Neonazi Marke ohne politischen Hintergrund tragen?

vom 22.09.2014, 08:03 Uhr

Ich hatte ja vor einer Weile über einen Bekannten von mir geschrieben, und zwar hier. Jetzt habe ich ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen, aber einmal waren wir vor einigen Wochen noch einmal zusammen geocachen. Und wieder zeigte sich, wie er offenbar wirklich alles verharmlosen und entschuldigen kann. Und dieses Mal auf eine Art und Weise, die ich einerseits erschreckend, andererseits auch etwas verwirrend finde.

Als wir nämlich zusammen unterwegs waren, kamen wir an einem Bahnhof vorbei, wo eine Gruppe junger Männer stand. Genau genommen junge Männer mit Glatze und Thor-Steinar-Kleidung. Ich als Person asiatischer Abstammung war davon nicht so begeistert. Umso fassungsloser war ich, als mein Bekannter die Leute dann freundschaftlich grüßte. Und sie grüßten zurück und glotzten mich dabei genauso fassungslos an, wie ich sie vermutlich angesehen hatte.

Als ich meinen Bekannten fragte, woher er die Leute kenne, meinte er bloß, na, das seien Kumpels von ihm. Als ich dann fragte, wieso er denn mit Leuten befreundet sei, die in Neonazi-Kleidung herumlaufen, während ich ihn selbst eher als linksalternativ vom Erscheinungsbild her wahrgenommen hätte, meinte er bloß, das seien doch keine Neonazis. Und darauf folgte mal wieder eine Entschuldigung oder eher Ausrede, dass sich mir die Fußnägel hätten hochrollen können: Diese Freunde würden die Kleidung doch nur tragen, weil sie sie halt schön fänden. Und weil sie aus armen Familien kämen und das die billigste Kleidung wäre, die sie sich leisten können. Und sowieso gäbe es in dem Dorf, wo sie herkämen, gar keine anderen Kleiderläden.

Kann so etwas wirklich stimmen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein brandenburgisches Dorf zwar einen Neonazi-Kleiderladen hat, aber keinen KIK, Zeeman oder Discounter, der zumindest ab und zu Kleidung anbietet. Und die Marke Thor Steiner verkauft meines Wissens kein normaler Laden, sondern ist wirklich nur in Neonazi-Geschäften erhältlich. Oder ist das mittlerweile anders?

Und mal ganz abgesehen davon, preislich schätze ich diese Klamotten auch als teurer ein, als irgendwelche No-Name-Artikel von KIK. Wären diese Leute tatsächlich so arm, trügen sie ja wohl eher KIK-Kleidung für drei, vier Euro, als irgendwelche Thor-Steinar-Jacken. Oder ist das vielleicht eine Marketing-Strategie von Thor Steinar, einfach die Sachen spottbillig zu verkaufen, damit jeder sie tragen kann, und damit wiederum mit den Aufdrucken auf der Kleidung noch mehr Werbung für die Marke macht? Kann ich mir aber irgendwie auch kaum vorstellen.

Bleibt dann auch noch die Frage: Tragen tatsächlich Leute, die mit dem ganzen Neonazi-Kram rein gar nichts anfangen können, Kleidung von so einem Label? Ja, sicher gibt es unter Jugendlichen traurigerweise in manchen Gegenden Mitläufer-Neonazis, die über die Ideologie dahinter vermutlich noch nie so wirklich nachgedacht haben. Aber strikt gegen rassistische und nazistische Denkweisen zu sein, und gleichzeitig dennoch solche Klamotten zu tragen, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Auch nicht, wenn man die Sachen nur optisch irgendwie ansprechend fände. Zumal es da doch sicher auch nicht-neonazistische Alternativen gibt.

Also, nein, ich denke zwar nicht, dass man ein absolut überzeugter Nazi sein muss, wenn man so etwas trägt. Ich denke, da gibt es auch andere Leute und modische Aspekte spielen vielleicht tatsächlich auch eine Rolle. Aber diese Behauptung, diese Leute trügen die Sachen, und dann auch noch Glatze, nur, weil die Sachen ja so schön und billig seien, und weil es ja sowieso keine Alternativen gegeben habe, das stinkt für mich ehrlich gesagt mal wieder nach einer Ausrede. Oder nach verdammt ausgeprägter Leichtgläubigkeit.

Was meint Ihr dazu? Gibt es Leute, die solche Kleidung wirklich nur aus Modegründen oder sogar aus Kostengründen tragen? Oder wärt Ihr da auch sehr skeptisch? Was hättet Ihr in meiner Situation gedacht? Wenn jemand zu Euch sagen würde, er trage seine Kleidung, die von einem eindeutigen Neonazi-Label stammt, nur, weil sie so hübsch sei, oder weil sie so kostengünstig sei, würdet Ihr das glauben? Und fändet Ihr das ganz normal und okay?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ehrlich gesagt glaube ich da eher an die Existenz des Weihnachtsmannes. Ab einer solchen Menge von "Zufällen" würde ich auch eher an Absicht glauben. Aber es gibt ja auch tatsächlich Leute die so unvorstellbar dumm sind, dass es theoretisch denkbar wäre. Zu Preisstrukturen von Originalprodukten dieser Marke habe ich keine Ahnung. Aber die haben doch bestimmt einen Online-Shop, wo man das recherchieren kann?

Auf dem Freiluftmarkt direkt auf der polnischen Seite von Frankfurt an der Oder, also in Slubice gibt es schon so einiges billig an Klamotten, was ziemlich fragwürdig in der Botschaft ist. Unter anderem eben auch diese Marken, die man bei den Neonazis als Bekenntnisklamotten kennt. Möglich wäre es schon, dass sie diese Personen dort auf dem Basar mit billigen, gefälschten Klamotten dieser Firma eingedeckt hatten, einfach mal, weil sie so männlich und ursprünglich aussehen. So einen ähnlichen Fall hatte ich mal in einem Schulpraktikum mit bekommen. Da hatten Eltern ihrer minderjährigen Tochter so eine Jacke in Polen gekauft und sind dann aus allen Wolken gefallen, als die Lehrer sie darauf ansprachen, dass das Kind das bitte in der Schule nicht mehr tragen dürfe. Es kann durchaus passieren. Im Übrigen waren an der Schule sogar die Lehrer erstaunt, dass es solche Marken gibt und wussten das ohne meinen Hinweis gar nicht. Da habe ich mich schon gefragt, wie das eigentlich geht! Vielleicht kann man ja das Design irgendwo in die esoterische Ecke oder Richtung Wikinger stecken, wenn man keine Ahnung hat? Es ist schwierig für mich, sich da in jemanden hinein zu versetzen, der da unwissend ist.

Allerdings frage ich mich schon, warum diese Personen dann Glatze trugen. Bei uns in Brandenburg tragen längst nicht mehr alle Neonazis Glatzen und längst auch nicht mehr alle Glatzenträger sind politisch motiviert. Die Zeiten sind schon seit einer Weile vorbei. Aber so eine Häufung von Zufällen ist dann schon auffällig!

Was mich persönlich mehr stutzig macht: Die Art wie sie dich anscheinend angesehen haben. Klar war ich in der Situation nicht dabei. Und ich glaube mich auch aus anderen Threads zu erinnern, dass du gerne mal ausgefallene und auffällige Kleidung trägst. Möglicherweise kamen die doofen Blicke auch eher wegen der Kleidung, als wegen deiner offensichtlich asiatisch geprägten Optik. Wer weiß. Man kann ja so schlecht in die Köpfe anderer sehen. Aber wenn man die selben Leute mit ein wenig Alkohol intus wieder trifft, dann ist das schon meist so, dass die Zunge lockerer wird und sie offenbaren wessen Geistes Kind sie sind. Fragt man sich nur, ob man das erleben möchte. Aber das würde mich trotzdem stutzig machen, wie sie einen ansehen. Ich würde in dem Fall durchaus meinem Bauchgefühl vertrauen, auch wenn sie keine Sprüche gemacht haben. Und so ein Bauchgefühl entwickelt man eben über die Jahr, wenn man damit aufwächst, von einigen wegen der Herkunft abgelehnt zu werden.

Bei deinem Bekannten würde ich mich auch ernstlich fragen, warum der mit dir Kontakt haben will. Entweder ist der wirklich total gutgläubig und furchtbar naiv und hat sich von seinen Bekannten verarschen lassen. Oder aber er ist einfach mal nicht ehrlich zu dir und lügt dir irgend etwas vor, was er meint, das könnte dir so gefallen, wenn du denkst, dass er so denkt. Und das ganze wirkt wenig überzeugend, weil er selbst nicht dahinter steht. Vielleicht will er einfach mal auch eine Nacht mit dir verbringen und seine Freundlichkeit ist einfach aufgesetzt, weil er sich lediglich körperlich zu dir hingezogen fühlt und mal experimentieren will.

Fragt sich nur warum. Ich habe schon von Leuten die absurdesten rassistischen Ansichten gehört. Da gibt es schon bei den Konservativen Leute, die irgend so etwas wie eine Hierarchie der Ablehnungswürdigkeit aufgestellt haben, also welche Nationen oder besser Herkünfte sie schlimmer finden, als andere. Mag also sein, dass dein Bekannter durchaus rassistisch denkt, aber vielleicht bei Asiaten eine unlogische Ausnahme für sich konstruiert hat, weil er vielleicht gerne Manga liest und sich sonst geistig verbiegen müsste. Oder vielleicht, weil die ja so klischeehaft fleißigen Asiaten irgendwo doch deutsche Tugenden zelebrieren. (Entschuldige, das ist natürlich nicht meine Meinung.) Das ist jetzt einfach ein an den Haaren herbei gezogenes Beispiel, das aber hoffentlich erläutert, was ich meine. Oder ein anderes Beispiel: Ich denke da an einen meiner ehemaligen Schullehrer, der offen im Unterricht rassistische Phrasen gegen eine Schülerin geäußert hat, die einen außereuropäischen Migrationshintergrund hatte. Dem italienisch stämmigen Mädchen ist er hingegen mit größter Freundlichkeit begegnet, weil sie ja aus Italien kam und die Italiener damals fleißig mit marschiert sind.

Was ich damit sagen will: Nur wenn dein Bekannter mit dir Freundschaft sucht und geistige Nähe zu Nazis leugnet, deshalb muss das nicht sein, dass er tatsächlich kein Nazi ist. Für mich wäre in so einem Fall klar, dass ich mit so einem Mensch mit so einem undurchsichtigen Charakter nicht befreundet sein wollen würde. Wäre er ein Nachbar, den man sich nicht ausgesucht hat, könnte ich durchaus ein höflich distanzierteres nachbarschaftliches Verhältnis pflegen, ohne mich zu zerfleischen, aber mehr käme für mich nicht in Frage. Dafür wäre mir die Lebenszeit zu schade und das Risiko zu hoch, von so jemandem wirklich enttäuscht zu werden.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


ich glaube tatsächlich, dieser Bekannte ist unglaublich naiv. Vielleicht auch schon doof, wenn man das so nennen kann. Nach dieser Sache mit seinen glatzigen (hier tragen übrigens doch noch relativ viele Neonazis Glatze), Thor Steinar tragenden "Freunden" habe ich ihn jetzt auch nicht mehr wieder getroffen. Das war mir jetzt auch zu viel.

Wobei ich durchaus glaube, dass der einfach wirklich so naiv ist, dass er diesen Freunden jeden Mist glaubt. Auch sonst hat er ja für alles Ausreden und Entschuldigungen parat und glaubt offenbar auch jede noch so blöde Ausrede, die ihm einer auftischt. Ich denke daher auch, dass er selbst kein Neonazi ist und auch nicht in diese Richtung denkt. Trotzdem, insgesamt ist mir das jetzt schon zu blöd geworden. Eine engere Freundschaft kann ich mir da nicht vorstellen, geschweige denn noch mehr.

Und mal weiterdenkend betrachtet: Wenn er sich schon jeden Mist einreden lässt, wer weiß dann außerdem, was er vielleicht sonst noch glaubt, wenn seine Freunde tatsächlich "braun" sind und dann vielleicht auch noch anfangen, ihm ihre menschenverachtende Ideologie unterzujubeln. Nein danke, das möchte ich wirklich nicht mitbekommen. Wobei ich mir gerade fast denke, ob es nicht möglich wäre, dem Herrn mal die Augen zu öffnen, damit er merkt, was da eigentlich los ist. Aber wie macht man das? Ich weiß es nicht.

Ob diese Freunde nun wirklich Neonazis waren, oder einfach irgendwelche Leute, die eine blöde Mode verfolgen, oder solche, die tatsächlich nicht wissen, wie sie sich da eigentlich selbst darstellen? Wer weiß. Habe es jetzt übrigens aus Neugierde echt mal gewagt und mir die Preise von Thor-Steiner-Kram angesehen, auf der offiziellen Internetseite von denen. So ein lumpiger Kapuzenpullover kostet gut 90 Euro. Ein einfaches T-Shirt zwischen 30 und 40 Euro. Wo haben die ganzen depperten Nazi-Skinheads eigentlich Ihr Geld für so etwas her? Aber eines wäre damit wohl klar: Kostengünstig ist das Zeug nicht. Es sei denn, die Leute haben es, wie Du schreibst, tatsächlich aus Slubice. Ob das jetzt "echte" Markenkleidung war, oder irgendeine billige Kopie, konnte ich optisch auf die Schnelle nicht erkennen.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Bei naiven Jugendlichen kann ich mir schon vorstellen, dass man da auch mal Sachen trägt ohne sich über einen politischen Hintergrund Gedanken zu machen. Als Jugendlicher ist man eben nicht immer überlegt, sondern handelt auch mal ohne zu überlegen. So hören ja beispielsweise Jugendliche vielleicht auch mal rechte CDs, weil es in dem Moment gut klingt, sind aber nicht gleich rechts, aber es braucht dann guten Einfluss von außen damit man nicht abrutscht.

Ich denke dennoch nicht, dass man in so einer Gruppe sitzt und dieselbe Kleidung trägt, äußerlich auch so aussieht und dann nicht Rechts ist. Dein Freund ist da ziemlich dämlich oder einfach auch nur zu tolerant. Vielleicht denkt er, dass seine Kumpel einfach ein paar Spinner sind. Dennoch würde ich mich dann auch mit niemanden befreunden, der mit Nazis befreundet ist.

Natürlich ist die Kleidung nicht billig. Die Rechten finanzieren sich ja über solche Sachen. Markenartikel und Bandauftritte sind sehr wichtig für die Finanzierung solcher Systeme. Die Ausrede mit dem Preis ist also absoluter Schwachsinn und das kann man so auch nicht stehen lassen. An deiner Stelle würde ich mir wirklich überlegen ob du mit ihm befreundet bleiben willst, wenn er mit Nazis befreundet ist.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Theoretisch könntest du den Bekannten ein wenig provozieren. Es gibt da so Marken, die anscheinend gezielt als Anti-Statement produziert werden. Storch Heinar ist eine. Oder Thorten Schneidar. Wobei ich nicht mal sicher bin, ob das Marken sind. Aber wenn du danach mit einer Suchmaschine suchst, wirst du schon finden, was ich meine. Wenn du so ein Shirt trägst und dann dein Bekannter eventuell ungehalten wird, dann weißt du, woran du bist.

Ob man Erwachsene bekehren kann? Bestimmt. Aber ob das von nachhaltiger Dauer ist? Was ist, wenn seine Kumpels wirklich rassistische Ideologien vertreten und ihm dann wieder eine Gehirnwäsche verpassen? Kann auch passieren. Denn gerade solche Ideologien überzeugen leichter, weil sie so simplifiziert sind und für alles eine greifbare Erklärung anzubieten scheinen, was aus wissenschaftlicher Sicht viel komplexer ist und deshalb nicht so schnell durchschaut wird. Einen Versuch ist es sicher immer wert. Aber Patentrezepte wird es da vermutlich nicht geben.

Ohne den Menschen zu kennen, lässt sich da wenig sagen. Vor allem stelle ich es mir auch schwierig vor, jemanden zu überzeugen der möglicherweise seine eigentliche Überzeugung bewusst vor dir leugnet. Wie will man da argumentieren? Du kannst ihm höchstens die Preise für die Kleidung mal zeigen, nachdem du ihn gefragt hast, was in seinen Augen ein niedriger Preis für ein Shirt oder einen Pulli ist. Vielleicht wirkt das ja als Saat des Zweifels. Und wenn die Firma ihr Konzept konsequent durchzieht, dann ist ja eigentlich fast zu erwarten gewesen, dass in Deutschland hergestellte Textilien nicht mit der Billig-Konkurrenz von Textildiscountern mit halten können.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ein Bekehren wäre sicher auch nicht sinnvoll. Das wäre ja im Grunde, oder vielleicht interpretiere ich das jetzt auch zu negativ, nur ein Überreden dazu, nun meine Ansicht zu übernehmen statt die seiner Freunde. Aber Überreden ist nicht Überzeugen. Er müsste schon selbst bemerken, was da für ein Blödsinn mit ihm gemacht wird von seinen "Freunden". Wenn die ihm denn Mist erzählt haben und er das tatsächlich einfach naiv geglaubt hat.

Ich denke, ich werde ihn wirklich als Erstes mal auf die Preise dieser Neonazi-Klamotten ansprechen. Mal sehen, was er dazu sagt. Den Versuch wage ich gerne noch einmal, kann ja mal anrufen oder eine E-Mail senden und dann schauen, ob etwas als Antwort kommt, und wenn ja, was.

Übrigens finde ich die Preise trotz, wenn dem denn so ist oder wäre, Handarbeit in Deutschland ziemlich übertrieben. 90 Euro für einen Kapuzenpulli? Da ist ja sogar Trigema günstiger, die tatsächlich komplett in Deutschland produzieren, und die haben schon hohe Preise. Das weiß ich, weil eine Verwandte von mir dort arbeitete.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ob es stimmt, weiß ich nicht. Aber so was, was Ramones oben erwähnt, habe ich auch schon gelesen. In einem Buch über den NSU hatten die auch sinngemäß geschrieben, dass diese ganzen Strukturen und der Untergrund über den Vertrieb von solchen Fanartikeln (wenn man das mal so nennen darf) mit finanziert werden. Da ist dann also wohl immer so eine Art Solibeitrag mit im Preis einkalkuliert. Und wenn man mit solchem Gedankengut sympathisiert, dann hält man das vermutlich auch für gerechtfertigt, da so einen Aufpreis zu zahlen.

Bekehren ist vermutlich nicht das passendste Wort gewesen. Aber wie auch immer man es nennen mag: Das mag bei einem Jugendlichen in der Orientierungsphase noch leichter möglich sein, Augen zu öffnen. Aber ein junger Erwachsener sollte eigentlich selbst schon mal auf den Gedanken kommen, Leute zu hinterfragen, die so ein Statement setzen, auch wenn man selbst keinen Migrationshintergrund hat, oder? Sicher kann so jemand auch argumentieren, er sei vollkommen mit Arierstammbaum geboren und es würde einem durch solche Bekannte schon nichts schlimmes passieren. Aber so eine Haltung wäre für mich für einen Freund undiskutabel. Denn Toleranz an solchen Stellen schränkt die Freiheit vieler Menschen ein. Und das sollte einem Erwachsenen auch klar sein, welche Tragweite hier Toleranz oder Desinteresse haben kann. Dann drängt sich mir schon wieder die Frage an der Stelle nach dem Charakter so einer Person auf, die offensichtlich willentlich die Augen verschließt.

Klar kann man sich auch erfolgreich einreden, dass schon nichts passiert, wenn Politik allen Egal ist. Aber dem ist ja auch nicht so. Irgendwelchen Terror-Regimes gleich welcher Prägung ist es in der Regel völlig egal, ob das Volk vorher unpolitisch war, wenn es sich nur ausreichend instrumentalisieren lässt. Das wäre vielleicht auch was, was man so einem Menschen mal klar machen sollte, dass man sich nicht mit "ist mir doch egal" aus der Affäre ziehen kann, weil es eigentlich Dinge gibt, zu denen man nicht ohne Standpunkt sein kann. Vielleicht ist ihm das noch gar nie so klar geworden, dass man so auch schnell zu einem Mitläufer und sogar Mittäter werden kann, wenn sich politische Verhältnisse eventuell negativ, gleich in welcher Hinsicht, ändern.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Was die Marke Thor Steinar betrifft, habe ich nun etwas doch bisschen Merkwürdiges gelesen. Die gehört jetzt nämlich nicht mehr dem ehemaligem Betreiber und Firmengründer, einem Neonazis aus Königs Wusterhausen. Sondern sie ist jetzt Teil der Al Zarooni Tureva, einer Firma in Dubai.

Das Kleidungsdesign ist aber weiterhin teilweise fragwürdig mit Bezug auf irgendeine "nordische Rasse", "Arier" und so einen Kram, und ja, die Marke richtet sich weiter an Neonazis und bleibt auch weiterhin in einigen öffentlichen politischen Gebäuden verboten. Aber die Marke an sich gehört jemandem in Dubai. Einige Neonazis boykottieren die Marke jetzt auch, weil sie nicht wollen, dass ihr Geld bei einem "Ausländer" landet. Wobei sicher viele Neonazis davon gar nichts wissen.

Wie ist das nun noch einzuordnen? Beziehungsweise, wo landet das Geld? Es gibt ja im Grunde auch Faschisten, Antisemiten und Neonazis in allen möglichen Ländern der Welt. Ein wenig merkwürdig finde ich die gesamte Angelegenheit jetzt jedenfalls schon.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Das ist interessant! Davon wusste ich auch nichts und ich werde mich da mal belesen. Es wäre wirklich interessant zu wissen, warum ausgerechnet jemand aus Dubai die Marke aufkauft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man durch den Vertrieb solcher Textilien viel reicher wird. Denn die Preise regen ja nicht gerade zu Massenkäufen an und die Qualität die man hier so auf der Straße sieht regt auch nicht gerade die Reichen zum Kauf an. Also kann ich mir reines Profitdenken als Ursache nur schwer vorstellen. Vielleicht ist das ganze ja nur eine Briefkastenfirma um dem Label ein Saubermannimage zu verschaffen? Könnte sein.

Fragt sich aber auch, ob die Kumpels deines Bekannten das alles wissen? Ich denke nicht. Denn selbst wenn sie es wüssten, dann würde sie trotzdem in Kauf nehmen, dass die meisten Leute das noch nicht wissen und sie dadurch versehentlich mit Nazis in einen Topf geworfen werden. Will das jemand? Kann ich mir schwer vorstellen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Die Neonazi-Szene ist aber leider schon recht groß. Denke schon, dass sich da gute Umsätze machen lassen. Selbst, wenn die Sachen teuer sind und die Zielgruppe sie sich nicht in Massen leisten kann, ich denke schon, dass überzeugte Neonazis bevorzugt nur solche Sachen kaufen. Und dann eben notfalls an anderen Ecken Geld sparen, um den Thor-Steinar-Kram zu kaufen. Für viele überzeugte Neonazis ist diese Kleidung vermutlich ein "Muss", egal, wie viel sie kostet.

Aber über die Gründe des Käufers der Firma kann man wirklich nur spekulieren. Saubermann-Image? Kann sein. Vielleicht aber will man auch weltweit expandieren? Neonazis gibt es ja leider in allen möglichen Ländern. Andererseits hätte man für die Ausweitung des Vertriebs auf andere Länder seinen Sitz in Deutschland auch nicht aufgeben müssen.

So oder so gehe ich aber, wie Du, auch nicht davon aus, dass jeder Neonazi genau über den Hintergrund der Marke bescheid weiß. Und die meisten anderen Menschen noch weniger. Für mich ist auch klar: Die meisten, die Neonazi-Labels tragen, tun das, weil sie nach Außen hin ihre Gesinnung zeigen wollen. Die wollen, dass man sieht, dass sie rechts sind.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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