Witwer geheiratet und Umgang mit Habseligkeiten der Toten

vom 14.09.2014, 17:10 Uhr

Herr W. ist heute über 55 Jahre alt. Als er drei Jahre alt war, verstarb seine Mutter. Außer Herrn W. gab es noch zwei ältere Brüder, die ebenfalls unter zehn Jahre alt waren. Der Vater hat recht bald wieder geheiratet. Ich vermute mal stark, damit die Kinder versorgt sind.

Das Verhältnis von Herrn W. zu seiner Stiefmutter war nicht wirklich einfach, aber auch nicht die absolute Hölle. An seine leibliche Mutter kann er sich kaum erinnern. Er wuchs aber zu einem ordentlichen Mann heran, erlernte zwei Berufe und steht seinen Mann im Leben.

Was ihm aber heute Probleme macht, dass die Stiefmutter wohl viele Dinge der leiblichen Mutter entsorgt hat. Es gibt kaum Erinnerungsstücke der leiblichen Mutter. Laut der Stiefmutter hätte die leibliche Mutter kaum was mit in die Ehe gebracht. Wie sich später heraus stellte, haben ihre Eltern damals den ehelichen Haushalt zu großen Teilen ausgestattet.

Außerdem vermisste Herr W. die mütterliche Liebe. Also diese Gefühl, welches eine Mutter einem Kind vermittelt, einfach weil sie ihr Kind alleine deshalb liebt, weil es ihr Kind ist. Er hätte sich mehr Liebe gewünscht.

Ich selber denke, als Herr W. noch ein Kind war, waren die Bedingungen noch ein wenig anders als heute. Heute wäre kein Mann mehr quasi gezwungen zu heiraten, wenn seine Frau stirbt und gemeinsame Kinder da sind. Früher sah das anders aus. Die heutigen Betreuungsmöglichkeiten gab es nicht mal annähernd. Ein Mann musste Vollzeit arbeiten gehen, um seine Kinder zu ernähren. Heute gibt es im Zweifelsfall noch Sozialleistungen, die man beantragen könnte und ein Mann könnte quasi seine Kinder, auch ohne Vollzeitjob, selbst erziehen.

Ich selbst wüsste nicht, wie ich als Frau damit umgehen würde, wenn ich einen Mann mit mehreren, zum Teil noch recht kleinen, Kindern heiraten würde. Beziehungsweise wie ich mit dem Andenken der verstorbenen Ehefrau umgehen würde. Klar war sie Teil des Lebens des Ehemannes. Aber möchte man immer im Schatten der verstorbenen Ehefrau leben?

Ich kann die Gefühle und Gedanken von Herrn W. schon verstehen. Aber ich stelle mir die Situation generell auch für die zweite Ehefrau schwierig vor. Wie geht man denn mit dem Andenken an eine Tote um, wenn man den Witwer geheiratet hat? Klar ist das eine freie Entscheidung, die aber eben vor über 50 Jahren sicherlich auch mehr aus Vernunftsgründen getroffen wurde, wie vielleicht heute.

» Fugasi » Beiträge: 1877 » Talkpoints: 1,33 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Was versteht man denn genau unter Erinnerungsstücken? Denn der Haushalt, den angeblich die Großeltern ausgestattet haben, hat damit wohl kaum etwas zu tun. Auch die Kleidung der Mutter gehört nicht dazu. Das wären für mich Fotos und vielleicht noch Schmuck. Aber da muss man sagen, dass man vor über 50 Jahren noch nicht so viele Fotos hatte, wie man das heute kennt. Also wird einfach kaum bis gar nichts da gewesen sein, was man wirklich als Erinnerungsstücke bezeichnen kann.

Wenn ich das mal damit vergleiche, als meine Großmutter verstorben ist, so passt das auf die Situation sehr gut. Außer ein paar Schmuckstücke, gab es nur Kleidung und eben die Hausrat. Die Kleidung wurde irgendwann entsorgt, weil es sowieso niemanden gepasst hat und den Hausrat hat mein Großvater schließlich benötigt, um sein Leben zu meistern. Die Schmuckstücke haben sich meine Mutter und ihre Schwester geteilt.

Mein Vater ist vor fünf Jahren verstorben. Schmuck hatte er gar nicht und ansonsten gibt es nur Werkzeug, was mein Vater eben allein genutzt hat. Aber es sind keine Dinge, wo ich sagen kann, das birgt die ultimative Erinnerung an meinen Vater. Ich habe Fotos von der letzten großen Familienfeier, wo er noch dabei sein konnte. Da sieht er richtig glücklich aus und das ist mir sehr viel wert. Aber eben keine Gegenstände, die ich nur mit meinem Vater in Verbindung bringe.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich denke, egal wie gut man seine Sache macht, es ist nie einfach, ein Stiefvater oder eine Stiefmutter zu sein. Das liegt daran, weil Kinder sehr lange- das merkt man vor allem in diesem Beispiel- der richtigen Mutter oder dem richtigen Vater nachtrauern. Deshalb ist es sehr gut möglich, dass die Stiefmutter immer ihr bestes für das Kind gegeben hat und es eigentlich so behandelt hat, wie sie ihr eigenes Kind behandeln würde, es das Kind aber nicht wahr genommen hat.

Außerdem finde ich es übertrieben, mit über 50 Jahren noch darüber nachzudenken, welche Andenken von der verstorbenen Mutter noch übrig sind und deshalb herum zu streiten. Viel wichtiger ist doch, dass er ein behütetes Leben und eine schöne Kindheit hatte. Ob er nun von der leiblichen Mutter oder der Stiefmutter aufgezogen wurde, macht für mich keinen Unterschied. Und was will er denn mit einem Andenken? Was bringt ihm das? Wenn er wirklich erst drei Jahre alt war, als sie verstorben ist, kann er sich wahrscheinlich gar nicht mehr richtig an seine Mutter erinnern, deshalb braucht er doch auch kein Andenken, oder?

Wahrscheinlich sind meine Zeilen jetzt extrem taktlos, aber ich finde, man kann es auch übertreiben. Außerdem muss man wie bereits erwähnt, berücksichtigen, dass die Erziehung von Kindern, die einen Elternteil durch Scheidung oder Tod verloren haben, gewiss nicht einfach ist. Ich bewundere deshalb die Stiefmutter und denke nicht, dass diese ein schlechter Mensch ist.

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