Nur im Winter Mitleid mit Obdachlosen haben?

vom 02.10.2014, 06:22 Uhr

Gerade habe ich kurz fern gesehen und dort kam ein Bericht zum Thema Obdachlosigkeit. Von mehreren Seiten wurde in dem Bericht erwähnt, dass die Menschen wohl mehr Mitleid mit Obdachlosen haben, wenn es draußen kalt ist, im Sommer hält sich das Mitleid so in Grenzen. Ich muss sagen mir tun Obdachlose generell leid, weil sie doch sehr gescheitert im Leben sind und kaum noch Möglichkeiten haben wieder ins Leben zu finden, wenn sie erst mal in diesem Trott sind. Jahreszeiten machen da keinen Unterschied. Wie sieht das bei euch aus?

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Grundsätzlich ist das Leben als Obdachloser nicht beneidenswert. Dahinter stecken tatsächlich oftmals gescheiterte Existenzen, Krankheit und sehr viel Leid. Also natürlich habe ich ganz grundsätzlich Mitleid mit Obdachlosen. Aber im Winter kommen eben noch viele zusätzliche Probleme hinzu, die es im Sommer nicht gibt. Es ist sicherlich sehr viel unangenehmer bei Minus 10 Grad draußen zu schlafen als bei Plus 20 Grad. Immerhin sterben auch jeden Winter einige Obdachlose einfach wegen dem Wetter. Also mein Mitleid erhöht das schon.

Also ich würde nicht sagen, dass sich das Mitleid im Sommer in Grenzen hält. Das klingt sehr hart. Auch bei 25 Grad und Sonnenschein sind die Menschen immer noch ohne Bleibe, ohne Hoffnung auf Verbesserung, ohne ausreichende Gesundheitsvorsorge und so weiter. Obdachlos ist ja nicht nur wörtlich zu verstehen, dass man eben alles hat nur kein regendichtes Dach.

Aber im Winter potenzieren sich die Probleme eben enorm. Neben den sozialen und emotionalen Schwierigkeiten kommen dann eben noch diese rein körperlichen, wetterbedingten Probleme hinzu. Praktisch als i-Tüpfelchen. Ich denke, da haben es Obdachlose in wärmeren Ländern schon ein kleines bisschen besser. Wenigstens müssen sie nicht frieren, wenigstens fehlt dieses nervige, gesundheitsgefährdende i-Tüpfelchen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Eigentlich hast du Recht, auch im Sommer oder in anderen Jahreszeiten können obdachlose Menschen frieren oder eben auch anderen Gefahren ausgesetzt sein. Das Leben ist nicht so einfach und es kommt immer wieder zu Konflikten. Nur im Winter frieren die meisten Menschen und wenn sie frieren dann fällt ihnen auf, wie sehr wohl andere Menschen frieren müssen, die kein Zuhause haben und sich vielleicht keine dicke Jacke leisten können. Wer das ganze Jahr über keine Hilfsbereitschaft für Obdachlose zeigen möchte, kann es sich wenigstens im Winter anders überlegen. Auch wenn es nur zwanzig Cent sind, die man in den Pappbecher schmeißt.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9228 » Talkpoints: 24,02 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich habe da gar kein Mitleid, da niemand in diesem Land auf der Straße leben muss. Selbst wenn man dort gelandet ist, gibt es Wege zurück zu Wohnraum und zumindest Arbeitslosengeld II. Nur wenn diese Leute diese Möglichkeiten nicht nutzen wollen, dann kann ich sie auch nicht bemitleiden. Zumal es ja auch nicht soweit kommen muss, dass man auf der Straße landet. Bevor das passiert, muss man schon einige Dinge über eine sehr lange Zeit ignoriert haben.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht so viel Mitleid mit Obdachlosen habe. Immerhin muss in Deutschland einfach niemand auf der Straße leben. Auch dann, wenn man arbeitslos ist und Schulden hat, wird man vom Staat unterstützt und bekommt eine Wohnung. Auch wenn es vielleicht nicht unbedingt eine luxuriöse Wohnung ist, bekommt man dennoch eine Bleibe und niemand muss in Deutschland auf der Straße leben. Ein Dach über dem Kopf bekommt jeder und Möglichkeiten, sich bei der Tafel günstig mit Lebensmitteln und Getränken einzudecken, sind auch da. Somit ist für die Grundbedürfnisse auf jeden Fall gesorgt und niemand muss in Deutschland verhungern oder erfrieren.

Normalerweise ist es aber einfach so, dass die Menschen, die obdachlos sind, zu stolz sind, um sich Hilfe beim Amt zu holen. Ich habe schon oft davon gehört, dass sie gesagt haben, dass sie lieber auf der Straße wohnen würden, als sich Hilfe zu holen. Das würde an ihrem Stolz nagen und lieber würden sie sich dann eben alleine durch kämpfen.

Dafür habe ich dann jedoch kein Verständnis und ich wüsste nun nicht, weshalb ich mit diesen Menschen Mitleid haben sollte, wenn sie für ihr Schicksal doch selbst verantwortlich sind. Sie haben doch jederzeit die Möglichkeit, sich Hilfe zu holen, was sie jedoch nicht wollen. Von daher hält sich mein Mitleid auch in Grenzen. Ich denke mir dann immer, dass diese Menschen ihr Schicksal auch irgendwo akzeptieren und nichts dagegen tun wollen und da habe ich dann kein Mitleid. Irgendwo muss ja auch der Stolz aufhören und der gesunde Menschenverstand anfangen, was jedoch bei den meisten Obdachlosen nicht der Fall ist.

Dass man eher Mitleid im Winter hat, ist ja auch völlig klar. Immerhin ist es im Winter eindeutig kälter, als im Sommer. Somit besteht natürlich auch die Gefahr, dass man erfriert, was im Sommer eher unwahrscheinlich ist. Im Winter besteht die Gefahr jedoch durchaus und es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass man an der Kälte stirbt oder dass einem einzelne Körperteile erfrieren. Und auch wenn das nicht passieren sollte, dann ist es dennoch extrem unangenehm und schlimm, bei den Temperaturen draußen sein zu müssen. Immerhin kann man auch kaum schlafen, wenn einem so kalt ist.

Zu der Kälte kommt dann auch noch dazu, dass es im Winter oftmals sehr nass ist und oftmals verhindert der Schnee dann auch, dass man sich einfach auf eine Parkbank setzen kann. Außerdem kann man sich dann vielleicht auch keine Früchte sammeln, was die Situation natürlich im Winter ganz besonders schwer macht. Das ist ja gar kein Vergleich zum Sommer und von daher kann ich es wirklich gut verstehen, dass einige Menschen besonders viel Mitleid mit den Obdachlosen im Winter haben.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Mir tun obdachlose Mensch zu jeder Jahreszeit leid. Im Sommer in der Hitze ist es auch furchtbar, wenn ein Mensch kein kühles Zimmer hat, wenn er nicht gerade so mal sich frisch machen kann, keinen Kühlschrank und keine Dusche hat. Nachts anderen ausgeliefert ist, eine Parkbank selbst in der Sommerzeit kein weiches Bett.

Ich habe erlebt das viele Obdachlose durch Scheidung oder durch Alkoholprobleme ihren Arbeitsplatz zuerst verloren, dann ihre Wohnung. Traurig ist das gerade in unserer Zeit so viele sehr junge Leute obdachlos sind. Was mag da der gravierende Grund sein? Es ist oft Ärger mit den Eltern, Rausschmiss, abgebrochene Schule/Ausbildung.

Wenn ich in Mannheim/Heidelberg/Ludwigshafen Obdachlose sehe, stelle ich mir oft die Frage: Haben diese Menschen keinen einzigen Verwandten? Warum hilft denen keiner? Wie war ihr Leben bevor sie ins soziale Abseits kamen? Haben sie Kinder? Welchen Beruf haben sie gelernt? Wie war die Kindheit von Obdachlosen? Aufgewachsen im Heim oder in einem gewöhnlichen Elternhaus? Wie konnte es so weit kommen?

Heutzutage ist es besonders schlimm, denn auch Obdachlose wurden schon Opfer von Gewalttätern und Mördern. Es ist wichtig das die Städte und Gemeinden dem Schicksal Obdachloser nicht gleichgültig sind.

Was ich schlimm finde, wenn ich einem Obdachlosen Geld gebe und dieser darf es nicht behalten,sondern muss es anderen weitergeben (ist leider oft der Fall bei rumänischen Gruppen, welche andere Menschen zum Betteln schicken und dann abends bei ihnen abkassieren).

» KnechtAlfred » Beiträge: 24 » Talkpoints: 6,76 »


Punktedieb hat geschrieben:Ich habe da gar kein Mitleid, da niemand in diesem Land auf der Straße leben muss. Selbst wenn man dort gelandet ist, gibt es Wege zurück zu Wohnraum und zumindest Arbeitslosengeld II.

Ja, es gibt Wege zurück. Nur sind für viele Obdachlose die Hürden schlichtweg zu hoch. Aktuell wüsste ich nur eine Initiative, die nur wenige Anforderungen stellt und den Menschen die Zeit lässt, die sie benötigen. Alle anderen erwarten, dass man in riesigen Schritten zu einem wertvollen Mitglied der Gesellschaft oder unter Betreuung gestellt wird.

Nehmen wir meine Stadt. Wenn man hier wohnungslos wird, gibt es ein Bett in der Notschlafstelle. Wir haben fast 500.000 Einwohner und ein Bett für Frauen! Mit Hund bleibt man draußen, oder man gibt den Hund weg. Das Bett gibt es nur für eine Nacht, beziehungsweise bis die Beratungsstelle geöffnet hat, also maximal von Freitag bis Montag.

In der Beratung wird man bedrängt, in irgendein betreutes Programm zu gehen. Dann hat man einen straffen Stundenplan und eine Wohngruppe. Einen Schein für das Hotel ergattert man nur schwer und immer nur für 3 Tage. Wer dann nicht innerhalb von 4 Wochen eine Wohnung hat, steht wieder auf der Straße. :wall:

» cooper75 » Beiträge: 13375 » Talkpoints: 509,11 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Mir tun die Menschen auch generell leid, die immer auf der Straße leben. Im Sommer ist es sicherlich auch oft unerträglich heiß und man muss da auch einen kühlen Rückzugsort finden. Im Winter ist es aber sicherlich nochmal schlimmer.

Es sollte einfach nicht sein, dass Menschen auf der Straße leben müssen. Aber so wie Cooper schreibt, habe ich es auch schon mehrfach gehört. Das es den Obdachlosen eben alles andere als einfach gemacht wird, wieder ein normales Leben zu führen.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Ich bin doch erstaunt, was hier für Aussagen kommen. Euch ist wohl nicht klar, dass der Staat nicht alles unterstützt und finanziert und manche durchaus keine andere Chance haben als auf der Straße zu bleiben. Gut inzwischen ist es ein wenig anders, da jeder den Anspruch auf ein Konto bei der Bank hat. Vorher war das nicht der Fall und wenn man kein Bankkonto hat, dann gibt es weder Geld vom Staat noch eine Wohnung und du bist durch das Netz gefallen. Ohne Konto auch keine Krankenversicherung, keine Anmeldung beim Arbeitsamt und Co. Ohne festen Wohnsitz bekommst du auch keinen Ausweis, mit dem du das beantragen könntest.

Es gibt genug Beispiele die das belegen und eines habe ich davon im direkten Umfeld. Pleite gegangen durch die eigene Firma, Frau weg, Haus weg alles weg. Konten wurden gesperrt und damit Feierabend, Private Krankenversicherung auch alles hinüber. Gesetzliche Kasse musste dort nicht annehmen und ein Konto bei einer Bank hat er ebenfalls nicht bekommen. Obdachlosenheim kannst du nur eine Nacht bleiben mal auch zwei, da wird dir dein letztes Hab und Gut geklaut und du wirst wenn du Pech hast noch Krankenhausreif geschlagen, denn da passt niemand auf dich auf. Von daher ziehen es doch viele eher vor auf der Straße zu sein, denn da hat man die falsche Sicherheit eben nicht die man sich von dem Obdachlosenheim erhofft.

Erst als die Änderung gekommen ist, dass jeder wieder Anspruch auf ein Bankkonto hat konnte er eines machen und damit auch die Anträge vom Staat stellen. Wohnung gab es keine, kein Wohnraum vorhanden dafür und bezahlt wird auch nichts. Er konnte damit Arbeitslosengeld 2 beantragen, mehr auch nicht und ALG 1 Anspruch bestand nicht, da er nicht eingezahlt hatte als Selbstständiger. Aber bis das soweit war, lebte er gute 5 Jahre auf der Straße und bettelte sich sein Essen zusammen, verdiente hin und wieder mit Schwarzarbeit etwas dazu damit es zum Futtern reicht.

Krankenkasse auch Pustekuchen, aus der Privaten geflogen weil er nicht zahlen konnte und die gesetzlichen Kassen haben jetzt immer noch genug Schlupflöcher diese Wiederkehrer abzulehnen oder nur im Basis Tarif zu versichern, heißt aber auch keine kostenlose medizinische Versorgung bei allem, sondern nur im akuten Notfall. Gehst du mit Husten zum Arzt, dann folgt die Privatrechnung dafür. Nur ist das den meisten unbekannt, die einfach nur das von sich geben was sie mal gehört haben anstatt sich intensiver mit dem Thema zu befassen. Dieses tolle soziale Netz hier, da kann jeder durchfallen und es ist noch nicht einmal sonderlich schwer.

Mitleid habe ich so oder so nicht, mit niemanden und keinem. Denn in der Regel ist man selbst daran Schuld wenn man auf der Straße landet. Hier war es auch die Firma die bis zuletzt gehalten worden ist und damit halt auch noch der letzte Rest weg war, anstatt vorher mal einen Strich zu ziehen und das zu beenden. Abgezeichnet hatte sich das lange vorher schon, alle Ratschläge wurden ausgeschlagen und das war im Endeffekt die Quittung für die vorher getroffenen Entscheidungen und ganz ehrlich, ich sehe mich da auch nicht als den Versorger derjenigen, die vorher unbelehrbar waren. Zudem auch nicht jeder Obdachlos ist der sich als dieses ausgibt, da es auch Banden gibt die an der Ecke sitzen und Betteln und abends in ihr kuscheliges Bett kriechen und das nur spielen.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Ich verstehe nicht, was es irgendjemandem bringen sollte, dass ich Mitleid mit ihm oder ihr habe. Mitgefühl, sprich, genug Grips in der Birne, um zu verstehen, dass ein Leben auf der Straße mindestens anstrengend ist und im Idealfall die daraus resultierende Bereitschaft, sinnvoll zu helfen, oder die Betroffenen zumindest nicht wie den letzten Dreck zu behandeln, gehört, wie ich finde, zur Werkseinstellung eines psychisch normalen Menschen. Aber Mitleid ist in meinen Augen eine billige Emotion, durch die man sich als guter oder "besserer" Mensch fühlen kann und glauben, dass man alleine durch ein beiläufig gedachtes "Die arme Sau" schon seine Bürgerpflicht getan hat und weitere Aktionen nicht nötig sind.

Von daher kann ich von mir nicht behaupten, dass ich Mitleid mit Obdachlosen, oder Behinderten, oder generell mit Leuten habe, denen es schlechter geht als mir. Davon kann sich niemand etwas abbeißen, und ich würde ja auch nicht wollen, dass mich jemand bemitleidet, weil ich aus der Arbeiterschicht komme, meinen Lebensunterhalt selber verdienen muss oder keinen einzigen Klimmzug schaffe.

Was Obdachlose an sich angeht, ist mein vorherrschendes Gefühl eher Hilflosigkeit. Mitleid ist für mich nichts anderes als schlecht verbrämte Herablassung, Verachtung haben die Leute auch nicht verdient, konkret helfen kann ich ihnen nicht, und dass es sommers wie winters kein Spaß ist, sich auf diese Art durchs Leben zu schlagen, sagt mir mein gesunder Menschenverstand. Ich bin auch nicht arrogant genug, mich hinzustellen und zu behaupten, dass die Leute alle selber schuld sind oder dass sie sich nur waschen und rasieren zu bräuchten, dann bekämen sie schon einen Job.

Psychische Krankheiten können Leute völlig fertigmachen, und das "soziale Netz" ist bei weitem nicht so eng gespannt, wie wir das gerne hätten, wie Sorae schon erläutert hat. Wenn man wirklich nur auf staatliche Hilfe angewiesen ist, krank und/oder süchtig ist und weder Familie noch Freunde hat, die einen durchfüttern, steht jeder von uns recht schnell auf der Straße. Deswegen maße ich mir nicht an, es den Leuten vorzuwerfen, dass sie ihr Leben wohl nicht auf die Reihe gekriegt haben. Aber vom Wetter abhängiges Mitleid erscheint mir auf ungefähr fünf verschiedene Arten sinnlos.

» Gerbera » Beiträge: 11313 » Talkpoints: 47,96 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


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