Migranten: Integriert trotz anderer Muttersprache?

vom 21.08.2014, 10:40 Uhr

Mein Freund und ich haben beide einen Migrationshintergrund und sind als Kinder nach Deutschland gekommen. Er war damals 5 Jahre alt und ich war 3. Deutsch ist bei uns beiden keine Muttersprache und wir haben diese Sprache erst in der Schule oder im Kindergarten gelernt, weil Sprachkurse für Kinder in diesem Alter nicht praktiziert werden. Trotz anderer Muttersprache sprechen wir beide fehlerfreies Deutsch, wobei er noch einen minimalen Akzent hat. Wir sprechen auch in der Öffentlichkeit Deutsch und haben uns so gut es geht in diese Gesellschaft integriert. Unsere jeweiligen Muttersprachen nutzen wir höchstens noch, wenn es darum geht mit den Eltern zu kommunizieren, aber da auch nicht immer.

Mit meinem Freund unterhielt ich mich neulich über den Arbeitsmarkt und Vorstellungsgespräche. Mein Freund ist mal bei einem Vorstellungsgespräch gefragt worden, welche Sprache in seinem Elternhaus gesprochen wird. Er hat wahrheitsgemäß geantwortet und hat den Job hinterher nicht bekommen. Natürlich spielen gerade bei Einstellungsverfahren mehrere Faktoren wie Einstellungstest, Auftreten, eventuell Noten etc. eine Rolle, aber mein Freund hat den Verdacht, dass er nur deswegen abgelehnt wurde, weil er nicht gelogen hat und gesagt hat, dass in seinem Elternhaus eben nicht Deutsch im Alltag gesprochen wird. Seiner Meinung nach würden Arbeitgeber eine derartige Aussage als mangelnden Integrationswillen auslegen.

Da ich selbst Migrationshintergrund habe, sehe ich das natürlich etwas anders als möglicherweise ein Einheimischer. Ich bin der Ansicht, dass man durchaus integriert sein kann, auch wenn die Muttersprache eine andere ist als die jeweilige Landessprache. Ich habe beispielsweise schon in Schulzeiten bei Grammatiktests teilweise besser abgeschnitten als die Einheimischen, die es eigentlich hätten besser wissen müssen. Mir ist es wichtig, ein integriertes Mitglied der Gesellschaft zu sein, aber gleichzeitig meine Wurzeln nicht zu vergessen.

Wie seht ihr das ganze? Wann ist eine Person mit Migrationshintergrund in euren Augen integriert? Kann ein Migrant auch integriert sein, wenn in seinem Elternhaus eine andere Sprache gesprochen wird als die jeweilige Landessprache?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Für mich ist jemand dann integriert, wenn er sich selber als Teil eines Landes fühlt und er sollte schon auch optisch irgendwie ins Bild passen. Ein Schwarzer als Deutscher ist für mich immer noch etwas gewöhnungsbedürftig und im indischen Gewand oder mit Kippa würde ich mich auch nicht unbedingt als integriert bezeichnen. Bei Italienern oder Polen habe ich mit der Integration weniger Sorgen als mit Personen, die von weiter südlich kommen.

Im Augenblick dürfte ein klares Bekenntnis zum Islam wohl nicht unbedingt bei jedem so gut ankommen, da die neue Krise im Irak wohl doch eine recht große Verunsicherung ausgelöst hat und die Akzeptanz für diese Religion sinkt deshalb sehr stark.

Vorurteile sind für mich normal und die hat auch jeder Mensch. Die Frage ist eben, ob man jemanden deswegen auch benachteiligt. Als Arbeitgeber würden für mich eher die Qualifikationen zählen und alles andere wäre unprofessionell und würde dem Betriebsfrieden schaden.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich finde es immer schwierig, das zu beurteilen, weil es doch sehr auf den jeweiligen Einzelfall ankommt. Wohnt dein Freund denn noch bei seinen Eltern? Sonst finde ich die Frage eigentlich unnötig, wie denn im Elternhaus gesprochen wird. Es kommt doch nicht darauf an, wie gut die Eltern integriert sind, sondern der Bewerber, der da vor einem sitzt. Wenn dieser ein nahezu perfektes Deutsch spricht, dann sollte das auch entscheidend sein. Aber natürlich kann es sein, dass der Personalchef nicht so denkt und dass die Absage wirklich darin begründet lag, dass dein Freud die Wahrheit gesagt hat.

Ich sehe es schon so wie du, dass jemand integriert sein kann und darüber aber trotzdem nicht die eigenen Wurzeln vergessen sollte. Für mich bedeutet es nicht, dass die Integration nicht funktioniert, wenn die Menschen an Sitten ihres Heimatlandes festhalten. Wichtig ist für mich bei der Integration, dass die Sprache beherrscht wird und dass man sich an die Regeln des Landes hält, in dem man lebt.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



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