Angst, dass ich meine Muttersprache im Ausland verlerne
Mein Vater kam als Kind nach Deutschland und seitdem hat er eigentlich fast nur noch deutsch gesprochen. Seine Mutter bemühte sich und sprach auch nur noch deutsch mit ihm, was natürlich am Anfang etwas schwer für sie war, aber sie wollte ihn so gut es geht in Deutschland integrieren. Das hat aber zu gut funktioniert - mittlerweile spricht mein Vater sogar gar nicht mehr seine Muttersprache, sondern nur noch deutsch. Er versteht natürlich einiges, aber er kann nicht mehr in seiner Muttersprache sprechen, da er sie bestimmt seit zwanzig bis dreißig Jahren nicht mehr gesprochen hat, ihm fehlt einfach das Vokabular. Mein Vater hat sich zu sehr an die deutsche Sprache gewöhnt, was natürlich gar nicht so schlimm ist, da er seine Muttersprache auch in Deutschland gar nicht braucht.
Nun bin ich schon seit sechs Monaten im Ausland und ich habe furchtbare Angst, dass ich anfange meine Muttersprache Deutsch zu verlernen. Aus diesem Grund lese ich regelmäßig im Internet deutsche Zeitungen oder andere Internetseiten. Außerdem nehme ich mir die Zeit, um gelegentlich ins Forum zu schauen und ich verfasse auch ein paar wenige Beiträge. Ich möchte die deutsche Sprache auf gar keinen Fall verlernen, deswegen befasse ich mich mit ihr auch weit weg von der Heimat, wobei ich eigentlich hier im Ausland niemanden habe, mit dem ich deutsch spreche. Deutsch ist mir sehr wichtig, da ich meine zweite Sprache nicht gut spreche und in Englisch hört man eben, dass ich Ausländerin bin. Mit dem Erlernen meiner vierten Sprache habe ich erst als erwachsene Frau angefangen, also werde ich die Sprache wohl nie perfekt sprechen können.
Findet ihr meine Angst unberechtigt und kann man nach einigen Wochen oder Monaten im Ausland die eigene Muttersprache verlernen? Wenn man die Muttersprache im Ausland nicht verlernt, bekommt man dann trotzdem starke Defizite beim Sprechen? Seid ihr vielleicht ausländischer Herkunft und habt ihr eure Muttersprache verlernt oder konntet ihr noch gar keine Probleme feststellen? Konntet ihr bei anderen Menschen beobachten, dass sie ihre Muttersprache verlernen? Kam euer Kind vielleicht sogar nach einem Schüleraustausch zurück nach Deutschland und war anschließend nicht mehr in der Lage die eigene Muttersprache zu sprechen? Habt ihr euch nach einem längeren Auslandsaufenthalt einige sprachlichen Besonderheiten angeeignet, die nicht typisch für eure Muttersprache sind?
Da kann ich dich beruhigen. Deine Muttersprache wirst du nicht verlernen. Es wird dir wahrscheinlich gelegentlich passieren, dass du durcheinander kommst und die falsche Sprache spricht, aber verlernen wirst du es nicht. Als meine Familie zu Besuch kam habe ich sie ganz, ganz oft in der falschen Sprache angesprochen, aber ich hatte keinerlei Probleme sie zu verstehen oder mich auszudrücken.
Ich denke, ganz unbegründet ist deine Angst nicht. Ich halte es schon für möglich, seine Muttersprache zu verlernen. Warum auch nicht? Alles, was man mal erlernt hat, kann man wieder vergessen. Und dein Vater ist ja das beste Beispiel. Wobei er sehr viel jünger war als er nach Deutschland kam als du bei deiner Auswanderung.
Und vor allem passiert es nicht in wenigen Monaten. Bist du denn für immer ausgewandert? Also meiner Meinung nach reicht es aus, wenn du dich ab und zu mit der deutschen Sprache beschäftigst. Du musst nicht jeden Tag Zeitungsartikel lesen, die dich gar nicht interessieren. Schau dir ab und zu einen deutschen Film an. Das gesprochene Wort wird dir eh mehr helfen als das geschriebene.
Ich weiß ja nicht, wo du bist und was du da machst. Aber wenn es ein paar Touristen in deiner Gegend gibt und darunter auch Deutsche sind, könntest du bei einem Reiseveranstalter fragen, ob sie noch Reiseführer brauchen, die Deutsch können. So hast du ein wenig Kontakt zu Deutschen. Ich denke, wenn du das nur ein paar Mal im Jahr machst, läufst du keinerlei Gefahr, deine Muttersprache zu vergessen.
Ich war mal für drei Monate in Kenia, wo ich, bis auf ein paar wenige Telefonate mit Deutschland, ausschließlich Englisch gesprochen habe. Ich finde schon, dass man dann irgendwann anfängt, auf Englisch zu denken. Ein Mal habe ich ein Wort nicht gewusst, einen medizinischen Fachausdruck. Den wollte ich mir dann vom Deutschen herleiten, aber mir ist das deutsche Wort auch nicht eingefallen. Mit den Monaten und Jahren häufen sich solche Erlebnisse sicherlich.
Aber wie gesagt, eine regelmäßige Beschäftigung mit der deutschen Sprache sollte Abhilfe schaffen, aber übertreiben sollte man es auch nicht. Dass Einwanderer ihren Kindern zuliebe aber so häufig die neue Sprache sprechen, dass sie ihre Muttersprache verlernen, finde ich auch immer traurig. Selbst wenn man sie in der neuen Heimat nicht "braucht". Sprache ist Identität und zudem ist doch jedes zusätzliche Können und Wissen ein Gewinn.
Ich war für ein Jahr lang in Frankreich und habe auch in einer französischen Familie gewohnt. In diesem Jahr habe ich eben auch zwei Auslandssemester gemacht und da dort niemand war der Deutsch konnte, sprach ich eigentlich fast nur Französisch. Handys gab es zu der Zeit auch noch nicht und so beschränkten sich meine Gespräche auf Deutsch auf ein paar wenige und kurze Telefonate.
Gelesen habe ich damals in diesem Jahr auch kaum etwas auf Deutsch, eben weil ich ja Französisch lernen wollte. Das hat auch gut geklappt. Als Veränderung habe ich nach einigen Monaten bemerkt, dass ich anfing auch auf Französisch und nicht mehr auf Deutsch zu träumen.
Als ich nach dem einen Jahr wieder nach Hause kam, konnte ich dennoch fließend Deutsch sprechen, obwohl ich schon zugeben muss, dass mir bei einigen Vokabeln zunächst die französische Version eingefallen ist. So habe ich manchmal kurz über ein Wort nachdenken müssen.
Ich glaube schon, dass man seine Muttersprache verlernen kann, wenn man sie wie zum Beispiel dein Vater mehrere Jahre lang überhaupt nicht anwendet. Ich glaube aber, dass man seine Muttersprache weiterhin beherrschen wird, wenn man auch weiterhin noch Kontakt mit der Muttersprache hat. Sei es eben durch Texte, Bücher, Zeitschriften, Fernsehen und zumindest gelegentlich persönliche Kontakte. Das muss kein großer Anteil sein, aber über viele Jahre würde ich nicht zur Gänze darauf verzichten.
Meine Erfahrung mit meiner dritten Sprache, die ich ursprünglich nur in der Schule als Fremdsprache gelernt hatte, ist, dass ich viel weniger vergessen hatte als ich dachte. Ich habe in der Schule Französisch gelernt, war nach der Schule vielleicht einmal in Frankreich und habe die Sprache ansonsten jahrelang überhaupt nicht mehr gebraucht.
Als ich die Sprache dann wieder gebraucht habe, weil ich jetzt an der französischen Grenze lebe und beruflich und privat regelmäßig mit Franzosen zu tun habe, habe ich gemerkt, dass mir ganz viele Wörter und Redewendungen wieder einfallen, bei denen ich vorher geschworen hätte, dass ich die Bedeutungen längst vergessen habe.
Bei der ersten Sprache wird das wahrscheinlich ähnlich sein, man wird vielleicht den Eindruck haben, dass man alles vergessen hat, wenn man die Sprache lange nicht mehr benutzt hat, aber das wird schnell wieder zurück kommen, wenn man die Sprache wieder benutzt.
Da ich keine exotischen Sprachen spreche war ich noch nie in der Situation, dass ich von meinen Muttersprachen völlig abgeschnitten war. Also egal wo ich war, ich war nie in der Situation, dass ich eine Sprache längere Zeit überhaupt nicht benutzt habe.
Ich denke schon, dass man seine Muttersprache verlernen kann, wenn man über längere Zeit im Ausland lebt und sich nicht aktiv mit seiner Muttersprache auseinandersetzt, um sich diese rein und akzentfrei zu bewahren. Aber ich bin auch der Meinung, dass es weniger wahrscheinlich ist, als Erwachsener seine Muttersprache zu verlieren als als ein Kind. Kinder haben ja noch nicht einmal den Erwerb ihrer Muttersprache vollständig abgeschlossen. Kommen sie nun in ein Land, in dem eine ihnen fremde Sprache gesprochen wird, dann müssen sie auf einmal zwei Sprachen lernen. Die ganz neue Sprache natürlich wesentlich intensiver und auch schneller, damit sie sich gut zurecht finden. Achtet man im Elternhaus nun nicht darauf, dass auch die Muttersprache weitergelernt wird, sondern spricht mit den Kindern in deren neuen Sprache, was ja auch durchaus seine Berechtigung hat, so werden die Kinder die Muttersprache nach und nach verlernen.
Wenn man aber dreißig Jahre lang daran gewöhnt war, in seiner Muttersprache zu sprechen, dann ist diese schon viel tiefer in einem verankert und man wird sie weniger schnell verlernen. Vielleicht vergisst man selten verwendete Vokabeln oder neigt beim Sprechen dazu, auch Wörter aus der neuen Sprache mit einzusetzen. Aber das gibt sich sicherlich auch wieder, wenn man dann längere Zeit über in seiner Muttersprache spricht. Was wahrscheinlich ist sollte aber sein, dass man dann in seiner Muttersprache auch einen Akzent hat. Der schleicht sich ohnehin schnell ein, weil man ja das Sprechverhalten anderer Leute unbewusst oft imitiert.
Persönlich würde ich bei einem Auslandsaufenthalt auch darauf achten, immer noch in Deutsch zu lesen oder mich mit jemanden auf deutsch zu unterhalten. Ich hätte nämlich schon Angst davor, dass ich meine Muttersprache verlernen könnte. Auch wenn das bei kurzen Aufenthalten von vielleicht einem Jahr doch schon ziemlich unwahrscheinlich ist. Schaden kann es aber ja auf jeden Fall nicht, wenn man weiterhin deutsch liest, denkt und spricht.
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