Allwissende Erzähler im zeitgenössischen Roman verpönt?
Ich habe gerade einen Schreibratgeber durchgelesen. Darin wird Autoren empfohlen, nicht mehr auf den allwissenden Erzähler zurück zu greifen, wenn man einen Roman verfasst. Der Grund den der Autor anführt ist relativ einfach und eigentlich gut nachvollziehbar. Sinngemäß hat er zwei Kritikpunkte an dieser Erzählperspektive vorzubringen:
Erstens ist die Perspektive wohl einfach altmodisch. Die Blütezeit, wo viele Autoren sie verwendet haben, ist wohl schon im achtzehnten Jahrhundert gewesen. Daher sollte man heute nicht mehr so schreiben, weil der Roman dann nicht modern klingt. Zudem wolle der Leser heute nicht mehr wie damals bevormundet werden, indem der Erzähler ihm alles schon fertig interpretiert und durchschaut auf dem Silbertablett serviert.
Zweitens ist die moderne Zeit so kompliziert und vielschichtig geworden, dass es gar nicht mehr glaubhaft sei, dass ein Erzähler allwissend sein könne. Auch daher greift wieder sein Argument, dass diese Perspektive von gestern ist und heute gemieden werden solle.
Ich sehe das nur bedingt so. Wie seht ihr so einen Ratschlag? Teilt ihr die Meinung des Ratgeberautors? Oder seht ihr das eher kritisch wie ich? Und findet ihr, dass die Zeiten je so simpel waren, dass es allwissende Erzähler glaubwürdig gegeben haben könnte? Oder ist die menschliche Emotionswelt nicht eher zu allen Zeiten schon vollkommen undurchsichtig gewesen? Fallen euch vielleicht sogar moderne Romane ein, die trotz oder gerade wegen einem allwissenden Erzähler sehr erfolgreich geworden sind? Und meint ihr, dass das am Erzähler liegt?
Als Leseratte empfinde ich den allwissenden Erzähler nicht als altmodisch, auch möchte ich diesen nicht aus der heutigen Zeit ins Exil verbannen. Freilich gibt es sicherlich auch viele Romane, welche nur aus einer bestimmten Perspektive erzählt werden und man muss sich den Rest denken. Auch verstehe ich die Kritik, wenn man gerade in diesem Erzähl-Stil, Gedankensprünge macht und den Erzähler urplötzlich zum Allwissenden erklärt, obwohl es von der Logik schier unmöglich ist.
Wenn zum Beispiel eine Person alleine unterwegs ist, bevor sie kurz darauf stirbt, so kann eine andere Person, die nicht dabei gewesen sein kann, nur unglaubwürdiger Weise Details über die letzten Momente vor dem Ableben wiedergeben. Man müsste hinzufügen, dass diese Infos aus dem Obduktions-Bericht oder sonst woher erfahren wurden.Handelt es sich beim allwissenden Erzähler um einen neutralen "Beobachter", die nicht in die Handlung einbezogen ist, so kann man natürlich viele Details wiedergeben, welche sich ereignen.
Mich nerven bei manchen zeitgenössischen Selfpublisher-Autoren die ständigen Perspektivwechsel. Scheinbar hatten sie sich ursprünglich dazu entschlossen aus einer Sicht zu schreiben, um dann zu merken, dass dies nicht ohne weiteres möglich sei, wenn sie auch noch Details aus der Sicht der anderen Figuren mitteilen möchten. Das kommt dann alles recht willkürlich und unprofessionell rüber und auf Dauer verliere ich das Interesse an solchen Erzählungen. Dann hätte ich lieber eine klare Linie eines allwissenden Erzählers.
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