Die Bibel besser interpretieren und verstehen
In Matthäus 16,24 sagt Jesus, dass jemand, der sein Jünger sein will, sich selbst verleugnen soll. Jetzt frage ich mich, was er damit gemeint haben könnte. Wahrscheinlich möchte er, dass wir unsere Interessen, die nur dem reinen Egoismus entspringen, dem Gotteswillen hinten anstellen sollen. Dann stellt sich natürlich die Frage, was will Gott. Soweit ich weiß, ihn und den Nächsten zu lieben. Oder wie würdet ihr diese Bibel-Passage interpretieren?
Ich denke, dass hast du richtig verstanden. Du musst die Bibelstelle natürlich im Kontext sehen und kannst sonst, was ich dir sehr empfehlen würde, noch einmal mit einem Prediger, Pastor oder Pfarrer darüber reden, der kann dir sicherlich noch viel mehr darüber sagen. Mir hat das zumindest immer sehr geholfen, wenn ich eine Bibelstelle nicht richtig verstanden hatte.
Ich denke, dass sich selbst verleugnen auch bedeutet, mal seinen eigenen Stolz herunter zu schlucken und das Richtige zu tun. Sich bei anderen zu entschuldigen, wenn es notwendig ist, die höhere Position auf Arbeit ablehnen, wenn sie unrechtmäßig wäre und so etwas eben. Oder auch über seinen eigenen Schatten zu springen, einfach mal etwas für Gott zu tun und anderen Menschen dienen, auch wenn man sich dabei über sich selbst wundert. Wie beispielsweise einem Obdachlosen ein Brötchen und einen Kaffee kaufen, sich selbst auch und sich dann zu ihm setzen, eine Runde mit ihm schnacken, während man gemeinsam frühstückt.
Ich würde die Bibelstelle jetzt so verstehen, aber es gibt natürlich immer sehr viele verschiedene Arten, eine Bibelstelle zu verstehen. Ich denke, du solltest eine finden, bei der du ein gutes Gefühl hast. Frag doch einfach mal Gott im Gebet, was er dir mit dieser Bibelstelle sagen möchte und sprich noch einmal mit einem Prediger oder einem Menschen, von dem du denkst, er kann dir bei dieser Frage weiterhelfen. Ich hoffe, ich konnte auch ein wenig helfen.
Diese Bibelstelle bedeutet lediglich, dass man nicht nur egoistisch handeln, sondern die Gebote Jehovas beachten soll. Mit Lügen und Betrügen kann man einiges erreichen, allerdings zerstört man seine ganze Umgebung dabei. Wer mal einen solchen Fall erlebt hat, sieht auch in der Praxis, warum ein solches Verhalten gefordert wird.
Juri, so einfach ist es nicht. Die christliche Selbstverleugnung fordert, den eigenen Wünsche und Ideen aufzugeben und sich komplett der Führung Gottes anzuvertrauen. Wer seine Persönlichkeit bewahren möchte, wird sie verlieren. Wer dagegen seine Persönlichkeit um des Glaubens Willen aufgibt, wird eine Persönlichkeit werden. Ansprüche, Neigungen, der eigene Wille, all das ist unerheblich, es zählt nur die Leitung Christi. Lügen und Betrügen sind da nur die Spitze des Eisbergs und nicht wirklich gemeint, es geht um die komplette Aufgabe der Selbstbestimmung.
Cooper75, man kann die eigene Persönlichkeit grundsätzlich nicht aufgeben, denn sie ist der Ausgangspunkt einer jeden Handlung, die man setzt. Die christliche Lehre betont sehr stark die menschliche Freiheit, die für das Heil des Menschen grundlegend ist. Der Mensch entscheidet selbst, was er tut und was sein Schicksal sein wird, das ihm nach seinem Tod widerfahren wird. Die christliche Lehre ist in diesem Sinne der buddhistischen sehr ähnlich. Nichts bleibt ohne Folgen.
Die Freiheit ist das, was den Menschen ausmacht und niemand, der einem Menschen Gutes will, kann wollen, sie aufzugeben und sich stattdessen fremdsteuern zu lassen.
Ich glaube, im Leben geht es hauptsächlich um ein Bewusstwerden dessen, was ist. Und da stellt sich mir nun die Frage, existiert "Gott" Und wenn ja, was ist "Gott" und was will er von mir. Diese Erkenntnis würde wahrscheinlich mein "Selbst" bzw meine Persönlichkeit verändern. Wie komme ich nun zu dieser Erkenntnis? Indem ich mich öffne, meine Selbstzentrierung löse und nach "Gott" suche, aber es könnte sein, dass diese Suche erfolglos bleibt, weil ich mir selbst im Weg stehe.
Erst eine Selbstverleugnung, so wie sie Jesus in Matthäus 16,24 fordert, könnte dazu führen, "Gott" und oder seinen "Willen" ansatzweise zu finden bzw zu erkennen. Aber diese Selbstverleugnung ist wohl nur für kurze Dauer. Irgendwann muss ich zurück ins Leben und Verantwortung übernehmen.
Interpretationen kann man so und so sehen. Ich finde schon, dass cooper es gut beschrieben hat und auch die Bibel widerspricht sich an manchen Stellen, dass auch Eins mit seinen Thesen darüber nicht ganz zu vernachlässigen ist aber vieles auch schon wieder zu modern sieht. Du musst das auch noch auf die urtümliche Zeit übertragen, dort war man in seiner Handlung nicht frei, dort hatte man seinen Herren dessen wünschen man sich gebeugt hat, war allgemein gottesfürchtiger und andere haben die Handlungen für einen selbst vorgegeben.
Überträgt man das auf die moderne, dann sieht das wieder anders aus und heute würde sich niemand mehr vorschreiben lassen, wie er zu wohnen hat, was er zu Essen hat und welchen Beruf er ergreift und welche Aufgaben er hat. Sozusagen konnte man sich als Sklave sehen, wer macht das heute schon noch? Die Kirche hat an Einfluss verloren über die Jahrhunderte hinweg oder siehst du heute an jeder Ecke jemanden der dir Ablassbriefe verkauft und dich ermahnt wegen einem kleinen Furz, dass du dann nicht ins Himmelreich kommst?
Die Bibel widerspricht sich vermeintlich nur auf den ersten Blick, wenn man nicht versucht, tiefer in die Materie einzudringen. Wenn es an einer Stelle heißt, wer Gott sieht, muss sterben und Hiob dann von sich sagt, Gott geschaut zu haben und letztlich (nach großem Leid) statt zu sterben, ein langes, glückliches Leben führt, dann ist das auf den ersten Blick ein Widerspruch.
Aber wenn man tiefer geht, was meint Hiob damit, wenn er sagt, er hat Gott geschaut? Mit seinen äußeren Augen? Nein, mit seinem inneren Auge, mit seinem Herzen. Ihm ist sozusagen ein Licht aufgegangen. Jesus hat seine Jünger auf keinen Fall wie Sklaven behandelt, sondern sie waren in ihren Handlungen frei. Nie hat er sie zu irgendwas gezwungen.
Verantwortung für die eigenen Taten trägt man immer. Die geforderte Selbstverleugnung betrifft die eigenen Wünsche und Vorstellungen. Aber nur weil mein Leben nach den Regeln Gottes führt, wird man nicht zum Sklaven. Man gibt auch nicht seine Persönlichkeit auf, sondern entscheidet bewusst, diesen Regeln zu folgen.
Die eigenen Wünsche und Vorstellungen zu verleugnen, kommt das nicht einer Selbstvergewaltigung gleich? Ich glaube nicht, dass Gott das von einem will, sondern es geht wohl eher darum, zu erspüren, was man wirklich will, wonach man sich wirklich sehnt.
Menschen wünschen sich materielle Dinge und kaufen sie sich, dadurch werden sie vielleicht kurzfristig befriedigt, aber bald stellen sie fest, dass sie davon nicht glücklich werden. Bald stellen sich neue Wünsche ein. Also kaufen sie weiterhin und das geht immer so fort, bis sie psychisch krank werden, denn ihre wirkliche Sehnsucht kann durch materielle Wünsche nicht erfüllt werden.
Andere wünschen sich glückende Beziehungen und erhoffen sich von der Partnerschaft Heil. Der Partner wird vergöttert. Man tut alles für ihn und erhofft sich von ihm Seligkeit, doch irgendwann stellt sich die Enttäuschung ein, da es sich bei Menschen immer um fehlerhafte, bedürftige, unvollkommene Wesen handelt.
Nicht selten, wenn die Menschen mittleren Alters sind und zunehmend über ihr Leben reflektieren bzw die erste Lebenshälfte schon hinter sich haben und der Tod immer mehr in den Blick gerät, zumindest mehr als früher, geraten sie wegen ihrer unerfüllten Sehnsüchte bzw finden sie überhaupt nicht heraus, was ihre wirkliche Sehnsucht ist, in eine Midlifecrisis. Die Menschen sind dann verzweifelt und bekommen Torschlusspanik.
Ich denke, wonach sich die Menschen wirklich sehen, ist ein erfülltes Leben und dazu gehört es, sich zu entfalten bzw seinem Leben Sinn zu geben. Jesus hat sich ganz an Gott rückgebunden, er tat den Willens seines Vaters. Für die Jünger Jesu, die sich selbst verleugnen sollen, geht es darum, einmal einen Schnitt zu machen. Eigene Wünsche und Vorstellungen hinten anzustellen, um sich dadurch einer neuen Wirklichkeit öffnen zu können, die sie und ihre Wünsche und Vorstellungen verwandelt.
Sie sind danach keine Marionetten, die keine eigenen Wünsche und Vorstellungen mehr haben, sondern durch einen neuen Blick auf die Realität bzw was sie transzendiert (durch eine wie auch immer geartete vorhergehende Gottesbegegnung bzw -erspürung bzw. es ist ihnen ein Licht aufgegangen), haben sie neue Wünsche und Vorstellungen, die im Idealfall jene von Gott sind.
Die Bibel ist keine Fiktionsliteratur, sondern die Texte in ihr, wurden von Menschen geschrieben, denen etwas widerfahren ist. Jenen ist ein Licht aufgegangen. Es geht auch nicht um Tatsachenberichte, sondern um Geschichten, in denen Ereignisse gedeutet werden.
Jesu hatte wohl so eine Ausstrahlung bzw Charisma, dass er die Menschen in seinen Bann gezogen hat. Er hat Wunder gewirkt, Menschen geheilt, nicht nur von körperlichen, sondern auch von psychischen Krankheiten. Er hat Dämonen ausgetrieben. Die Jünger wurden nun mit diesen Ereignissen konfrontiert und haben sie gedeutet. Ihnen ist dadurch ein Licht aufgegangen und sie haben sich Jesus, der offensichtlich eine besondere Vollmacht hatte, angeschlossen. Jesus war für sie wie ein Lehrer, er wies ihnen den Weg und dazu gehörte auch einmal eine Selbstverleugnung, also eine Art Schnitt, um noch mehr in das Geheimnis Christi Jesu hineinwachsen zu können.
Warum sollte Selbstverleugnung einer Selbstvergewaltigung gleichkommen? Nehmen wir ein ganz einfaches, praktisches Beispiel. Ein anderer geht mir fürchterlich auf den Geist. Mein erster Wunsch und Gedanke ist, dass ich dem jetzt einmal richtig die Meinung Geige. Das steht aber ganz im Widerspruch dazu, das ich andere so behandeln soll, wie mich selbst.
Und ich würde mir natürlich im umgekehrten Fall wünschen, dass der andere vernünftig mit mir redet, meine Situation berücksichtigt und dass man gemeinsam zu einer Einigung kommt, mit der beide Leben können. Ich möchte nicht, dass er wie eine Furie über mich herfällt und mich zusammenstaucht und mir seine Sicht der Dinge aufzuzwingen versucht.
Und genau hier kommt zum Beispiel die Selbstverleugnung ins Spiel. Wenn ich jetzt erst durchatme und über die Situation nachdenke, dann habe ich die Möglichkeit, die Sache endgültig und für beide Seiten akzeptabel zu lösen. Dazu muss ich aber meinen aktuellen Wunsch und den ersten Impuls unterdrücken. Selbst vergewaltigen tue ich mich damit aber ganz sicher nicht.
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