Bekommt man beim Altwerden einen neuen Musikgeschmack?
Alte Leute tendieren eher dazu, Schlager und Volksmusik zu hören. Jüngere hören eher Charts-Musik und was halt gerade "in" ist, also beispielsweise vor einigen Jahren eine Menge Gangster-Rap. So sieht es jedenfalls mehrheitlich aus. Ausnahmen existieren aber natürlich immer, seien es Metal oder Rap hörende Omis oder auch Jugendliche, die sich über Hansi Hinterseer freuen. Ich finde das auch nicht weiter schlimm, jeder kann ja ruhig mögen, was er oder sie möchte, finde ich.
Was ich mich aber nun doch gefragt habe, ist, ob der Musikgeschmack sich bei vielen alten Menschen noch einmal radikal ändert? Auch, wenn ich bisher dachte, dass der andauernde Wechsel der Lieblingsmusik eher eine Teenie-Sache sei und man mit dem Erwachsenwerden oft einen relativ festen Geschmack entwickelt: Dass alte Leute alle von Anfang an Volksmusik und Schlager mochten, ist doch auch nicht vorstellbar, oder? Wäre es also denkbar, dass alte Leute irgendwie erst zu dieser Musik hin finden, auch, wenn sie in ihrer Jugend vielleicht noch Rock'n'Roll, Hippie-Musik oder meinetwegen auch Jazz oder Blues gehört hatten?
Wenn ja, woher kommt das, dass im Alter plötzlich Schlager beliebt werden, wenn man vorher Jahrzehnte lang ganz andere Musik mochte? Ist es denkbar, dass die heute Hip Hop oder R'n'B hörende Jugend in 50 Jahren plötzlich Volksmusik und Schlager-Schnulzkram hört? Wie ließe sich das erklären?
Ehrlich gesagt, für mich selbst ist das irgendwie schwer vorstellbar. Ich finde diesen Heile-Welt-Schlager-Kram grauenvoll. Schlager würde ich vermutlich nicht einmal in einem schwer alkoholisierten Zustand ertragen können. Aber ich höre meine Lieblingsmusik ja auch nicht, um der Masse zu entsprechen, oder aus irgendeinem pubertären Rebellions-Grund heraus. Sondern ganz einfach, weil ich sie mag. Wieso sollte sich das später irgendwann mal radikal ändern?
Andererseits: Mein alter Vater hört auch noch gerne Musik aus seiner Jugend. Mit Volksmusik und Schlager kann er auch nichts anfangen, und ich glaube auch, dass sich daran nichts mehr ändern wird.
Oder ist das vielleicht irgendein Bedürfnis nach frohen, einfachen Melodien und Heile-Welt-Texten, das manche alte Leute suchen und in Schlager-Musik finden? Ändern sich mit dem Altern einfach die Bedürfnisse und die Ansprüche, die man an Musik, an Melodien und auch gerade an die Texte von Liedern stellt? Wollen jüngere Leute vielleicht etwas Aggressives und Rebellisches, alte Leute eher etwas Beruhigendes, Harmonisches? Das könnte ich mir, je länger ich darüber nachdenke, auch in vielen Fällen vorstellen.
So richtig alt bin ich noch nicht. Aber ich merke schon, dass mein Musikgeschmack sich einiges geändert hat. Mittlerweile mache ich nicht einfach mehr das Radio an, um mich mit einem Klangteppich von dem zu beschallen, was gerade modern ist. Das brauchte ich als pubertierende dringend, ständig von Musik umgeben zu sein. Heute wähle ich bewusster aus und genieße durchaus auch mal Stunden der Ruhe. Gleich geblieben ist meine Liebe zur Klassik und zur Weltmusik und ich denke, das wird sich bis zum Alter eher vertiefen. Denn je mehr man da lernt und entdeckt, desto spannender wird es in diesen Gebieten.
Mein Vater hat gerne Schlager gehört und gehört mittlerweile auch zu den Senioren. Aber diese Musik hat er von Kindheit an schon immer gehört. Das war bei ihm zu Hause so üblich und in der Zeit nach dem Krieg gab es in den prägenden Jahren auch nicht sofort in Süddeutschland allerorts und immer Popmusik und Rock and Roll. Von daher hat er sich dieser Musik nicht erst im Alter zugewandt. Vielleicht ist das auch eine Erklärung dafür, warum so viele Alte diese Musik mögen? Sie sind vielleicht einfach meist damit groß geworden und verbinden damit Kindheitserinnerungen.
Das das mit Alt und Volksmusik und Schlager und Jung mag modern so wirklich stimmt, kann ich bei der Jugend nicht so bestätigen. Bei einigen in der Altersklasse meiner Kinder ist Schlager plötzlich wieder ganz hoch in Kurs. Da trällern dann scharenweise Kinder auf dem Schulhof "Atemlos" und finden das total cool. Die meinen das wirklich ernst! Erst dachte ich, das ist so eine alberne pubertäre Idee, um Eltern bzw. Spießer zu verarschen. Aber nein, die meinen das so!
Als ich dann meinte, Schlager ist nicht so mein Ding hörte ich dann von einzelnen, dass das eben genau daher cool ist, weil viele Eltern das nicht mögen. Gut dass ich da den Mund nicht voll Essen hatte, sonst hätte ich mich unter Garantie verschluckt. Schlager mögen als Rebellion. es ist halt alles eine Frage des Standpunkte. Die menschliche Psyche tickt schon irgendwo seltsam manchmal. Und irgendwie tun mir die Jugendlichen ein wenig leid, wenn sie sich in der Musik so abgrenzen müssen, denn Schlager ist auch für mich der Inbegriff der Musik für Senioren. Zum Glück hat meine Kinder das nicht so stark getroffen. Die hören auch noch gerne anderes.
Vielleicht hören dann meine Enkel wieder Heavy Metal, um sich von deren Eltern abzugrenzen. Das fände ich dann lustig. Irgendwie wäre das verkehrte Welt, weil dann die Großeltern cooler wären, als die eignen Eltern.
Ich bin noch nicht so alt, knapp 30 Jahre, aber selbst in den Jahren hat sich mein Musikgeschmack schon häufig geändert. Fand ich früher als Kind die Kelly Family super und Gruppen wie Backstreet Boys sind es heute eher die Böhsen Onkelz oder Xavier Naidoo welche bei mir rauf und runter laufen. Was mir allerdings aufgefallen ist, ich höre heute, genauso wie auch früher sehr gerne Deutsche Schlager Musik. Wolfgang Petry, Ibo, Mathias Reim und noch viel mehr mag ich ganz gerne und das schon viele viele Jahre. Klassik Musik zum Beispiel fand ich noch nie super und ich kann mir auch nicht vorstellen das ich jemals diese Musikrichtung gut finden könnte.
Die Frage wurde tatsächlich bereits wissenschaftlich untersucht. Die letztendliche Meta Studie hat dann ergeben, dass man im Laufe der Zeit tatsächlich eine gewisse musikalische Entwicklung durchmacht. Wenn ich mich recht entsinne hat die Studie beschrieben, dass man in seiner Jugend eher auf Punk, Heavy Metal oder Rock abfährt, dann eine Entwicklung hin zu eher melancholischer Musik macht.
Also Musik die von der Liebe erzählt und generell eher ruhig gestaltet ist. Im Alter erreicht man dann irgendwann eine Entwicklungsstufe die Klassik oder Jazz bevorzugt. Hier sei allerdings dazu gesagt, dass die Studie soweit ich informiert bin keine deutsche Stichprobe verwendet hat, sondern sich auf den amerikanischen Sprachraum bezog. In Deutschland könnte es da selbstverständlich Abweichungen geben.
Es ist allerdings statistisch erwiesen, dass sich der Musikgeschmack im Alter hin ändert, die Beobachtungen die ihr angestellt habt, sind also recht normal. Wenngleich die Statistik natürlich keine Auswirkungen auf das Individuum hat. Selbstverständlich kann man mit 80 Jahren noch immer die Musik hören, die in der Jugend angesagt war und das toll finden. Das widerspricht sich nicht, die Regel geht nur von einer gewissen Mäßigung aus.
thumper hat geschrieben:Selbstverständlich kann man mit 80 Jahren noch immer die Musik hören, die in der Jugend angesagt war und das toll finden. Das widerspricht sich nicht, die Regel geht nur von einer gewissen Mäßigung aus.
Aber wieso die Musik, die "angesagt war"? Jugendliche hören doch auch nicht nur Chartskram. Ich habe selbst überhaupt erst mit Metal, Klassik und Gothic mein Interesse in Sachen Musik begonnen, um mal ein Beispiel zu nennen. So war es bei mir mit 13 Jahren und mittlerweile, mit bald 29 Jahren, ist es auch nicht anders. Es gibt geringere Schwankungen, aber im Großen und Ganzen habe ich eben meinen Geschmack. Egal, was jemals "angesagt" war und was nicht. Und ich denke nicht, dass ich die einzige Person bin, die nie eine Pop- beziehungsweise Chartsphase durchgemacht hat.
Der andere Begriff wäre der der Mäßigung. Woran macht man das fest, ob etwas "gemäßigt" ist? Geht es um die Lautstärke? Um die Schnelligkeit des Rhythmus? Geht es darum, ob die Texte freundlich oder kitschig sind, oder eher aggressiv? Geht es eher um Melodik oder um Inhalte? Das würde mich mal interessieren.
Übrigens habe ich aber gerade zu diesem Thema auch noch einmal eine Interessante Statistik gefunden. Hier, in diesem PDF, kann man sie sich ansehen, da geht es auch um Altersgruppen und ihre Präferenz für bestimmte Musik-Genres. Interessanterweise sieht man da sehr gut, dass es eben doch noch typische Genres für ältere und typische Genres für jüngere Leute gibt. Und, dass der Prozentsatz an alten Leuten, die "junge" Musik hört, von Jahr zu Jahr leicht ansteigt! Das finde ich interessant.
Nein, der grundlegende Musikgeschmack ändert sich nicht, wohl aber das, was die breite Menge an Musik bevorzugt. Jemand der mit 14 Gangsta Rap hörte, mit 17 Kuschelrock, mit 22 Chartmusik, bei dem ist es nicht unwahrscheinlich das er mit zunehmenden Alter etwas weniger hektische, aber leicht zu konsumierende Musik hört und das läuft ziemlich oft auf Schlager raus. Das hat aber nicht viel mit Musikgeschmack zu tun, das musikalisch gesehen etwas ähnliches wie Toastbrot: Man wird von satt, aber so richtig viel Geschmack hat es selbst nicht.
Leute die einen Musikgeschmack haben werden auch mit zunehmenden Alter eine andere Gewichtung entwickeln, so ist es eine typische Alterserscheinung mit einem Schlag zu wissen, warum man Nick Cave Alben zu schätzen lernt, hingegen bei manchen vorbeilichternden Erscheinungen wie Blutengel versucht ist gezielt Gegenstände im Lautsprecher zu versenken. Und manches, wie „Wasted Years“ von Deine Lakaien kann man erst anfangen zu verstehen wenn man mindestens 25 ist. Mindestens. Ab Mitte dreißig versteht man es denn im vollen Umfang (denkt sich dann aber „War trotzdem lustig“).
Was oft zu beobachten ist, das ab einem gewissen Alter die Leute entweder sehr viel seichteres hören, eben echtes „easy listing“ oder sehr viel Spaß an erheblich komplexeren Melodien entwickeln. Da kann es einem auch passieren, das jemand, der in seiner Jugend Metall losschallen ließ im gesetzteren Alter eine Vorliebe für Opern entwickelt. Im Grunde ist beides Musik mit dem Hang zum Drama und mächtiger Lautstärke und beide haben eine Menge theatralischer Elemente in sich. Aber mit 15 hat man dafür oft noch nicht so das klug gewordene Ohr.
Ich bin fast 50 Jahre alt und höre leidenschaftlich gerne Hip Hop und Rap. Da juckt es mich, selbst in meinem Alter, noch in den Beinen. Allerdings gelte ich da eher zu einer Ausnahme in meiner Altersklasse.
Als Kind mochte ich Volksmusik und Schlager. Auf die beiden Musikrichtungen habe ich im frühen Teenageralter dann eher ablehnend reagiert und mag sie auch heute noch nicht sonderlich. Allerdings stelle ich nicht mehr umgehend das Radio aus oder schalte im Fernsehen weiter.
Als junger Erwachsener habe ich angefangen klassische Musik regelrecht zu hassen. Das hat sich mittlerweile gelegt und ich höre mir durchaus auch mal Klassik an. Eher noch als Volksmusik oder Schlager.
Ich bin jetzt 54 und mein Musikgeschmack hat sich kaum verändert. Ich hörte in den 70er Jahren Rock und Blues, vor allen Dingen so etwas wie Pink Floyd, und das hat sich im Wesentlichen nicht verändert. Verändert hat sich nur eine Sache, nämlich die, dass ich allzu schnelle und aggressive Musik nicht mehr mag. Also eine gewisse Mäßigung ist eingetreten.
Eine andere, viel wichtigere Sache ist allerdings eingetreten: Früher war ich wesentlich intoleranter Musik gegenüber, die ich nicht mochte. So hörte ich früher keine Deutsche Musik, bis die Neue Deutsche Welle aufkam. Ich hörte auch keine klassische Musik oder Jazz. Heute ist das zwar immer noch nicht meine Lieblingsmusik, aber ich gebe ihr zumindest eine Chance und selbst wenn mir so manches Stück nicht gefällt, so würdige ich zumindest den Wert dieser Musik.
Ich muss schon sagen, dass sich von der Teenager Zeit bis heute mein Musikgeschmack durchaus verändert hat. Ich habe früher so typische Boygroups und ähnliches gehört. Das würde ich so heute nicht mehr.
Allerdings finde ich es auch ganz normal, dass sich der Musikgeschmack im Laufe des Lebens durchaus mal etwas ändert. Ständig ist ja auch etwas anders an Musik gerade angesagt und es gibt immer wieder neue Songs auf dem Markt. Ich denke, dass man sich ja auch weiter entwickelt und der Musikgeschmack auch dazu gehört.
Ich würde nicht unterschreiben, dass überwiegend ältere Menschen Schlagermusik hören. Mit der "Schlagerkönigin" Helene Fischer werden doch auch sehr viele junge Menschen angesprochen und somit als Zielgruppe erschlossen. Sie macht ja durchaus auch moderne und junge Schlagermusik, wenn man das so sehen möchte. Ich mag ihre Musik aber dennoch nicht so wirklich.
Ich habe als Teenager auch mehr Boygroup-Musik gehört, aber damals sind die auch wie Pilze aus dem Boden geschossen und man kam eben nicht drumherum. Mir ist diese seichte Kitsch-Musik zur Zeit auch viel zu weich und ich ziehe andere Töne inzwischen vor. Aber das ist normal, dass sich Musiker eben weiterentwickeln und dann im Laufe der Zeit andere Töne anschlagen. Man denke nur an Rihanna oder Madonna. Ich kann mir aber dennoch nicht vorstellen, eines Tages ein absoluter Fan von Schlagermusik zu sein. Für mich hat der Musikgeschmack nichts mit dem Alter zu tun und mir erschließt sich da der Zusammenhang nicht wirklich. Das ist bestenfalls eine Korrelation.
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