In eigener Wohnung durch das Gegenüber beobachtet fühlen

Stellt euch mal vor, dass eure Wohnung im ersten Stock liegt. Gegenüber steht ein weiterer Block mit Wohnungen. Wenn ihr aus dem Fenster blickt, seht ihr die anderen Fenster. Somit wäre ja die Möglichkeit gegeben, dass euch jemand von dort sehen könnte. Würdet ihr euch beobachtet fühlen?

Welche Maßnahmen würdet ihr einleiten, falls ihr euch beobachtet fühlen würdet? Würdet ihr den ganzen lieben Tag die Jalousien nach unten ziehen? Oder wäre es euch auch mal egal, wenn ihr dann zum Beispiel nackt durch die Wohnung läuft?

Ich bin in einem Haus mit einem großen Garten außenrum aufgewachsen. Da brauchte man ein Fernglas, um irgendetwas durch die Fenster zu erkennen. Jedenfalls habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Als ich dann in die Großstadt zog, in eine Wohnung, dachte ich zunächst auch, dass ich mich bestimmt total unwohl fühlen würde, weil jeder reinschauen könnte.

Das Mietshaus gegenüber von meinem Schlafzimmer stand glücklicherweise leer. Das war also gar kein Problem. Das Hinterhaus, gegenüber von der Küche, stand nicht leer. Aber es war trotzdem überhaupt kein Problem, weil jedes Fenster dieses Hauses mit Vorhängen verhängt war. Die hatten selber so viel Angst davor, dass jemand reinschauen könnte, dass sie gar nicht rausschauen konnten. Ich habe in 7 Jahren keine Vorhänge oder sonstiges an die Küchenfenster gehängt.

Also ich hab schon nach kürzester Zeit nicht mehr daran gedacht, dass jemand reinschauen könnte. Nun bin ich auch nicht ständig nackt durch die Küche gehüpft und mein Lieblingsort für intime Aktivitäten ist es auch nicht. Aber ich vergesse solche Probleme auch einfach wieder. Bei unserem jetzigen Haus kann man nachts einigermaßen gut durch´s Küchenfenster sehen. Das fällt mir dann immer auf, wenn ich spät abends noch mal Gassi gehe. Aber dann vergesse ich es auch wieder und wenn ich nach dem Duschen da mal rumhüpfe, denke ich nicht daran.

Aber ich weiß, dass die Menschen da sehr unterschiedlich sind. Als mein Bruder mal zu Besuch war, hat er mich gleich auf den kleinen Spalt aufmerksam gemacht, durch den man durch´s Badezimmerfenster schauen kann. Wir haben solche Milchglasfolie draufgeklebt, da die aber zu klein für das große Fenster war, blieb rechts und links ein Spalt von einem Zentimeter. Dadurch könnte mich ein Spanner beobachten. Na, dem wünsch ich viel Spaß. Diese Angst halte ich doch für sehr übertrieben.

Irgendwie fühle ich mich beobachtet durch die gegenüberliegende Wohnung. Obwohl ich das eigentlich nicht brauche. Es geht um das Küchenfenster. In der Küche halte ich mich nicht unangezogen auf. Trotzdem habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Es geht ja nur ums Essen machen.

In meiner Wohnung bin ich mir anfangs kurz nach meinem Einzug durchaus manchmal beobachtet vorgekommen. Ich wohne nämlich in einem mehrstöckigen Mietshaus, und gefühlte zehn Meter entfernt steht ein exakt baugleicher Block mit einem offenen Laubengang vor den Haustüren. Wenn meine Nachbarn also vor ihre Wohnungstür treten, hätten sie theoretisch einen detaillierten Einblick in mein Wohn- und Schlafzimmerfenster.

Dieses Problem habe ich durch halbhohe Jalousien und blickdichte Vorhänge gelöst, die ich auch immer vor den Fenstern belasse, wenn ich zu Hause bin. Im Nachbarhaus herrscht zwar kein allzu reges Kommen und Gehen, aber ohne Vorhänge würde man von Gegenüber wahrscheinlich sogar erkennen können, welche Farbe mein Getränk auf dem Wohnzimmertisch hat. Durch die Vorhänge ist es zwar ein bisschen dunkler in meinen vier Wänden, aber dafür kann ich auch spärlich bekleidet herum laufen, wenn mir danach ist.

Generell bin ich in der Hinsicht aber sowieso nicht sonderlich sensibel. Ich lege es zwar nicht darauf an, dass mir die Nachbarn beim Umziehen zusehen können, aber wenn mal jemand einen Blick auf meine halb bekleidete Person erhascht, ist es mir auch egal. Ich habe mich an die Fensterfront gegenüber eigentlich ganz gut gewöhnt.

Ich wohne in einer Dachgeschosswohnung und habe so ein Problem somit nicht, jedoch würde ich auch nicht in einer Wohnung leben wollen, in der man alles von mir sehen kann. Natürlich würde ich mich dann unwohl fühlen und würde auch nur bedingt nackt umher laufen. Schon mal gar nicht, wenn man nur normale Vorhänge hat. Ich finde solche Wohnungen schon sehr unangenehm, weil die Menschen ja auch neugierig sind und dann eben auch schauen, selbst wenn sie es nicht zugeben. Ich bin auch gerne bei uns auf dem Balkon, was ich so nicht gerne machen würde.

Theoretisch hätte jemand, der sich mit einen Fernglas im Weinberg platziert einen guten Blick in mein Arbeitszimmer und mein Wohnzimmer und mein Bücherzimmer/Gästezimmer, aber da passiert nichts wirklich spannendes.

Ich würde mich jedenfalls nur dann beobachtet fühlen, wenn ich mit irgendwas beschäftigt bin, bei dem sich das Beobachten auch lohnt. Aber was könnte das sein? Ich habe heute Abend gegessen, telefoniert, das Arbeitszimmer aufgeräumt, Zeitung gelesen, die Spülmaschine eingeräumt und gleich werde ich mich mit einem Buch ins Wohnzimmer setzen. Nackt bin ich nur im oberen Stockwerk unterwegs und da gibts hauptsächlich Dachfenster.

Tagsüber ist das auch eh kein Problem, weil Fenster spiegeln. Wenn man nicht direkt vor dem Fenster steht oder von jemandem mit Fernglas beobachtet wird ist da kaum etwas zu sehen. Wenn das Licht an ist, ist das natürlich etwas anderes, aber wenn es draußen dunkel ist mache ich eh die Rollläden runter.

Bei uns könnte man theoretisch schon beobachten. Auf der anderen Straßenseite steht ein Haus, das etwa baugleich ist. Soll heißen, man könnte von dort aus aus demselben Stockwerk zu uns rüberschielen und manchmal kann man auch sehen, wenn die Nachbarn fernsehen, weil das Licht dann so charakteristisch flackert. Die Nachbarn von Gegenüber haben auch alle Gardinen, dass man nicht durchschauen kann. Die scheinen sich also tatsächlich beobachtet zu fühlen, wobei die Gardinen aber auch Zufall sein können und nur der Ästhetik dienen können.

Ich fühle mich bei uns zu Hause nie beobachtet. Ich denke mir einfach, dass die Nachbarn besseres zu tun haben, als die ganze Zeit durch das Fenster zu starren und zu beobachten, was die anderen so machen. Die Mentalität in so einer großen Stadt ist eben komplett anders als auf dem Land. Als ich noch auf dem Land gelebt habe, habe ich oft mitbekommen, wie Nachbarn am Fenster kleben, alles beobachten und dann weiter tratschen. Das ist hier nicht der Fall. Außerdem tue ich nichts, was in irgendeiner Form besonders oder interessant wäre.