Woher kommen Vorurteile über das Denken im Mittelalter?

vom 15.10.2014, 15:11 Uhr

Ich muss in meinem Studium ein Beifach belegen um die nötigen Punkte für meinen Abschluss zusammen zu bekommen. Nachdem es bei anderen Fächern sehr schwer war, einen Platz zu ergattern, bin ich bei den Historikern gelandet, um genau zu sein bei Neuzeit und Osteuropäischen Geschichte. Einer meiner Dozenten hatte heute eine sehr interessante These aufgestellt. Er meinte nämlich, dass schon die alten Griechen wussten, dass die Erde eine Kugel ist und dass das sogar im Mittelalter allen bekannt war und dass es ein weit verbreitetes Vorurteil der heutigen Zeit sei, anzunehmen dass die Erde im Denken der früheren Menschen eine Scheibe gewesen ist, da die Kugelgestalt der Erde stets die dominante Lehrmeinung geblieben sein soll.

Also dass die Griechen schon von der Kugelgestalt der Erde wussten war mir schon aus meinem Hauptfach bekannt. Dort hatten wir nämlich in einer Grundvorlesung besprochen, wie die Kartographie entstanden ist und welche Griechen bedeutende Erkenntnisse in dieser Hinsicht erlangt hatten. Dabei kam dann auch heraus, dass etliche griechische Philosophen sogar den Umfang des Äquators nahezu exakt berechnet haben und sogar die Existenz von Amerika oder Australien wurde gemutmaßt. Die Gelehrten im Mittelalter haben sich natürlich der griechischen und lateinischen Schriften bemächtigt und sich auf diese Weise weitergebildet. Auf diese Weise war ihnen die Denkweise der alten Griechen durchaus bekannt.

Warum geht dann aber die Allgemeinheit der modernen Zeit davon aus, dass die Menschen im Mittelalter an eine Erde glaubten, die flach wie eine Scheibe ist? Woher kommt dieses Vorurteil?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich denke, es gab beide Meinungen. Dass die Menschen mal annahmen, die Erde sei eine Scheibe, ist ja unumstritten. Die Frage ist eben nur, wann sie damit aufhörten. Und das lässt sich doch nicht in einer Jahreszahl festhalten. Es geht dabei um Verhältnisse. Erst finden Wissenschaftler heraus, dass die Erde eine Kugel ist und verbreiten ihre Annahme. Und nach und nach sickert das nach unten zum "Fußvolk" durch. Zudem gibt es auch immer Wissenschaftler, die solche neuen Erkenntnisse ablehnen. Die gibt es heute noch, die gab es damals sicherlich auch. Und auch die hatten ihre Anhänger.

Im Nachhinein ist es sicherlich nicht ganz so einfach, die Verhältnisse der einen zu den anderen genau nachzuzeichnen. Geschichte ist oft keine exakte Wissenschaft, nicht alles lässt sich eindeutig beweisen, vieles ist Interpretationssache. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Interpretation, es seien damals eben mehr Menschen gewesen, sich lange gehalten hat. Bis neue Forschungen eben ergeben haben, dass es doch viel weniger waren. Solche Erkenntnisse brauchen eben auch Zeit.

Und es braucht auch Zeit, bis diese Erkenntnisse beim Fußvolk angekommen sind. Auch heute noch. Und bis dahin bringen es manche Eltern ihren Kindern eben falsch bei und so hält sich eine mittlerweile als falsch identifizierte Annahme eben länger als nötig.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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