Gender-Diskussion bzgl Sprache in engl-sprachigen Ländern

vom 04.07.2014, 10:52 Uhr

In diesem Beitrag haben wir mal wieder über die Genderanpassung der deutschen Sprache gesprochen. Dabei ging es um die österreichische Nationalhymne, die um weibliche Bezeichnungen erweitert wurde. Diese Problematik wird in der deutschen und offensichtlich auch der österreichischen Gesellschaft seit einigen Jahren heftig diskutiert.

Dabei geht es vor allem um die weiblichen Bezeichnungen von Personengruppen. Lange wurden etwa Rundschreiben einfach an "alle Kollegen", "Studenten", "Lehrer" verfasst. Stillschweigend wurden damit auch die weiblichen Kollegen, Studenten und Lehrer gemeint, aber sie wurden nicht explizit erwähnt. Um dieser Diskriminierung entgegenzuwirken, wurden dann Forderungen laut, die weiblichen Bezeichnungen auch immer einzubauen.

Nun, im Deutschen gibt es wenigstens weibliche Bezeichnungen für fast alle möglichen Personengruppen. Aber im Englischen gibt es die nicht. Das Englische hat auch nur einen Artikel, "the". Da frage ich mich, ob es eine solche Diskussion überhaupt im englischsprachigen Raum gibt. Wird das "the" wirklich als geschlechtsneutral angesehen oder ist es die männliche Form und eine weibliche Form existiert einfach nicht? Das wäre natürlich noch diskriminierender als die weibliche Form nicht zu benutzen.

Und wie sieht es mit solchen Begriffen aus, die wir in dem Beitrag, den ich oben verlinkt habe, erwähnt haben: "Vaterland" (fatherland), "brüderlich" (brotherly). Dabei würde ich jetzt mal annehmen, dass die Synonyme "home country" und "fraternal" sogar geläufiger sind. Aber es gibt ja sicherlich noch einige andere Begriffe, die man hier erwähnen könnte. Gibt es im englischsprachigen Raum eine Diskussion über solche Begrifflichkeiten, die man mit der Diskussion im deutschsprachigen Raum vergleichen könnte? Oder ist das im Englischen einfach überhaupt kein Problem?

Benutzeravatar

» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Im englischen gibt es sehr wohl auch eine Diskussion und es tut sich auch schon was. Mein liebstes Beispiel ist hier das "Handbuch für Hacker" welches im Englischen hier streng und ausschließlich in allen geschlechtsspezifischen Angaben von "she" und "her" spricht! Das halte ich schon für einen Fortschritt und für vor 15 Jahren eigentlich - ohne eine entsprechende Diskussion - undenkbar!

Ein Beispielsatz wäre z.B. der: "Without any cooperation from the user, the attacker may be able to carry out any action that the user could perform if she were herself malicious." Hier wird praktisch mit dem Standard gebrochen, dass Computernutzer männlich sein müssen. Es bedarf keiner weiteren Aufregung - wenn jetzt die Sprache einfach "she" nutzt statt "he" und damit beide Geschlechter meint. Ähnlich, wie es theoretisch dem "he" zugesprochen worden ist. Nur ist es nach wie vor so, dass in der Vorstellung der Menschen eine Frau in dem Bereich als etwas "Unnatürliches" gesehen wird. Und die benutzte Sprache hat diese Entwicklung bzw. diesen Zustand mit gefestigt.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


derpunkt hat geschrieben:Es bedarf keiner weiteren Aufregung - wenn jetzt die Sprache einfach "she" nutzt statt "he" und damit beide Geschlechter meint.

An das Personalpronomen, das dann den geschlechtsneutralen Bezeichnungen folgt, habe ich gar nicht gedacht. Demnach fühlt sich "the teacher" für Englisch Sprechende durchaus sehr männlich an, denke ich.

Danke für das schöne Beispiel. Klasse, dass ein ganzes Buch und auch noch aus der Branche so gestaltet wurde. Das setzt wirklich Zeichen.

Benutzeravatar

» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ob sich mit "the teacher" ein Mann oder eine Frau vorgestellt wird, hängt tatsächlich eher vom Kontext bzw. der Sozialisierung ab. Wie es auch im deutschen davon abhängt, ob man sich unter "das Kind spielt Fußball" jetzt einen Jungen oder ein Mädchen beim Kicken vorstellen mag. Und da kommt der "Gender-Quatsch" genau richtig - denn solange Sprache so beibehalten wird, werden wir bei "das Kind spielt Fußball" immer an "den Paul" denken, nie an "die Steffanie". Und dies setzt sich dadurch fort, dass keiner annehmen wird, dass Steffanie besser spielen kann, als Paul. Und da wäre die Brücke zur Diskriminierung.

Mache tatsächlich für dich den Test: an was für ein Geschlecht denkst du bei "ein Kind" als erstes? Oder gerne verschärft: das "Kind spielt mit seinem Auto". Junge oder Mädchen?

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^