Generationen übergreifender Alkoholismus: Eine Ausnahme?

vom 29.09.2014, 20:10 Uhr

Nachdem ich vorhin hier einen Thread über eine Freundin, die derzeit so ihre Sorgen mit ihrem Partner hat, geschrieben hatte, fiel mir wieder eine andere Angelegenheit ein, die schon ein paar Jährchen her ist. Auch da war es eine Freundin, die einen Mann kennengelernt hatte, und mir dann eben ihr Leid klagte. Letztendlich beendete sie die Beziehung auch, ziemlich schnell sogar, aber was sie vorher erzählte, das spukte mir dann auch noch eine ganze Weile im Kopf umher.

Und zwar war es damals wohl so, dass sie einen Mann kennenlernte, der ihr auch sehr sympatisch vorkam. Sie haben sich dann in der Kennenlernphase gerne mal am Wochenende abends zusammen in einer Bar getroffen. Dabei wurde dann eben mal Wein oder ein oder zwei Cocktails getrunken, was sie zu so einem Anlass und am Samstagabend oder Freitagabend auch nicht so ungewöhnlich oder beunruhigend fand.

Als sie sich dann häufiger, auch mal abends nach der Arbeit wochentags, trafen, und der Mann dann zuhause wohl auch immer Cognac oder Wein trank, fand sie das schon bisschen fragwürdig, wollte aber wohl noch keine Schlüsse ziehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass man sich dafür auch noch irgendwelche Begründungen ausdenkt, gerade, wenn man in die Person verliebt ist und alles positiv sehen will. Ich muss zugeben, so würde es mir persönlich vielleicht auch gehen, obwohl ich ja selbst Alkohol gegenüber doch überdurchschnittlich kritisch eingestellt bin.

Dann jedenfalls hatte die Freundin aus verschiedenen Gründen finanziell einen Engpass. Unter Anderem lief ihr alter Nebenjob neben dem Studium aus, sie fand nicht rechtzeitig einen neuen, und so weiter. Sie plante dann, in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Weil es sich anbot, zog sie dann kurzerhand bei ihrem Freund, mit dem damals wohl alles noch ganz okay lief, ein. Sie hat mir erzählt, dass sie selbst Bedenken hatte, nach nicht einmal einem ganzen Jahr Beziehung schon zu jemandem zu ziehen. Aber in dem Moment bot sich das wohl an.

Dann soll es aber auch schon angefangen haben, dass ihr Partner immer häufiger und immer mehr Alkohol getrunken habe. Sobald es irgendwie "Stress" gab, sei es auf Arbeit, oder weil sie mal eine Meinungsverschiedenheit hatten, habe er sich sofort Cognac eingeschenkt, später auch Wodka. Insgesamt machte er wohl auch immer mehr fragwürdige Äußerungen über Alkohol und verharmloste Alkoholismus extrem.

Und da komme ich zu dem Punkt, den ich bei diesem Gespräch sehr erhellend fand: Sie erzählte mir, was sie erlebt hat, als sie das erste Mal die Eltern ihres Freundes besucht hatte. Auch da sei es von früh bis spät nur um Alkohol gegangen, andauernd hätten die Eltern Wein, aber auch Hochprozentiges, getrunken. Und nachdem sie dann sogar auch mal die Großeltern ihres Freundes mit ihm zusammen besuchte, die etwas weiter entfernt wohnten, bot sich ihr haargenau dasselbe Bild: Große Alkoholvorräte, Alkoholflaschen in tatsächlich allen Zimmern des Hauses, mal abgesehen von der Toilette, und viele fragwürdige Sprüche über Alkohol musste sie sich während ihres Aufenthaltes auch anhören.

Die Beziehung gibt es nicht mehr, aber als ich das erfuhr, fragte ich mich schon: Ist Alkoholismus eigentlich eine Erkrankung, die in bestimmten Familien gehäuft auftritt? Bekommen Kinder, die alkoholkranke Eltern haben, zwangsläufig selber ein fragwürdiges Bild von Alkohol? Werden sie dann wahrscheinlich selbst irgendwann zu Alkoholikern? Liegt das dann am schlechten Vorbild der Eltern, oder ist es denkbar, dass das Aufwachsen bei Alkoholikern einfach traumatisierend wirkt und die Kinder dann aufgrund seelischer Erkrankungen auch wieder eher gefährdet sind, zu Drogen zu greifen?

Andererseits kann ich mir aber auch gut vorstellen, dass es Menschen gibt, die vom Alkoholismus ihrer Eltern so abgeschreckt sind, dass sie selbst Alkohol wirklich verabscheuen und daher in ihrem späteren Leben gar keinen mehr anrühren. Das dürfte sicher auch von Mensch zu Mensch verschieden sein. Aber was kommt häufiger vor, und warum: Dass Alkoholismus in die nächste Generation "übernommen" wird, oder eher, dass die Kinder und Enkel Alkohol kritisch gegenüber eingestellt sind?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Bei deinem geschilderten Beispiel, da scheint sich ja wirklich der Hang zum Alkohol, von den Großeltern bis hin zu den Enkeln, wie ein roter Faden durchzuziehen. Wenn man solch einen Alkoholkonsum von Kindheit an vorgelebt bekommt, sehe ich schon auch die Gefahr dass Alkoholismus von Generation zu Generation weitervererbt werden kann.

Da spielen sicherlich noch andere Faktoren mit rein und solch ein Werdegang ist bestimmt nicht zwingend, aber die Wahrscheinlichkeit würde ich mal schon mit etwa 70% beziffern.

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» friedchen » Beiträge: 1313 » Talkpoints: 940,10 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Dass ein Kind in einer solchen Familie mit einem verzerrten Bild von Alkohol und dem passenden Konsum aufwächst, ist klar. Das prägt, das beeinflusst einen. Aber Alkoholismus hat eine genetische Komponente. Diese Krankheit ist vererbbar.

Das hängt damit zusammen, wie ein Körper den Alkohol verarbeitet. Speziell das Dopamin, das dabei ausgeschüttet wird, spielt eine Rolle. Das ist nicht bei jedem gleich. Daher "mögen" manche Leute Alkohol einfach lieber als andere, weil der Rausch ein anderer ist; weil der Rausch sie glücklicher macht als andere. Und die individuelle Art und Weise, Alkohol zu verarbeiten, wird genauso vererbt wie andere körperliche Eigenschaften auch.

Die Vermutung liegt nahe, dass das bei allen Drogen so ist, aber bei Alkohol ist es wirklich bewiesen. Vor allem Untersuchungen mit Adoptivkindern haben das belegt. Ein Kind von alkoholabhängigen Eltern, dass seine Eltern nie kennengelernt hat und bei nicht alkoholabhängigen Adoptiveltern aufwächst, hat dennoch eine sehr viel höhere Wahrscheinlichkeit, Alkoholiker zu werden.

Während andere Jugendliche aus der Probierphase als Menschen herausgehen, die ab und zu mal einen Wein oder ein Bier trinken, werden aus Jugendlichen mit der genetischen Veranlagung Menschen, die aus der Probierphase nie hinaus kommen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Bienenkönigin hat geschrieben:Aber Alkoholismus hat eine genetische Komponente. Diese Krankheit ist vererbbar.

Aber es ist nicht nur die genetische Komponente, was den Alkoholkonsum bzw. die Neigung zum Alkoholkonsum angeht. Mein Onkel beispielsweise war mehrere Jahrzehnte Alkoholiker und es hat sich herausgestellt, dass sein Vater, den ich nie kennengelernt habe, auch Alkoholiker war. Wie lange das der Fall war, weiß ich jedoch nicht.

Hinzu kommt, dass mein Onkel schwer depressiv war und deswegen getrunken hat. Er hat wohl einiges in seiner Kindheit gesehen und erlebt, was er nie so wirklich verarbeiten konnte. Wie das bei seinem Vater war weiß ich nicht. Aber mir ist beispielsweise schon aufgefallen, dass Depressionen in gewissen Teilen der Verwandtschaft häufiger vorkommen. Möglicherweise ist bei solchen Menschen Alkohol ein Mittel zum Zweck, um die negativen Gedanken loszuwerden. Die Anfälligkeit und Neigung zu Depressionen wird ja auch weitervererbt. Möglicherweise gibt es da einen Zusammenhang.

Ich habe nur Angst um meinen Cousin, er wäre so gesehen die dritte Generation von der ich weiß, die von diesem Alkoholkonsum betroffen wäre. Er ist mittlerweile fast 16 und experimentiert zur Zeit gerne mit Alkohol. Ich hoffe wirklich, dass er es nicht übertreibt und er von diesem Alkoholismus verschont bleibt.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Olly173 hat geschrieben:Aber es ist nicht nur die genetische Komponente, was den Alkoholkonsum bzw. die Neigung zum Alkoholkonsum angeht. Mein Onkel beispielsweise war mehrere Jahrzehnte Alkoholiker und es hat sich herausgestellt, dass sein Vater, den ich nie kennengelernt habe, auch Alkoholiker war. Wie lange das der Fall war, weiß ich jedoch nicht.

Natürlich sind die Gene nicht der einzige Faktor. Als Kind alkoholabhängiger Eltern hat man nur eine erhöhte Wahrscheinlichkeit. Die liegt aber natürlich nicht bei 100 Prozent. Und auch Kinder von nicht alkoholabhängigen Eltern können Alkoholiker werden.

Aber mir ist beispielsweise schon aufgefallen, dass Depressionen in gewissen Teilen der Verwandtschaft häufiger vorkommen. Möglicherweise ist bei solchen Menschen Alkohol ein Mittel zum Zweck, um die negativen Gedanken loszuwerden. Die Anfälligkeit und Neigung zu Depressionen wird ja auch weitervererbt. Möglicherweise gibt es da einen Zusammenhang.

Es gibt bestimmt einen Zusammenhang zwischen Depressionen und Alkoholismus. Das zeigt allein schon die Statistik, wie viele Menschen unter beidem leiden. Die Frage ist, ob es genetisch zusammenhängt. Oder ob man, wenn man depressiv ist, dies einfach gerne mit Alkohol betäubt. Aber mir persönlich wäre das Warum egal. Wenn man Depressionen hat, sollte man sich von Alkohol fernhalten. Sonst wird es nur schlimmer. Aber das ist natürlich leichter gesagt als getan.

Ich habe nur Angst um meinen Cousin, er wäre so gesehen die dritte Generation von der ich weiß, die von diesem Alkoholkonsum betroffen wäre. Er ist mittlerweile fast 16 und experimentiert zur Zeit gerne mit Alkohol. Ich hoffe wirklich, dass er es nicht übertreibt und er von diesem Alkoholismus verschont bleibt.

Wenn das möglich ist, solltest du mit ihm mal darüber reden. Die wenigsten wissen von dieser genetischen Prädisposition. Sie denken, jeder ist gleich gefährdet, an Alkoholismus zu erkranken - wenn sie Alkoholismus überhaupt als Krankheit ansehen und nicht einfach nur als Schwäche. Dein Cousin muss wissen, dass es für ihn sehr viel schwieriger werden könnte, den Alkohol wieder sein zu lassen als für seine Freunde. Du musst ihm ja keinen moralischen Vortrag halten, aber er sollte darüber Bescheid wissen. Denn nur wenn er es weiß, kann er das in seine Entscheidungen miteinfließen lassen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Meine Großeltern mütterlicherseits waren beide Alkoholiker und haben das nahtlos an die Kinder weitergegeben, alle hatten damit zu kämpfen, bis auf meine Mutter, diese war aber sehr anfällig für andere Süchte. Meiner Meinung nach wird eine Veranlagung vererbt und was man dann daraus macht, muss man selber sehen. Wobei es auch schwer ist ein anderes Leben zu führen, wenn man es immer nur so gesehen hat.

Es ist sehr schwer, wenn man als Kind keine andere Lösung für Probleme angeboten bekommt, sondern eben nur als Lösung Alkohol sieht. Das ist dann auch die leichte Variante, wenn man es später nicht anders macht, aber auch ein lebenslanger Kampf, wenn man sich dagegen wendet. Meine Familie hat es mittlerweile komplett im Griff, worauf ich sehr stolz bin.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich kenne einige Familien, wo der Griff zum Alkohol in mehreren Generationen zur Normalität gehört. Gerade wenn es um hochprozentige Dinge geht, sind da eben die Kinder damit aufgewachsen, dass es zum Leben gehört wie Brot und Butter. Sie kommen nicht nur über Beobachtung mit dem Alkohol zusammen, sondern konsumieren ihn wesentlich früher selbst und damit ist der Weg mehr oder weniger vorgezeichnet.

Das es nun auch genetisch bedingt sein kann, weiß ich nicht. Aber ich denke einfach, dass das tägliche Leben mit Alkohol mehr prägt, als ein Gene. Ähnliches kann man ja auch beobachten, wenn Kinder mit viel Gewalt aufwachsen. Für sie sind dann Schläge auch normal und sie werden so ausgeteilt, wie man sie früher einstecken musste. Oder man findet sich auch als Erwachsener in der Opferrolle wieder, so wie man es anerzogen bekommen hat. Aber ein Schlägergen gibt es wohl deswegen nicht, oder?

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich denke nicht, dass die genetische Komponente der Hauptgrund dafür ist, dass die Alkoholsucht über Generationen weitergegeben wurde. Sicher gibt es einen vererbbaren Hang zur Suchtkrankheit, aber die Kindheit ist viel prägender. Wenn man als Kind in einer Alkoholikerfamilie aufwächst, bekommt man ein falsches Bild von der Problemlösung. Das Kind lernt von klein auf, das es in Ordnung ist, wenn man bei Problemen Alkohol trinkt um diese zu vergessen oder zu verdrängen.

Ich glaube nicht, dass ein Kind automatisch Alkoholiker wird. Wenn so ein Kind trotzdem noch Menschen hat, die im andere Lösungswege aufzeigen und es in dieser schweren Situation nicht alleine lassen, dann hat das Kind gute Chancen selbst nicht Alkoholabhängig zu werden, sondern ein normales Leben zu führen.

» JadeC » Beiträge: 677 » Talkpoints: 1,71 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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