Anonymität in Mehrparteienhaus genießen?

vom 16.10.2014, 20:04 Uhr

Ich bin vor wenigen Monaten umgezogen und wohne nun in einem Haus mit sechs Parteien. Davor habe ich in einem drei Parteienhaus gewohnt und wir hatten unter uns Nachbarn, die sehr offen und aufgeschlossen waren und die auch darauf bestanden haben, dass man sich kennenlernt und Kontakt zueinander hat. Das haben sie dann ausgenutzt um uns dauernd zu ermahnen, ruhiger zu sein, obwohl wir die meiste Zeit in der Uni waren und zu Hause nur den Weg zwischen Küche und Zimmer gegangen sind. Aber das war wohl zu laut.

Auf jeden Fall hatte ich nach diesem Vorfall erstmal alles satt, was mit Nachbarfreundschaft zu tun hat. In dem Haus, in dem meine Eltern früher gewohnt haben, gab es auch eine eher kühle Atmosphäre zwischen den Parteien. Grundsätzlich finde ich daher, dass die Anonymität in einem Mehrfamilienhaus einem da schon irgendwie Vorteile schaffen kann. Aber das kommt immer auf die Menschen an. Ich selbst bin jemand, der möchte eigentlich keine neuen Freundschaften schließen. Ich habe meine Freunde an der Uni, die reichen mir und ich brauche niemanden, bei dem ich klingeln kann um mir Eier auszuborgen. Wenn ich später ein Haus habe und sesshaft bin, dann wäre mir eine gute Beziehung zu den Nachbarn wichtiger, jetzt aber nicht. Ich studiere nur und bin hier in ein paar Jahren weg.

Grundsätzlich finde ich daher das Risiko relativ hoch, dass man beispielsweise mit Nachbarn Smalltalk macht, sich etwas anfreundet und nachher in der Hinsicht irgendwie ausgenutzt wird. Entweder man hat Mühe sich im Treppenhaus loszueisen oder die Nachbarn nutzen die ''gute Beziehung'' aus, um sich wegen jedem bisschen zu beschweren. Aber nein, man beschwert sich ja nicht, man weist nur freundlich auf etwas hin. Deswegen ist es mir inzwischen lieber, wenn man etwas weniger mit den Nachbarn zu tun hat und einem sowas dann auch erspart bleibt.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Anonymität in Mehrfamilienhäusern gemacht? Das wird ja auch gerne mal ins schlechte Licht gezogen, was ich auch verstehen kann. Seit ihr da eher ein Freund von oder gehört es für euch dazu, dass man sich mit den Nachbarn versteht? Würdet ihr euch unwohl fühlen, wenn die Nachbarn keinen Kontakt zu euch haben wollen würden? Welche Vorteile seht ihr in der Anonymität in einem Mehrfamilienhaus?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich lebe lieber anonym. Das kommt aber erst, seitdem viele Wohnungen Untermieter haben. Vorher habe ich alle Leute im Haus gekannt, aber auch nur per Namen und sehr oberflächlich. Leider kenne ich die Untermieter teils jetzt auch, weil sie gemeinsam mit ihren Hunden viel Lärm in der Wohnung machen und mit Eigentümern könnte man hier bessern reden, als mit Leute, die morgen vielleicht nicht mehr da sind.

» celles » Beiträge: 8677 » Talkpoints: 4,08 » Auszeichnung für 8000 Beiträge


Seit nunmehr gut sieben Jahren wohne ich in diesem Haus hier. Alleine auf meiner Etage sind insgesamt sieben Mietparteien und das ganze Haus hat sechzehn Etagen, also kann sich jeder ausrechnen, wie viele Mieter bzw. Wohnungen es hier gibt. Zumeist sind es 1- oder 1,5-Raum-Wohnungen, aber manchmal wohnen auch zwei Personen in einer Mieteinheit.

Leider muss ich zugeben, dass ich nicht einmal alle Mitmieter auf meiner Etage wirklich persönlich kenne. Ab und zu trifft man sich mal, wenn man zufällig gemeinsam das Haus verlässt oder das Haus betritt und auf die gleiche Etage fährt mit dem Fahrstuhl. Aber dann ist es eben meist nur ein „Guten Morgen/Tag“ oder „Hallo“ und bevor man dann in der Wohnung verschwindet gibt es vielleicht noch „Noch einen schönen Abend“ oder so etwas in der Art. Manchmal nimmt ein Nachbar für mich ein Paket an, dadurch klingele ich dann mal bei ihm/ihr und so sieht man sich mal bei der Paketübergabe. Das Ganze kann natürlich auch umgekehrt geschehen.

Zum einen finde ich die Anonymität nicht schlecht, da ich eigentlich nicht darauf aus bin, dass meine Nachbarn immer wieder bei mir auf der Matte stehen und einen Kaffee trinken möchten oder so etwas. Dann hätte ich ja auch gleich in eine Wohngemeinschaft ziehen können. Andererseits finde ich es aber ein wenig schade, dass man so total nebeneinander wohnt. Die eine Nachbarin direkt neben mir kenne ich nicht einmal vom Sehen her. Gegenüber muss wohl vor einigen Wochen jemand Neues eingezogen sein, denn als ich dort ein für mich abgegebenes Päckchen abholen wollte, machte eine andere Frau die Tür auf, als ich bisher dort dieser Tür zugeordnet hatte.

Gerade bei älteren Menschen ist es in meinen Augen wichtig, dass sie Kontakt zu ihren Nachbarn haben. Das muss nicht gleich eine Freundschaft sein, aber eben, dass man sich mal ab und zu trifft und vor allem auch ein Auge auf die ältere, vielleicht nicht mehr so gut allein lebende Person wirft. Man hört ja immer wieder so Schauergeschichten, wo alte Menschen in ihrer Wohnung versterben und es keiner bemerkt bzw. erst, wenn es schon viel zu spät ist. Das macht mich immer ein wenig traurig!

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» diezeuxis » Beiträge: 1207 » Talkpoints: 964,75 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich lebe schon seit Jahren in einem Haus mit mehreren Mietparteien. Trotzdem war das Leben hier noch nie wirklich anonym. Was aber auch daran liegen mag, dass ich fast alle Nachbarn schon vor meinem Einzug kannte und die Nachbarn die später dazu zogen teilweise schon seit Kindheitsbeinen her kenne. Genauso sind mir meine Vermieter und ein Großteil ihrer Familie seit Jahrzehnten bekannt.

Hier lebt allerdings fast jeder für sich. Man grüßt und hält auch mal ein Pläuschchen, aber mehr eben nicht. Trotzdem weiß immer jemand was der andere macht, was durchaus auch anstrengend sein kann. Meine Vermieter haben früher immer gewusst, wann ich zur Arbeit gegangen bin und wann ich wieder heim kam und zeitweise empfand ich das als anstrengend.

Ich finde es allerdings generell nicht so schlecht, wenn man die Nachbarn näher kennt und nicht alles so anonym ist. Näher kennen heißt ja nicht zwingend, dass man ständig zusammen hockt. Aber zum Beispiel das man eben bei Problemen auch mal bei den Nachbarn um Hilfe bitten kann.

» XL » Beiträge: 680 » Talkpoints: -0,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Mich hat es früher nie gestört, wenn ich die Leute aus anderen Wohnungen nur von zufälligen Begegnungen im Treppenhaus kannten und mit ihnen nie mehr als ein "guten Morgen" ausgetauscht habe. Ich hatte kein Bedürfnis nach mehr Kontakt, weil ich genug Freunde und Bekannte habe und direkt in der Innenstadt auch genug Möglichkeiten zu Eier kaufen hatte.

Kurz vor meinem Auszug ist dann so eine "Shopping" Süchtige eingezogen, bei der fast jeden Tag irgendwelche Pakete ankamen, die vom Postboten dann auf die Nachbarn verteilt wurden, weil sie tagsüber nicht zu Hause war. Ich habe auch zwei, drei Mal ein Paket entgegen genommen, aber da sie sich nie bemüht hat die Pakete zeitnah abzuholen habe ich dem Postboten dann gesagt, dass ich keine Pakete mehr annehmen möchte.

Da war es dann schon sehr angenehm, dass ich die Leute im Haus nicht näher kannte und niemand wusste, dass ich ein Büro zu Hause habe und zumindest an manchen Tagen durchaus in der Lage gewesen wäre diese Pakete entgegen zu nehmen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich kenne meine Nachbarn überhaupt nicht und den ersten Nachbarn habe ich bewusst erst nach drei Monaten nach meinem Einzug wahrgenommen. Natürlich habe ich die eine oder andere Person schon gehört oder gerochen, aber bewusst habe ich keine Person gesehen, die mein Mehrfamilienhaus ging und dort eine Wohnungstür aufgeschlossen hat.

Ich genieße diese Anonymität sehr, wenn ich ehrlich bin. Im Moment habe ich nicht das Bedürfnis nach Freundschaften in der Nachbarschaft. Wenn es passieren sollte, dann ist es eben so und ich möchte meinen Nachbarn höflich und neutral begegnen, aber eine Freundschaft wünsche ich mir einfach noch nicht. Im Moment habe ich darauf keine Lust und bin auch nicht so bereit dafür.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9232 » Talkpoints: 24,53 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Kommt doch ganz darauf an. Ich habe lange in Mehrparteienhäuser gewohnt und kannte keinen meiner Nachbarn. Einfach da ich von morgens bis abends aus dem Haus war, man sich nie begegnet ist und auch sonst nichts voneinander wollte. Im letzten kannte ich auch nur die unter mir und die neben mir, darüber hinaus gar nichts. Diese waren auch nie Zuhause und viel Unterwegs. Im Dach wohnte ein Altes Ehepaar, die ebenfalls nie raus gegangen sind und immer Zuhause waren. Die habe ich einmal gesehen, bei meinem Auszug nach fast 2,5 Jahren.

Ich mag es wenn ich meine Ruhe habe und nicht mit jedem Mist in meiner Freizeit belästigt werde. Aber ich finde es doch ganz praktisch, wenn man Nachbarn hat die auch mal ein Paket annehmen oder einem helfen wenn man etwas braucht aber ansonsten einen in Ruhe lassen. So ist es mir am liebsten und ich brauche kein inniges Verhältnis mit meinen Nachbarn, damit ich am Ende jeden Abend auf deren Sofa bei Kaffee und Kuchen sitze und über alles tratschen muss.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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