Weshalb haben Musicals mit schlechtem Ruf zu kämpfen?

Immer wieder werden Vorurteile gegenüber Musicals geäußert und die hatten zeitweise auch einen schlechten Ruf gehabt. Hat man beispielsweise einen Sänger gehört, der sehr theatralisch sang, hieß es hin und wieder, er könne auch ein Musical bestreiten. Dies wurde als recht negativ geäußert und da gestellt. Auch ich war Musicals gegenüber sehr skeptisch gewesen, aber seitdem ich dieses Jahr das erste Mal ein Musical hautnah miterlebt habe, war ich absolut begeistert. Ich würde allerdings auch nicht in jedes Musical gehen.

Woher aber kommen diese Vorurteile und der schlechte Ruf gegenüber eines Musicals? Habt Ihr diese auch oder steht Ihr ihnen offen gegenüber?

Über Musicals wird seit jeher die Nase gerümpft, weil es sich in den Augen vieler dabei nicht um "Kunst" handelt, sondern eher um ein massentaugliches Konsumgut, welches in erster Linie dem kommerziellen Erfolg dienen soll. Dabei bleiben Handlung, schauspielerische Fähigkeiten und künstlerischer Anspruch oft hinter Theaterdonner, billigen Schlagermelodien aus der Retorte und vielen bunten blinkenden Lichterchen zurück. Für etliche Kritiker sind Musicals mehr oder weniger die Rosamunde-Pilcher-Version von Theater.

Wenn man sich aber darauf einlässt, dass Musicals in erster Linie möglichst viele Menschen unterhalten und Spaß machen sollen, ist wiederum gar nichts Verkehrtes daran, wenn ein bisschen Realitätsflucht betrieben wird. Wenn man genauer hinschaut, haben viele Musicals sogar handfeste Bezüge zur Realität oder greifen Stoffe aus der klassischen Literatur auf, die dann eben mit großer Geste besungen werden. Musicaldarsteller müssen zudem nicht durchweg als Künstler "zweiter Klasse" angesehen werden. Viele gute bis sehr gute Sänger verdienen sich ihr Geld mit Musicals und arbeiten parallel dazu an eigenen Projekten und Ideen, die nicht immer nur seicht sein müssen.

Ich selber mag einige Musicals ganz gern und hüte mich davor, das Genre an sich als zweitklassig und kitschig zu verteufeln. Mein Respekt gilt durchaus den Schauspielern und Mitarbeitern, die sich ins Zeug legen, um dem Publikum Abend für Abend eine qualitativ hochwertige Show zu bieten. In meinen Augen sind viele Kritiker des zeitgenössischen Musicals einfach engstirnig oder halten sich für wunder wie elitär, weil sie "E-Musik" bevorzugen.

Ich habe mir über die Jahre eine ganze Reihe Musicals angeschaut, das erste war eine Kindervorstellung von "Cats". Natürlich ist das keine wirklich anspruchsvolle Unterhaltung, aber man kann sich das mit der ganzen Familie oder dem Freundeskreis anschauen, was bei einer Oper oder einer Shakespeare Aufführung halt nicht unbedingt der Fall ist.

Ich habe also keine Vorurteile, aber wenn ich in letzter Zeit Werbung für deutsche Musicals sehe habe ich schon öfters gedacht "muss man denn aus jedem Scheiß ein Musical machen?". "Udo Jürgens, das Musical", "Rambo, das Musical" oder was gerade beworben wird - "Das Wunder von Bern, das Musical" haben für mich einfach nichts mit Klassikern wie "Les Miserables" oder "Phantom of the Opera" zu tun. Ich würde tatsächlich lieber noch mal "Sweeney Todd" anschauen oder zum gefühlt hundertsten Mal "Rocky Horror Picture Show" als eines dieser Musicals.

Warum andere Leute Musicals allgemein nicht mögen kann ich natürlich schlecht beurteilen. Sicher spielt bei manchen ein gewisses elitäres Denken eine Rolle, genau wie sich früher die Opernliebhaber wahrscheinlich abfällig über Operetten geäußert haben. Vielleicht gibt es auch gewisse Darsteller, die wirklich übertrieben theatralisch auf der Bühne sind, und die dieses Vorurteil geprägt haben. Und natürlich gibt es auch wirklich schlechte und uninspirierte Musik in Musicals, die einem schon mal vergessen lässt, dass es Stücke aus Musicals gibt, die in den Charts waren und von zig Bands gecovert wurden.