Warum werden Vergewaltiger immer weniger verurteilt?

vom 13.07.2014, 21:36 Uhr

Etwa 300.000 Frauen zwischen 16 und 40 Jahren wurden in fünf Jahren vergewaltigt. Obwohl jeder fünfte Fall angezeigt wurde, liegt die Verurteilungsquote weit darunter. Das ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Verletzt und verzweifelt müssen die klagenden Frauen das Urteil entgegennehmen. Für etwa 90 Prozent der Frauen gibt es hier kein Recht.

In den verschiedenen Bundesländern von Vergewaltigungsanzeigen wurden Verurteilungen von 4,1 bis 24,4 Prozent ausgesprochen. So ein großer Unterschied, das kann es wirklich nicht sein. Diese extremen Unterschiede müssen behoben werden. Es geht nicht, dass so viele Frauen als Lügner da stehen und ein zusätzlich noch ein Trauma erleben. Im Gericht entscheidet sich dann auch, ob eine Opferentschädigung gezahlt wird, um eine Traumatherapie bezahlen zu können.

Wenn die Polizei eine Vernehmung protokolliert, haben andere Stellen, wie Staatsanwaltschaft, Gericht oder Gutachter nicht den Originalwortlaut der Erstaussage betroffener Frauen. Das richtige Verhalten der Frauen nach einer solchen Tat ist sehr wichtig für die Verurteilung des Täters. Kein Duschen und sofort zum Arzt/Krankenhaus gehen. So können auch Prellungen, Blutergüsse usw. festgestellt werden. Der Arzt wird das Gespräch schriftlich festhalten. Falls der Täter angezeigt werden sollte, wäre es zum Vorteil die Polizei zu bitten, das Vernehmungsgespräch digital aufzunehmen. Eine Videoaufnahme wäre noch besser. So werden die Chancen besser, um eine Verurteilung des Vergewaltigers zu erreichen.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Die Sicht die du hier darstellst, finde ich schon etwas verkürzt. Immerhin vernachlässigst du einfach das Prinzip, welches besagt, das im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden ist. Und auch wenn - da gebe ich dir recht - es in manchen Fällen sehr dramatisch für die Opfer ist, mit ansehen zu müssen, dass der Täter frei kommt, so halte ich den Grundsatz für einen Rechtsstaat für unantastbar! Man stelle sich vor, dass Verurteilungen auch dann ausgesprochen werden, wenn es massive Zweifel an der Täterschaft gab.

Wie würdest du denn den in den Medien so breit getretenen Fall der Vergewaltigung "Kachelmann" beurteilen? Das ist ja auch ein Fall einer Anzeige, bei der der Täter nicht verurteilt wurde. Es steht weder mir noch dir zu, hier über Schuld oder Unschuld zu urteilen. Aber selbst das Gericht sah sich nicht in der Lage, diesen einen Fall zu beurteilen. Und in der Realität sieht die Sache vermutlich noch mal viel schlimmer aus.

Stell dir doch den nicht unwahrscheinlichen Fall vor, welcher sehr wahrscheinlich vielfach in deiner Zahl von 300'000 enthalten ist, dass die Frau die Tat erst nach Wochen oder gar Monaten anzeigt. Wie soll bitte hier noch zweifelsfrei eine Vergewaltigung festgestellt werden? Insbesondere dann, wenn es auch noch eine soziale Beziehung zwischen Täter und Opfer gab? Selbst wenn der Akt unstrittig ist, bleibt die Frage, ob der Täter wirklich gegen den Willen der Frau vorgegangen ist bzw. ob er diesen Willen hätte erkennen können. Ich persönlich sehe den Tatbestand der Vergewaltigung auch viel früher als erfüllt an, als das Strafgesetzbuch es macht. Aber um eine objektive Beurteilung aussprechen zu können, müssen schlicht auch Kriterien definiert werden. Wenn eine Frau es geschehen lässt, dann ist es eben nicht zwangsläufig eine Vergewaltigung!

Die Form der Aussage bzw. die Frage, ob die Aussage aufgezeichnet werden soll oder nicht, halte ich übrigens nicht für entscheidend. Wieso sollte dies die Chance auf eine Verurteilung erhöhen?

Cid hat geschrieben:Es geht nicht, dass so viele Frauen als Lügner da stehen und ein zusätzlich noch ein Trauma erleben.

Bei einem Freispruch aus Mangel an Beweisen steht die Frau nicht als Lügnerin da! Aber sicher ist es schwierig, eben zu erleben, dass auf rechtlichem Weg der Täter nicht einer Strafe zugeführt werden kann. Das ist bitter, aber wie ich schon geschrieben hatte, stellt sich die Frage, ob es besser ist, einen Täter ungeschoren davon kommen zu lassen - oder einen Unschuldigen zu verurteilen. Ich - aber auch die Rechtsprechung - gehe davon aus, dass der Schutz des Unschuldigen Vorrang hat!

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Natürlich sollen Unschuldige vorrangig geschützt werden. Mir ist auch klar, wenn eine Frau oder auch ein Mann eine Vergewaltigung erst nach Wochen oder Monaten anzeigt, das nicht unbedingt richtig sein muss. Auch sonst werden einige Fälle dabei sein, die nicht auf Wahrheit beruhen. Aber wie soll ein Richter diese Fälle aussortieren können, wenn er nur ein einfaches Protokoll zur Verfügung hat?

Deshalb schrieb ich auch, dass Frauen sich nach einer Vergewaltigung richtig verhalten sollten. Das ist zwar schwer für die Betroffenen, aber unumgänglich. Ich halte es für wichtig, dass sie sich mit einer Vertrauensperson besprechen und alle weiteren Schritte mit dieser zusammen machen. Eine ärztliche Untersuchung muss sein, auch wenn sie der betroffenen Person noch so peinlich ist. Eine Aufzeichnung bei der Polizei ist mehr als entscheidend. Die Emotionen, die bei einer ersten Vernehmung hochkommen und die man sehr gut bei einer Aufzeichnung als Zuhörer oder Zuschauer erleben kann, sind einfach für die Beurteilung durch die Justiz unumgänglich. Die Protokolle, die in gutem Beamtendeutsch von der Polizei erstellt werden, können niemals wiedergeben, was eine Person empfunden/erlebt hat.

Den Fall Kachelmann habe ich zwar in den Medien gelesen, aber mich nicht näher damit befasst. Deshalb kann ich auch hier nichts zu sagen, was richtig oder falsch war.

Aber lies dir bitte folgenden Fall durch: Die Sekretärin eines verheirateten Firmenchefs hat mit diesem ein Verhältnis. Wie das so üblich ist, wollte er sich angeblich scheiden lassen. Doch das tat er nicht. Sie schreibt ihm einen Abschiedsbrief und bittet um Rückgabe des Zweitschlüssels für die Wohnung. Er kündigt seinen Besuch für abends an. Sie verlangt an der Tür ihren Schlüssel. Er aber ist halb betrunken und drängt sie zurück ins Zimmer. Dort wirft er sie auf das Bett und vergewaltigt sie. Als sie schreit, schlägt er ihr die Faust ins Gesicht. Sie erleidet Prellungen, Schürfwunden und Blutergüsse und Nasenbluten.

Es geht ihr psychisch so schlecht, dass sie sich krank meldet. Erst nach einer Woche erzählt sie ihrer Freundin davon. Die geht mit ihr zur Polizei und sie macht eine Anzeige. Die Polizei schreibt alles in ein klares, knappes Protokoll. Zwei Monate später stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Auch ein Widerspruch hilft nichts. Was war geschehen? Sie war in eine andere Abteilung versetzt worden. Der Chef stellte es so hin, dass sie als Chefsekretärin die Versetzung nicht verkraftet hat und sie sich an ihm rächen wollte. Wäre sie sofort zum Arzt gegangen und hätte sie auf einer digitalen Aufnahme bei der Polizei bestanden, natürlich auch sofort nach der Vergewaltigung, wäre sicherlich keine Einstellung erfolgt. So aber wurde sie gedemütigt, verletzt und ist verzweifelt.

Bei richtigem Verhalten hätte auch diese Frau Chancen für eine Verurteilung des Vergewaltigers gehabt. Denn bei einvernehmlichem Geschlechtsverkehr dürfte sie nicht solche Verletzungen davon tragen. Ebenso hätte das digitale Protokoll – mit ihren Worten – besser für sie ausgesagt, als das zwar richtige, aber knappe Protokoll der Polizei.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



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