Personen, die mit ihrem Wortschatz angeben
Ein Kollege von mir, der in seiner Jugend nicht allzu belesen war, hat jetzt die klassische Literatur für sich entdeckt und liest viele Bücher von bekannten Autoren wie Thomas Mann. Bücher dieser Art besitzen ja einen gehobenen Schreibstil, also mit vielen Fremdwörtern oder stilistischen Begriffen, wie man sie in einem durchschnittlichen Roman nicht findet.
Seitdem der Kollege diese Bücher liest, versucht er deutlich diesen Wortschatz auch in seine Alltagssprache mit einzubauen. An und für sich ja in Ordnung, aber teilweise schon seltsam, wenn er einen anderen Kollegen als "Phäake" bezeichnet. Als dieser fragte, was das sei, meinte er nur ganz spöttisch, dass ihm höhere Begriffe der deutschen Sprache wohl nicht geläufig sein. So hat er sich nun schon zwei, drei Mal verhalten, mit irgendwelchen schwierigen Wörtern um sich werfen und dann sich denen überlegen fühlen, die diese Wörter nicht kennen.
Ich finde das ganz schön nervig mitanzuhören. Vor allem, da es so mit Absicht geschieht. Es ist ja nicht so, als hätte er schon immer so gesprochen und sich schon sein Leben lang mit klassischer Literatur befasst. Ich würde niemals mit solchen Wörtern extra angeben, ist ja nicht so, als wäre es eine besondere Leistung Wörter nachzuschlagen, warum also mit diesem "Wissen" hausieren gehen.
Kennt ihr auch Leute, die gerne absichtlich in solcher gehobenen Sprache reden, um damit etwas zu beweisen? Wie findet ihr das? Und wie würdet ihr reagieren, wenn euch jemand wie mein Kollege konfrontiert und spöttelt, weil ihr ein spezielles Wort nicht kennt?
Speziell fällt mir da jetzt niemand zu ein, der das in meinem Umfeld schon einmal derartig auf die Spitze getrieben hätte. Selbst habe ich mir während der Abiturzeit einige Begriffe aufgeschafft, damit die Klausuren sich besser lasen, aber dabei habe ich auch festgestellt, dass es auf die Dosierung ankommt. Anderfalls klingt das nämlich sehr gestelzt und verliert seine Wirkung, weil man einfach merkt, wer sich das einfach nur eingeprügelt hat und in wessen gebräuchlichen Sprachschatz bestimmte Formulierungen wirklich gehören. Oft fehlt den Leuten auch das richtige Fingerspitzengefühl und sie setzen das Wort nicht zu 100% richtig ein.
Dem Kollegen würde ich wahrscheinlich raten, sich wegen seiner cerebralen Flatulenz mal in Behandlung zu geben, da kann er gleich zwei neue Wörter nachschlagen. Ansonsten hilft in derlei Fällen einfach ein wenig gute alte Nichtbeachtung, denn anscheinend provoziert er doch nur Aufmerksamkeit, allem Bildungsanspruch zum Trotz.
Ich kannte mal jemanden, der immer ein Fremdwort benutzt hat und dieses dann in einem Nebensatz gleich erklärt hat, da kam man sich auch nicht besser vor. Jemanden, der aber Fremdwörter oder hochtrabende Wörter benutzt um sich damit besser hinzustellen kenne ich nicht. Es ist schon sehr schade, dass er sich nur so zu definieren scheint.
Wirklich intelligente Menschen vermitteln Wissen nebenbei und müssen solche Wörter nicht benutzen, dürften sie dennoch kennen. Selbst wenn man solche Wörter benutzt kann man ja durchaus auch erklären, was sie bedeuten und wo man das gelesen hat und gut ist. Man muss niemanden als blöd hinstellen.
Uff, bei deinem Beispiel muss ich gestehen: ich hab nachgeschlagen. Denn mein erster Impuls war zu sagen: Was immer auch ein Phäake sein mag, dein Kollege ist womöglich das, was lautmalerisch arg ähnlich klingt: Kein Phäake, aber womöglich ein Fake.
Ich hab das Glück (oder Unglück, je nach Standpunkt) in den Untiefen des Bildungsbürgertums ausgewachsen zu sein und ein guter Teil meines Freunden und Bekanntenkreises stammt ebenfalls aus Haushalten, wo das Prinzip „Bücher statt Tapete“ gelebt wird. Die meisten von uns tragen einen Haufen zum Teil bizarrer Bildung mit sich herum und: Ja, es macht manchmal sehr viel Spaß damit anzugeben. Oder wie es ein Bekannter gerne sagte „Hach, da muss ich jetzt doch glatt wieder mit meiner Bildung prostituieren!“
Aber die allermeiste Zeit über „rutscht“ einem die Bildung eigentlich mehr so nebenbei raus. Manchmal fällt einem kein anderes Wort ein, ausgenommen diesem einen, nicht nur dezent veralteten, sondern auch schon einst, als noch Männer in Dosen über die Welt rumpelten schon ungebräuchlich war. Und dann steht man da, wirkt gelehrt – und gleichzeitig irgendwie komisch. Und immer hilft es auch nicht, wenn man danach noch schnell ein „Isso Alder ey“ nuschelt.
Im normalen Gespräch hab ich mir angewöhnt mich auf meinen Gesprächspartner einzustellen, denn letztlich hab ich an einem Gespräch auch mehr Spaß als einem Monolog und dem verzweifelten Versuch auf der anderen Seite, rauszubekommen was ich da daher sabbel.
Manchmal aber, wenn man weiß den anderen muss man nicht schonen, dann kann es sehr viel Spaß machen richtig loszulegen. Allerdings kann es einem danach passieren, das man in ziemlich ratlose Gesichter sieht, die sich fragen „Über was haben die da gesprochen? Und -äh- war das ganz sicher Deutsch?“. Ist aber nicht schlimm, fördert nur den Ruf etwas eigen zu sein.
Das erinnert mich irgendwie an einen ehemaligen Bekannten, der gerne mit Fremdwörtern um sich geschmissen hatte. Ich habe mich da gerne mal drüber lustig gemacht und mich dann auch möglichst gestelzt ausgedrückt, aber weiter nichts dazu gesagt. Mein Partner hatte da weniger Hemmungen und hat dem Guten irgendwann mal vor versammelter Mannschaft erklärt, was ein Fremdwort, dass er mehrmals falsch benutzt hat, tatsächlich bedeutet.
Ich gehöre wohl auch zum Bildungsbürgertums und habe einen großen, passiven Wortschatz, aber ich fände es extrem merkwürdig Begriffe in einer Unterhaltung zu verwenden, die heute einfach nicht mehr gebräuchlich sind. Wenn man sich über Literatur unterhält oder über Geschichte oder Philosophie ist das vielleicht angebracht und kann sogar nützlich sein, wenn man bestimmte Begriffe kennt, aber in einer oberflächlichen Unterhaltung mit Kollegen ist das doch total albern.
Es kommt immer darauf an, wer so spricht. Also bei einem Gymnasiallehrer oder irgendeinem politischen Gegenüber, wäre das womöglich ganz normal, wenn so ein Mensch derartige Wörter in den Mund nimmt. Allerdings würde so jemand wahrscheinlich nicht damit angeben, sondern es würde ihm gar nicht mehr auffallen, dass er sich so ausdrückt, weil es eben sein Beruf erfordert.
Wenn aber, wie in diesem Beispiel, jemand, der zuvor völlig unbelesen und wie ich heraus lese auch ziemlich ungebildet war, auf einmal mit solchen Wörtern um sich wirft, nur um anzugeben, dann ist das schon etwas anderes. Aber wahrscheinlich wird er über kurz oder lang erkennen müssen, dass man sich mit so einer Art eher Feinde als Freunde macht und er wird dann bald alleine da stehen. Also gräme dich nicht allzu sehr. Jeder bekommt das, was er verdient. Oder: Das tangiert mich peripher.
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