Ab Juli 2016 keine freien Hebammen mehr - schlimm?

vom 11.09.2014, 21:40 Uhr

Ich denke, viele von Euch haben schon von dem Problem der freien Hebammen gehört, dass sie ihre Haftpflichtversicherung aus eigener Tasche zahlen müssen, die Kosten aber inzwischen explodieren. 1992 kostete die Versicherung 180 Euro im Jahr, 2003 schon über 1.300 und dieses Jahr sind es über 5.000 Euro! Wie ich nun gerade hier gelesen habe, gibt es noch ein weiteres Problem:

Es gibt inzwischen nur noch eine einzige Versicherung, die die Haftpflichtversicherung für freie Hebammen anbietet. Und derzeit sieht es so aus, als ob die Versicherung dieses ab Juli 2016 nicht mehr anbieten wird. Die freien Hebammen können sich damit nicht versichern, aber sie müssen eine Versicherung haben, um ihren Beruf ausüben zu dürfen. Ab Juli 2016 gäbe es damit in Deutschland keine freien Hebammen mehr, alle bisherigen freien Hebammen wären auf einen Schlag arbeitslos oder müssten in ein Krankenhaus etc. gehen, um dort ihren Beruf ausüben zu können.

Ich selbst habe keine Kinder und plane auch keine. Ich bin von diesem Thema also nicht unbedingt betroffen und kann nicht wirklich mitreden. Würde Euch eine freie Hebamme bei der Geburt sowie der Vor- und Nachbereitung derselben fehlen? Oder seid ihr der Meinung, dass das Angebot im Krankenhaus mit Krankenschwestern und Ärzten sowie der dortigen Hebamme ausreichend ist? Was sind Vor- oder Nachteile der freien Hebammen? Fändet Ihr es schlimm, wenn die freien Hebammen und damit wohl auch die ganzen Geburtshäuser verschwinden würden?

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich finde das sehr schlimm. Da ich selbst gerade schwanger bin, habe ich auch eine Hebamme. Bisher war sie zwar nur bei mir, um mit mir zu sprechen, und ich besuche bei ihr auch einen Vorbereitungskurs, aber Hebammen bieten ja weit mehr an als das. Sie beantworten deine Fragen in Bezug auf deine Beschwerden, auf das ungeborene Baby, die Geburt und später die Versorgung des Kindes und die Gesundheit der Mutter und des Kindes.

Hebammen sehen in einer Schwangerschaft ja auch das Positive, während Ärzte darauf gepolt sind, auf Krankheiten zu schauen. Sie haben zwar auch die Aufgabe nach dem seelischen Befinden der Mutter zu sehen, jedoch rückt das hier eher in den Hintergrund. Hebammen dagegen sehen sich die Familien ganz an.

Hebammen schauen auch bei einem vorbei und zeigen den Müttern, wie die Geburt ablaufen wird und wie sie sich unterstützend verhalten können, womit sie rechnen müssen. Auch der Partner kann direkt mit einbezogen werden.

Sie zeigen den Frauen, wie man ein Baby stillt, worauf man achten muss, geben Tipps. Sie zeigen wie man ein Baby pflegt und sie kontrollieren, ob sich die Gebärmutter nach der Geburt zurückbildet.

Aber Hebammen sind auch Ansprechpartner, wenn man nicht weiter weiß. Man kann diese ganz einfach anrufen und fragen.

Das sind jetzt nur die Basisleistungen einer Hebamme. Manche bieten auch Babymassage oder Babyschwimmen an. Auch Akupunktur gehört dazu. Das sind wiederum Leistungen, die dir kein Arzt anbietet. Wer macht das dann, wenn keine Hebamme mehr da ist? Das Krankenhaus? Diese sind ja selbst meist überlaufen finde ich.

Und was ist, wenn eine Frau Probleme beim Stillen hat oder Wochenbettdepressionen bekommt? Kümmern sich darum dann über Wochen hinweg die Hebammen des Krankenhauses oder der Arzt? Ich bezweifle es.

Also mich beunruhigen diese Gedanken. Vielleicht gibt es ja schon Antworten darauf; ich jedenfalls habe sie noch nicht erhalten. Allerdings ist das Thema Nachwuchs ja auch noch völlig neu für mich, sodass ich zurzeit nicht sagen kann, ob ich die Hebamme dann bei der Nachsorge schmerzlich vermissen würde. Aber der Gedanke allein beruhigt, dass jemand da ist, an den man sich wenden kann wenn etwas sein sollte.

» YariXxX » Beiträge: 635 » Talkpoints: 21,58 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich hatte hier zu dem Thema schon mal einen Thread eröffnet. Damals gab es auf der Webseite Change.org eine online Petition. Dort wurde an die verantwortlichen politischen Stellen eine Unterschriftenliste überreicht, dass das Debakel mit den Versicherungen geändert werden möge. Denn schließlich steckt in dem Begriff Haftpflicht das Wort Pflicht drin. Und bei dem hohen Risiko als freischaffende Hebamme kann auch keiner die Haftung persönlich übernehmen. Wie du ja schon schreibst, wird das Einstellen dieser Versicherungsangebote dazu führen, dass bald Hebammen nicht mehr freiberuflich arbeiten können. Man könnte das auch etwas deutlicher teilweise Berufsverbot nennen.

Ja, ich finde das schlimm. Auch heute schon arbeiten Hebammen in Krankenhäusern. Aber wenn die Möglichkeit der freiberuflichen Arbeit weg fällt, dann werden vermutlich die Krankenhäuser kaum signifikant mehr Hebammen anstellen. Die Haushaltslage in vielen Krankenhäusern ist so gespannt, dass gespart wird, wo immer es geht. Da ist selten Geld für mehr Personal da.

Letztlich wird das auf zwei Dinge heraus laufen: Der größte Teil der freiberuflichen Hebammen steht vor dem persönlichen Debakel. Da sie ja ohnehin schon nicht viel Geld eingenommen haben, wird auch das bisschen jetzt noch weg fallen. Ich möchte nicht wissen, in wie vielen Familien, dann Häuserkredite nicht mehr gezahlt werden können, Schulden entstehen oder nicht mehr abgezahlt werden können, die zur Praxisgründung aufgenommen wurden und so weiter. Letztlich werden super ausgebildete Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt zurück gespült und müssen sich dann alternativ als ungelernte durchs Leben schlagen. Ich finde das katastrophal. Für die Auswirkung auf die Psyche der Hebammen ist das sicher verheerend. Vor allem kann man da ja nur in Grenzen von der Marktwirtschaft als Regulativ sprechen. Die Frauen bieten ja eine wertvolle Dienstleistung an, die durchaus gerne angenommen wird.

Skandalös finde ich das auch für die Frauen. Da erzählen unsere Politiker ständig, die Geburtenrate in Deutschland könnte deutlich besser sein. So und nun? Ich glaube kaum, dass mehr junge Frauen Lust bekommen, Familie zu gründen, wenn man dafür auf das ständige Erscheinen in Krankenhäusern notwendig werden will. Man ist schließlich schwanger und nicht krank und will die Zeit bei guter Versorgung auch genießen.

Letztlich halte ich es für skandalös, was die Versicherungen da machen. Die Versicherungen sind ja selbst auch über die Rückversicherungen abgesichert. Und ich gehe schon davon aus, dass sich das Dilemma so regeln lassen kann, dass man nicht ganz viele Frauen vor das berufliche Aus stellen muss. Ich denke einfach, dass da ganz knallhart Gesetze her müssen. In anderen Ländern geht das ja auch, dass es auch in so modernen Zeiten Hebammen arbeiten können. Ich würde da einfach mal nachsehen, was da in den skandinavischen Ländern gemacht wird. Da klappt das ja auch alles.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



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