische System einigermaßen und habe mir ein Bild davon gemacht und ich denke, dass ich als Bürger in Deutschland, wenn auch nicht wahlberechtigt oder nicht mit der deutschen Staatsbürgerschaft ausgestattet, ein Bild machen und es ebenfalls äußern darf, ohne dass man sich gleich vor den Kopf gestoßen fühlen muss.

Jedes Land hat seine Nachteile. Dort wo ich herkomme, gibt es ein ausgezeichnetes Schulsystem, aber für mich persönlich gab es kein Weiterkommen. Genauso gut hätte ich ein anderes Land als Deutschland erwählen können, ich hätte wahrscheinlich auch dort negative Seiten gefunden. Offen gesagt, ich finde es schön hier. Mir gefällt die Stadt in der ich hier lebe, recht gut, mit den negativen und positiven Seiten. Warum sollte ich als Ausländer die Klappe halten, wenn mir was nicht passt? Ich habe immerhin die gleichen Rechte, wie die Deutschen, die hier leben auch.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12585 » Talkpoints: 9,82 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich finde schon, dass Menschen, die aus einem anderen Land hier her kommen, nicht meckern sollten, weil dann stellt sich auch immer die Frage, warum man hier her kommt, wenn es einem nicht gefällt. Und gerade wenn jemand nur wegen der Bildung etc. nach Deutschland kommt, also keine existentiellen Gründe dahinterstehen, dann zwingt ihn ja nichts, sich in eine Kultur zu begeben, die demjenigen nicht zusagt.

Zudem bin ich auch nicht dafür, dass gerade an den Universitäten viele aus anderen Ländern studieren. An meiner Uni gab es etwa total viele chinesische Studenten. Die lassen sich hier ausbilden, nehmen dann das Fachwissen wieder mit in ihre Heimat und machen dann den deutschen Unternehmen Konkurrenz. Und die Unis fördern das auch noch, in dem sie extra Studienplätze für ausländische Studierende reservieren.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



@Zitronengras: Viele Ausländer bleiben aber auch hier, weil es in ihren Ländern keine guten Stellen gibt. Jemand der wegen des Studiums nach Deutschland kommt, der fährt in den seltensten Fällen damit dann wieder zurück ins Heimatland. Hier in Deutschland gibt es meist attraktivere Stellen und diese werden dann auch in Anspruch genommen. Und die Universitäten fördern das, weil Deutschland nun mal einen Mangel an Fachkräften hat und für jeden Ausländer der hier anfängt, dankbar ist.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich habe auch ausländische Studenten kennengelernt, die hier kostenlos studiert haben und von Anfang an wussten, dass sie nach dem Studium wieder in ihre Heimat wollten und das auch gemacht haben. Da gebe ich Zitronengras recht. Die wenigsten bleiben in Deutschland, aber nicht, weil es ihnen hier nicht gefällt, sondern weil sie meinen, in ihrer Heimat gebraucht zu werden. Ich denke da zum Beispiel an Afrika, da haben sie sogar recht.

Ein Ausländer, der in Deutschland studieren oder arbeiten will, kommt aus dem Grunde, weil er in der Heimat nicht die Möglichkeiten hat, die ihm hier geboten werden. Jedes Land hat nun mal seine eigene Kultur. Das ist für viele eben ein Umdenken. Darüber waren sie sich nicht im Klaren, als sie sich entschlossen, in Deutschland arbeiten zu wollen oder zu studieren. Wenn dann noch eine andere Zugehörigkeit zum Glauben hinzukommt, wird es schon schwieriger. Das sollte man einfach vorher bedenken und sich deshalb nicht über ein Gastland beschweren. Beschwerden werden bestimmt ernst genommen, sofern sie berechtigt sind. Aber sich allgemein über Unfreundlichkeit und dergleichen beschweren, finde auch ich nicht berechtigt. Die Mentalität ist nun mal nicht in jedem Land gleich.

Wenn ich da an den Thread über Kanada denke, muss ich sagen, dass auch in Kanada jede Menge Facharbeiter fehlen. Aber sie lassen auch nicht jeden für längere Zeit oder ganz ins Land, was ich richtig finde.

Ich bin schon der Meinung, dass man nicht nur von den Vorteilen profitieren kann und über die Nachteile schimpfen. Das geht in keinem Land der Erde. Warum sollte dass dann ausgerechnet in Deutschland hingenommen werden? Es ist nicht richtig, Ausländern den Mund zu verbieten. Aber manche sind auch in ihren Äußerungen derart krass, dass man sich das wirklich nicht bieten lassen muss. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie nicht genügend die Sprache lernen und sich zusätzlich noch nur unter ihresgleichen aufhalten. Ich weiß es nicht.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Natürlich dürfen auch Immigranten Kritik an Deutschland üben, wo wären wir denn sonst mit unserer so hoch geschätzten Meinungsfreiheit? Nur weil man sich für ein bestimmtes Land zum Leben entschieden hat, heißt das ja nicht, dass man es ohne Vorbehalte so klasse findet, wie es ist. Gerade politische Flüchtlinge fliehen nicht in ein Land, weil es so toll ist, sondern weil sie ihr Leben riskieren würden, wenn sie länger im Heimatland bleiben müssten.

Ich kann diesen rechten Dreck nicht mehr hören, dass Ausländer uns alle ausnehmen und angeblich alles in den Hintern geschoben bekommen. Dass das nicht so ist, habe ich schon anhand der Erfahrungen in meinem Umfeld gesehen. Ausländer sollten meiner Meinung nach daher die gleichen Rechte haben wie deutsche Bürger.

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» ninjafan » Beiträge: 1455 » Talkpoints: -0,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich finde, dass es auf verschiedene Faktoren ankommt. Erst mal wäre für mich entscheidend, warum eine Person nach Deutschland gekommen ist und was der Person hier nicht gefällt. Auch finde ich es entscheidend, ob die Person sich hier überhaupt anpassen möchte. Wenn jemand hierher kommt und falsche Erwartungen hat, die dann nicht erfüllt werden können und wo das der Grund der Beschwerde ist, dann finde ich es nicht gerade toll, wenn so jemand dann darüber meckert, was hier vorgefunden wurde. Wenn jemand dann auch nicht bereit ist, die Sprache zu lernen, macht es das noch schwieriger.

Das führt dann sicher zu Missverständnissen, die hätten vermieden werden können. Also Menschen, die nur nach Deutschland gekommen sind, um hier gewisse Vorteile vom Sozialstaat zu bekommen und die dann bei anderen Dingen extrem unzufrieden sind und das auch zeigen, kann ich nicht verstehen. Das soll nicht heißen, dass ich ihnen ihr Recht auf eine Meinung absprechen will, nur sollte man bei manchen Dingen wirklich nachdenken, was man bei einem Wechsel nach Deutschland gewonnen hat, um dann zu entscheiden, ob es die negativen Aspekte nicht ein wenig ausgleicht.

Außerdem finde ich es auch wichtig, worüber sich die Menschen beschweren. Sicher sind die Menschen hier anders als in anderen Gebieten der Welt. Dass das nicht immer leicht ist, finde ich völlig verständlich. Aber dennoch sehe ich einen Unterschied, ob sich jemand, der sich hier nicht wohlfühlen möchte, über alles beschwert und sich bewusst nicht anpasst oder ob sich vielleicht ein afrikanischer Flüchtling sehr bemüht, sich hier einzuleben, aber dem deutschen Winter einfach nichts abgewinnen kann.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Ich denke, es kommt auch auf die Art der Beschwerde oder Kritik an. Der Ton macht dann sicherlich auch noch die Musik und so kann schnell eines zum anderen führen.

Ich nehme mal ein relativ aktuelles Beispiel. Ich habe die Woche einen kurzen Bericht über ein Ehepaar gelesen, welches zur Zeit in einer Asylantenunterkunft in Deutschland lebt. Beide musste vor Jahren schon mal aus ihrem Heimatland fliehen und eine neue Existenz aufbauen und müssen nun quasi wieder bei Null anfangen. Beide waren im letzten Land, in dem sie länger gelebt haben, in einem Beruf tätig, der gutes Geld brachte. Sie kamen alleine gut zurecht und hatten einen gewissen Lebensstandard. Klar sind sie traurig, nun in einem Zimmer leben zu müssen und quasi kein Geld zu haben und das fern von allem, was für sie mal Heimat war. So weit kann ich persönlich das alles nachvollziehen. Beide jammern auch nicht, sondern versuchen nach vorne zu sehen.

Nun gibt es aber eben auch Menschen in einer ähnlichen Situation, die nach Deutschland geflüchtet sind, hier Asyl suchen und die von Anfang an nur jammern, dass sie kein Geld haben, obwohl sie in ihrem Herkunftsland ja so viel Einkommen hatten. Sie jammern darüber, dass sie erst mal in einem kleinen Zimmer leben müssen, obwohl sie daheim ein großes Haus hatten. Sie beschweren sich über alles mögliche. Nichts ist gut genug und ständig wird erzählt, wie toll daheim alles war. Da spielt sicherlich ein wenig Wehmut mit rein. Aber ich denke dann durchaus auch, aber im Herkunftsland wurdest du verfolgt und suchst hier Asyl. Viele versuchen gerade verzweifelt allen Asylanten gerecht zu werden und so weiter und dann wird nur an allem genörgelt?

Anderes Beispiel. Ich selbst lebe gerne in Deutschland. Ich bin mit der deutschen Mentalität aufgewachsen und kann recht gut mit ihr Leben. Ich mag vieles, was selbst viele Deutsche stört. Zum Beispiel Deutsche Bürokratie. Sie gibt klare Richtlinien vor, an die man sich halten kann. Da ist oft wenig Spielraum. Ich mag das Deutsche Sozialsystem zum größten Teil. Zumindest finde ich es besser als in anderen Ländern. Aber im Endeffekt ist es möglich auch eine Arbeit in Deutschland zu leben, wenn man nicht arbeiten kann. Auch etwas, was in vielen anderen Ländern nicht möglich ist.

Was ich eindeutig nicht mag, ist das Deutsche Wetter. Viel zu kalt und zu unbeständig und meistens so gar nicht mein Ding. Da würde mir eine südlichere Region besser gefallen oder eben gleich in ein warmes Land. Wenn ich nun mit dem Beweggrund, mir ist es hier zu kalt auswandern wollen würde, müsste ich mich mit vielen Begebenheiten im neuen Land abfinden. Fehlen würde mir sicherlich die Deutsche Bürokratie. Und ich könnte mich auch nicht einfach hinstellen und sagen, ich kann nicht arbeiten gehen, los gebt mit Geld, Deutschland hat das ja auch gemacht.

Irgendwie muss man sich doch mit dem Land, in dem man lebt und dessen Gewohnheiten arrangieren oder nicht? Man kann nicht alle Gepflogenheiten einfach zusammen würfeln, bis es einem passt oder?

Einfaches Beispiel dürften zum Beispiel auch sein, dass in anderen Ländern durchaus eher das Faustrecht regiert. Hier macht das die Polizei. Ich erinnere an sogenannte Ehrenmorde, die sicherlich kaum ein Deutscher wirklich gut findet.

» XL » Beiträge: 680 » Talkpoints: -0,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Natürlich dürfen Ausländer meckern. Deutschland ist schließlich nicht das gelobte Land, in dem Milch Honig fließen. Auch hier gibt es Dinge, die nicht so schön sind. Meckern sollten doch gerade die Deutschen verstehen, denn eigentlich können wird das ganz gut.

Es kommt einfach immer ein wenig darauf an, wer in welchem Ton und Kontext meckert. Ausländer, die sich integrieren und so weit möglich und nötig dem Lebensstil anpassen, können sicherlich frei von der Leber weg Dinge ansprechen, die ihnen nicht gut gefallen. Das sehe ich nicht nur als ihr gutes Recht an, das empfinde ich als völlig normal. Ansonsten könnte man auch argumentieren, dass der Deutsch an sich immer schön still sein muss, denn er ist schließlich in ein vergleichsweise privilegiertes Land geboren worden. Wenn Integration und ein Miteinander funktionieren soll, dann müssen auch alle Menschen, die hier leben, an der Ausgestaltung dieses Lebens teilhaben. Sonst ist ein gesellschaftlicher Konsens nicht zu erwarten. Und das bedeutet schließlich nicht, dass Ausländer ihre Herkunft und Wurzeln verleugnen sollen.

Anders sieht es aus, wenn Menschen hierher kommen und die Erwartungshaltung haben, dass sie ihr Leben so weiterführen können wie bisher. Teilweise gibt es ja richtig abgeschlossene Gemeinden innerhalb einer Gemeinde, wo Sprache, Kleidung, Verhalten, etc. wie in der Heimat, beziehungsweise sogar noch strenger gelebt werden. Wer sozusagen einen Staat im Staat gründet und eigentlich absolut nicht in der Nähe westlicher Kultur leben möchte, aber eben doch die Vorteile haben will, der eckt an, wenn er meckert. Und das empfindet die Umwelt auch nicht zu Unrecht als anmaßend.

» cooper75 » Beiträge: 13382 » Talkpoints: 510,79 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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