Sorge um Freund wegen Kurzgeschichten
Ich habe ja mal erwähnt, dass mein Freund Autor werden möchte. In letzter Zeit nimmt das Ganze allerdings beängstigende Dimensionen an. Er schreibt eine Menge Kurzgeschichten, um seinen Kopf für sein Buch frei zu kriegen und ich dachte mir nichts dabei. Als ich diese allerdings lesen konnte, bekam ich ein mulmiges Gefühl im Magen. Die Geschichten sind gut geschrieben, keine Frage, aber die Themen sind ziemlich erschreckend.
Zuerst war da der untypische Wechsel von Fantasy zu Drama/Thriller/Horror, was mich schon stutzig machte, als ich dann richtig begriff, worum es genau ging, wurde mir schlecht.
Er schreibt die Geschichten aus der Ich-Perspektive in der Gegenwart, ebenfalls eigentlich nicht sein Stil, aus den Augen von kleinen Mädchen zwischen acht und elf. Einige der Mädchen sind psychisch krank und töten Menschen, andere werden vergewaltigt, gefoltert und/oder getötet oder begehen Selbstmord.
Natürlich habe ich ihn darauf angesprochen, denn solche Fantasien erschienen mir nicht als normal, doch er meinte, dass er nicht an so etwas denke, sondern einfach nur all den kranken Mist verarbeitet hatte, den man so in Film und Fernsehen sieht.
Ich mache mir allerdings Sorgen, dass er vielleicht mit solchen Gedanken spielt, da er allgemein oft Gewaltfantasien äußert. Natürlich lebt er sie nicht aus, aber dennoch ist es ziemlich beunruhigend, wenn er mir stolz berichtet, wie das nächste Mädchen aus seiner Geschichte den Tod gefunden hat oder andere Menschen ermordete und dabei wild lachte.
Was denkt ihr? Sind das wirklich nur Geschichten oder steckt mehr dahinter? Sollte ich noch einmal mit ihm reden? Sollte er mal mit einem Therapeuten sprechen? Oder ist er normal, trotz der Gedanken, die durch seinen Kopf spuken und im Endeffekt als Word-Dokument enden?
Schau mal bitte wie viele Autoren es gibt, die genau das beschriebene Genre bedienen. Meinst du, dass dies alles potentielle Mörder oder Selbstmörder sind? Kann es einfach nur sein, dass du Probleme inszenierst, nur damit du etwas hast, um was du dich sorgen kannst? Da ist es mal die Balkontür, die deinem Freund bei einem Unfall kaputt gegangen ist und nun sind es seine Geschichten, wo er einfach nur Dinge aus den Medien oder Filmen verarbeitet, damit sie raus sind aus dem Kopf.
Eben weil er sein Buch vorantreiben will, muss er die anderen Gedanken irgendwie loswerden. Wenn daraus Geschichten werden, ist es vielleicht eine Art Pool, wo er später veröffentlichen kann, wenn ihm danach ist. Leser wird er dafür mit Sicherheit finden und auch die haben deswegen nicht unbedingt ein erhöhtes Gewaltpotential.
Erschreckende schriftstellerische Werke gibt es viele. Man muss nur mal die Bücher von Stephen King lesen. Da frage ich mich auch oft, was einen Menschen eigentlich auf solch abstruse und teilweise auch abartige Gedanken bringt. Als Autor ist es aber nur ein "Was wäre wenn ..." Spiel, das in der Regel weit von der realen Welt entfernt ist. Er macht sich halt Gedanken über die schlimmen Dinge, die geschehen und versucht dann herauszustellen, wie sich das für die Opfer anfühlen muss oder zu was es führen kann. Gerade bei Kindern haben Gewalttaten oft schlimme Folgen auf für die Psyche. Sicher mag das nicht jeder gerne lesen, aber jedes Genre hat seine Käufer.
Auch dass dein Freund mit Genres und Sichtweisen experimentiert ist nur ein Teil seines Werdegangs als Autor. Da muss man gerade am Anfang immer wieder Neues ausprobieren, um am Ende vielleicht das perfekte Genre für sich zu finden. Ich kenne aber auch einige Autoren, die mit jedem einzelnen ihrer Bücher wieder Neuland betreten und ein neues Genre und einen neuen Stil bedienen. Das ist wahres Können. Also unterstütze ihn lieber.
Stephen King schrieb in Danse Macabre, das Schriftsteller sich die Gabe bewahrt haben den „Affen aus dem Käfig zu lassen“. Im Laufe der Zeit hab ich auch so manches zusammengeschrieben und einiges davon lief unter dem Motto „Mal sehen wie weit wie wir das noch ausreizen können“. Was noch lange nicht bedeutet, das der persönliche ethische Kompass in Richtung „Wahnsinn, galoppierender“ zeigt.
Insbesondere King hat dies immer wieder zum Thema gemacht – vermutlich hat er auch oft genug die Frage zu hören bekommen, ob er nach noch ganz propper im Oberstübchen ist und diesen unterschwelligen Blick gesehen der lautet „Na, wie irre bist du wirklich?“. Die schlichte Antwort lautet: Gute Schreiber sind ein klein bisschen wahnsinnig, aber auf eine harmlose Weise. Ihnen ist die Gabe verliehen worden in den tiefsten, finstersten Gewölben und Kellern der Phantasie rumzustöbern und morbide Schätze an das Tageslicht zu holen, ohne dort leben zu müssen.
Ein echter Irrer lebt dort unten. Immer. Er kennt den Weg hinaus nicht, er hat keine Taschenlampe und wo der Lichtschalter ist hat er völlig vergessen. Für ihn ist die Treppe nach oben, da wo die anderen leben, längst in die Brüche gegangen und nur noch sein fieser Keller ist real. Allerdings tendieren echte Irre nicht dazu darüber sich episch auszulassen – und vermeiden es tunlichst das was sie geschrieben haben anderen zu zeigen.
Als Schreiber steigst du hinab und wenn du ein besonders bizarres Stück findest, dann bist du erfreut und stolz und willst es präsentieren. Abgesehen davon, das Kellergewölbe mit der Aufschrift „Unheimliche kleine Mädchen“ ist ziemlich dicht bevölkert. Da stehen relativ harmlos die toten Zwillinge aus Shining rum, das Geistermädchen aus The Ring/ Ringu, das andere Geistermädchen aus Dark Water, die Little Sisters aus Bioshock und war bei Silent Hill nicht auch eines dabei?-) Dein Freund spaziert da durch eine Gegend der Phantasie, die auch schon etliche andere auf erschreckende Weise betreten haben und hat schreiberisch dort vermutlich viel Spaß. Krankes Zeugs kann spaßig sein.
Allerdings könnte es dir umgekehrt irgendwann passieren, das dein Freund anfängt von dir Abstand zu nehmen, wenn er merkt das du aufgrund dessen was er schreibst vermutest das einige wichtige Schrauben bei ihm mehr als locker sitzen. Nachdem in meinem Freundeskreis mal jemand ähnliche Vorbehalte aufgrund einiger Geschichten aus dem Horrorbereich äußerte, hab ich (laut Berichten der Anwesenden) die Person angesehen, als hätte ich soeben etwas sehr unerfreuliches erblickt und danach sehr unterkühlt den Kontakt rasch einschlafen lassen.
Für mich war (und ist es noch) klar, das jemand der nicht zwischen mir und meinen Geschichten unterscheiden kann, einige ernsthafte Probleme mit der Realitätswahrnehmung hat und darüber hinaus mir einiges ziemlich unverschämtes zutraut. Und mit so einer Person wollte ich dann auch nichts mehr zu tun haben. Es war für mich eine der schlimmsten Beleidigungen, die ich je um die Ohren bekommen hab.
Bezeichnenderweise musste dieser Umstand der Person von verschiedenen Freunden lang und breit und noch länger und viel breiter erklärt werden und begriffen hat sie bis heute nicht so richtig.
@Nephele: Danke für deine Worte. Du hast mir zum ersten Mal bewusst gemacht, wie es bei Schriftstellern im Kopf zugeht. Dein Vergleich mit dem Keller finde ich großartig. Als ich meinem Freund deine Antwort zeigte, meinte er grinsend: "Wer auch immer das geschrieben hat, die Person finde ich knorke."
Auch, dass du selbst Erfahrung mit Menschen hast, die deine Geschichten mit deiner geistigen Gesundheit verwechselt haben, konnte mein Schatz nachvollziehen. Er kennt das von Arbeitskollegen. Ich glaube, ich werde mir nun weniger Sorgen machen, solange er seine Taschenlampe in den dunklen Keller des Wahnsinns mitnimmt und immer wieder zu mir ins gemütliche Wohnzimmer des realen Lebens zurückfindet.
Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, Iggiz. Denn egal, was er schreibt und wie detailliert er es beschreibt, solange du ihm in die Augen gucken kannst, ohne dass du Angst hast, ist und bleibt er dein Schatz. Frage ihn doch einfach mal, wieso er ausgerechnet jetzt mit solchen Themen anfängt. Vielleicht ist seine Antwort harmloser, als du glaubst. Und wenn nicht, gibt es immer noch Leute, die ihm helfen können.
An deiner Stelle würde ich mir keine Sorgen machen. Schriftsteller und Autoren sind Menschen mit viel Fantasie und diese leben sie eben auch aus. Es gibt viele Menschen, die nett im Alltag sind und dann eben so ihre Probleme und Aggressionen verarbeiten, die sie eben irgendwo in einer kleinen Ecke des Herzens haben. Mal ehrlich man regt sich nun mal auf im Leben und wenn man dann noch Fantasie hat möchte man diese Wut über manche Dinge vielleicht einfach kreativ herauslassen und auch einfach so die schlechten Gedanken loswerden.
Er hat dir ja auch selber versichert, dass er so etwas nicht machen würde, weswegen ich mir keine Sorgen machen würde. Hat er allerdings öfter im Alltag Aggressionen muss er einen Weg finden besser damit umzugehen. Man sollte ja auch nicht mit Angst leben müssen. Wobei ich deinem Freund nicht unterstellen will, dass er das auch machen würde, was er da schreibt. Manchmal würde es vielleicht auch etwas bringen, einfach mal alles heraus zu brüllen.
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