Reinkarnation in Europa - ist das Christentum schuld?

Ich habe mich in letzter Zeit etwas intensiver mit dem Thema Reinkarnation beschäftigt. Anlass war eine Bekannte meiner Mutter, die behauptete, ihre kleine Tochter würde ab und an Dinge äußern, die darauf schließen ließen, dass sie sich an ein früheres Leben erinnert. Die Mutter ist sehr zaghaft mit diesen Äußerungen und hat auch keine Details erwähnt und möchte das ganze auch eher etwas unter der Decke halten, da sie Angst hat, dass man ihre Tochter oder sie selbst für verrückt erklärt. Auf jeden Fall aber bin ich durch diese Frau auf die Idee gekommen, mich etwas intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Dazu muss ich allerdings sagen, dass ich nicht an Reinkarnation glaube und auch nicht religiös bin, ich beschäftige mich ausschließlich auf wissenschaftlicher Ebene mit diesem Thema und habe dazu Bücher und Aufsätze von Wissenschaftlern zu Rate gezogen, die sich empirisch mit diesem Thema befasst haben.

Ian Stevenson, ein kanadischer Psychiater, war der erste, der sich auf wissenschaftlicher Eben auf der University of Virginia mit diesem Thema beschäftigt hat, seine Forschungen wurden später von anderen Wissenschaftlern weitergeführt, unter anderem von Jim B. Tucker. Die beiden haben auch eine Reihe von Büchern zu diesem Thema verfasst und es gibt inzwischen eine umfassende Datenbank, wo alle Fälle gesammelt und ausgewertet werden konnten. Dort wurde unter anderem besonders untersucht, welche äußeren Einflüsse das Kind jeweils hatte (z.B. Reaktion der Eltern und des Umfelds) und wie glaubhaft die Aussage ist, beispielsweise wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es sich um Betrug handelt. Dabei haben die beiden Forscher ausschließlich Fälle untersucht, wo Kinder in jungen Jahren begannen von einem früheren Leben zu reden oder Andeutungen zu machen (meist schon im Alter von 1 Jahr), Rückführungen Erwachsener waren für sie nicht interessant, da hier die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass es sich um Betrug handelt oder die Erwachsenen sich etwas einbilden.

Grundsätzlich gibt es den Glauben an die Reinkarnation auf der ganzen Welt, auf allen Kontinenten. Besonders verbreitet ist er in Asien, aber auch in Alaska. Europa bildet in dieser Hinsicht eine kleine Ausnahme, denn dort ist der Reinkarnationsglaube nicht so weit verbreitet, wie auf anderen Kontinenten. Ian Stevenson gibt als mögliche Ursache hierfür den Christentum an. Zwar war der Reinkarnationsglaube auch bei den alten Griechen verbreitet und sogar Pythagoras gab an sich an ein früheres Leben zu erinnern, aber die Christen distanzierten sich etwas von dem Glauben. Auch wurde während dieser Zeit natürlich auch jeder direkt auf dem Scheiterhaufen verbrannt, der sich in irgendeiner Art und Weise mit diesem Thema auseinander setzte. Dadurch, dass es über so lange Zeit ein Todesurteil war, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, kann es möglicherweise natürlich auch sein, dass das Thema hier weniger verfolgt wird, als in anderen Kulturen.

In Indien und anderen östlichen Gebieten ist es oft so, dass es als selbstverständlich angesehen wird. Ein Kind, welches bestimmte Merkmale aufweist (Geburtsmale die auf Verletzungen und die Todesursache des Verstorbenen hinweisen) und dem Verstorbenen vielleicht sogar noch ähnlich sieht (das muss aber nicht sein), ihn und andere auf Fotos identifizieren kann und sich an Fakten aus dessen Leben erinnert, wird als Reinkarnation dieser Person angesehen und das war es. Wenn es geht, sucht man die ursprüngliche Familie dieser Person, um ihr die gute Nachricht mitzuteilen, manchmal wird noch länger Kontakt mit dieser Familie gehalten. An sich aber ist es nichts besonderes dort und niemand macht eine Sensation daraus. Stevenson gibt sogar an, dass es eigentlich nicht möglich ist, dass es sich dabei um Betrug handelt, da in jedem dieser einzelnen Fälle ein sehr großes Umfeld an Personen an diesem Betrug beteiligt sein müsste.

Hier in Europa aber wird ein solcher Fall meist sehr unter der Decke gehalten. Eltern die ein Kind haben, welches behauptet, es habe ein früheres Leben und manchmal sogar direkt den Wunsch äußert, es wolle zu seiner ''echten Mutter'', versuchen dem Kind das meist auszureden und behalten solche Dinge für sich, wollen das Kind daran hindern es weiter zu erzählen, damit das Umfeld nichts davon erfährt. Oftmals wird man als verrückt oder psychisch krank erklärt, wenn man solche Dinge äußert, weswegen niemand sowas gerne zugibt. Dennoch gibt es auch in Europa, auch in Deutschland, einige aufgezeichneten Fälle von Personen, die sich an ein früheres Leben erinnern und manchmal konnte die frühere Persönlichkeit auch identifiziert werden.

Auch wenn ich eigentlich nicht an etwas wie eine Seele glaube, sondern mir wünsche, dass es bald eine wissenschaftliche Erklärung gibt, denke ich, dass es in Europa vermutlich ähnlich viele Fälle gäbe, wie auf anderen Kontinenten auch, nur es die Brutalität des Christentums nicht gegeben hätte. Auch die Tatsache, dass unser Land sehr realistisch ausgerichtet ist und sich gegen Spiritualismus sperrt, trägt dazu bei, dass Reinkarnation oft abgelehnt wird, auch wenn dies gar keine religiöse Erklärung haben muss. Denkt ihr, dass es möglich ist, dass es vermutlich auf der ganzen Welt ganz ähnlich viele Berichte über Reinkarnation gibt und diese in Europa lediglich wegen der religiösen Haltung in der Vergangenheit unterdrückt wurden? Oder ist das für euch generell Unsinn?

Ich kann mir das sehr gut vorstellen, dass du mit deinen Gedankengängen da nicht verkehrt liegst. Das Christentum hat halt den Himmel und die Hölle, eine Wiedergeburt ist eher nicht vorgesehen, zumindest nicht im positiven Sinne. In der Regel wächst somit doch jeder mit diesem Konzept auf, selbst wenn er nicht streng religiös ist. Gerade was einem in der Kindheit eingeimpft wird, wird man ja auch nicht so schnell wieder los.

Viele bleiben auch später eigentlich nur Christen, weil es einfach so ist, auch wenn sie an Religion kein großes Interesse haben. Eher wenige setzen sich mit anderen Möglichkeiten auseinander. Zumal man ja nicht einfach spontan sagt, ab heute bin ich Buddhist, sondern in der Regel wird man sich damit dann länger auseinandersetzen.