Wird Nächstenliebe heutzutage noch aktiv gelebt?

vom 30.06.2014, 14:11 Uhr

Nächstenliebe ist doch etwas schönes. Ich helfe gerne, wenn ich helfen kann und ich finde, dass jeder eine Chance bekommen sollte. Ob man dem Bibelspruch unbedingt Folge leisten sollte "Liebe deinen Nächsten wie dich selber" ist fraglich. Aber ein wenig Nächstenliebe finde ich schon gut.

Ich kann mich an meine Grundschulzeit erinnern, wo wir das auch im Unterricht besprochen haben, dass man helfen sollte. Dass man Nachbarn helfen sollte, dass man älteren Leuten helfen sollte und dass man auch zu hause bei den Eltern helfen sollte. Bei den Pfadfindern hieß es damals "Jeden Tag eine gute Tat". Aber das scheint nicht mehr zu sein.

Das Kind eines Bekannten ist bei den Pfadfindern und denn Spruch kannte er nicht, als ich diesen erwähnte. Wird denn heute Nächstenliebe nicht mehr so aktiv gelebt? Wie kommt es zu diesem Wandel? Oder ist es bei euch vielleicht anders? Woran mag es liegen?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Wenn ich an die Pfadfinder mit ihrer guten Tat denke, muss ich immer an die zahlreichen Witze denken, in denen alten Damen unter Protest über die Straße geholfen wird, obwohl sie eigentlich nur auf den Bus gewartet haben. Wahrscheinlich haben die Menschen heute einfach begriffen, dass es total respektlos ist Menschen seine Hilfe aufzudrängen wenn sie nicht danach fragen. Nur weil jemand alt ist ist er nicht automatisch zu dumm um über die Straße zu gehen oder nicht in der Lage seine Einkaufstüte zu tragen, die Menschen sind heute viel länger fit als früher.

Ich kenne auch niemanden, der das Wort "Nächstenliebe" benutzt. Das ist eh ein religiöser Begriff, der im ursprünglichen Kontext bedeutet hat, dass der Gott befielt, dass man die Angehörigen des eigenen Stammes gut behandeln sollte. Deshalb konnte der selbe Gott auch den Völkermord an verfeindeten Stämmen befehlen ohne gegen seine eigenen Regeln zu verstoßen. Wahrscheinlich stirbt der Begriff deshalb aus, weil sich auch die Religion im Niedergang befindet und weil sich selbst mehr oder weniger religiöse Menschen nicht mehr von der Kirche vorschreiben lassen wollen, wie sie zu leben haben.

Ich finde es jedenfalls wesentlich sinnvoller Kinder dazu zu erziehen, dass sie andere so behandeln, wie sie selber behandelt werden wollen. Und dazu gehört eben auch in gewissen Situationen nicht zu helfen, weil man sich in einer vergleichbaren Situation wünschen würde, dass die Umwelt einem zutraut, dass man etwas alleine schafft.

Über mangelnde Hilfsbereitschaft, wenn sie angebracht ist, kann ich mich übrigens überhaupt nicht beklagen. Ich hatte vor Kurzem einen platten Fahrradreifen und habe sofort Hilfe angeboten bekommen und als ich auf dem Baumarkt Parkplatz am Wochenende etwas sperriges einladen mussten waren auch sofort zwei Männer zur Stelle. Aber zur Hilfsbereitschaft im Alltag gibt es ja schon genug Themen, wo du nachschauen kannst.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Weiß nicht genau, ob es so was wie "Nächstenliebe" jemals gab oder geben wird. Was aber aus meiner Sicht richtig wäre (und auch weltlicher) der Blick auf den von Kant formulierten "Kategorischer Imperativ". Unabhängig von der bestehenden Kritik an diesem Grundsatz. Jedenfalls finde ich die Handlungsmaxime eines vernunftbegabten Menschen nachvollziehbar, dass alles was getan wird, auch als allgemeines Gesetz Gültigkeit haben kann. Das baut dann auf einer Vorstellung eines guten Miteinanders auf, welches auch ohne Nächstenliebe funktioniert.

Der von dir zitierte "Pfadfinderspruch" lässt sich ja auch nicht aus der Nächstenliebe ableiten. Denn hier wird die gute Tat unabhängig von allem zur Pflicht erhoben. Man macht die gute Tat also, um seine Pflicht zu erfüllen nicht um dem Mitmenschen zu helfen! Das ist aus meiner Sicht schon ein entscheidender Unterschied und auch nur aus dem Verständnis lässt sich auch der "Witz" erklären, den du mit dem Spruch verbindest.

Diamante hat geschrieben:Wird denn heute Nächstenliebe nicht mehr so aktiv gelebt?

Wie wurde denn "Nächstenliebe" gelebt und vor allem: wann soll das gewesen sein? Hier verstehe ich trotz meines Alters im Moment nicht genau, in welchem Zeitraum du einen möglichen Wandel siehst bzw. wann diese Zeit oder Epoche "ohne Nächstenliebe" deiner Meinung nach begonnen hat.

Cloudy24 hat geschrieben:als ich auf dem Baumarkt Parkplatz am Wochenende etwas sperriges einladen mussten waren auch sofort zwei Männer zur Stelle.

Ohne dir gewisse romantische Vorstellungen rauben zu wollen, würde ich mal dieses Szenario nicht dazu nehmen, "Nächstenliebe" vorfinden zu können. Hier um es plastischer zu machen, steht also eine Frau allein auf dem Parkplatz eines Baumarkts und braucht offenkundig Hilfe. Niemand dürfte sich wundern, wenn hier nicht 20 "Männer" ihre Hilfe geradezu aufdrängen würden. Im Tierreich würde man das unter Balzverhalten einordnen. ;)

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



derpunkt hat geschrieben:Ohne dir gewisse romantische Vorstellungen rauben zu wollen, würde ich mal dieses Szenario nicht dazu nehmen, "Nächstenliebe" vorfinden zu können. Hier um es plastischer zu machen, steht also eine Frau allein auf dem Parkplatz eines Baumarkts und braucht offenkundig Hilfe. Niemand dürfte sich wundern, wenn hier nicht 20 "Männer" ihre Hilfe geradezu aufdrängen würden. Im Tierreich würde man das unter Balzverhalten einordnen. ;)

Na ja, so toll sah ich in meinen Gartenklamotten jetzt nicht gerade aus, ich glaube da hätte sich auf dem Parkplatz ein attraktiveres Exemplar der weiblichen Spezies finden lassen. :lol:

Aber im Ernst - ist "Nächstenliebe" als etwas definiert, das immer total uneigennützig ist? Denn wenn man mal zu dem religiösen Ursprung zurück geht, da wird Nächstenliebe ja betrieben um einen Befehl zu befolgen, eine Strafe zu vermeiden oder im Jenseits eine Belohnung zu bekommen. Das unterscheidet sich für mich jetzt nicht so sehr von dem Wunsch jemandem nur deshalb helfen zu wollen, weil man die Person attraktiv findet.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Cloudy24 hat geschrieben:Na ja, so toll sah ich in meinen Gartenklamotten jetzt nicht gerade aus,

Ich glaube, da überschätzt du den gemeinen Mann und unterschätzt die Wirkung von einer Frau auf den Mann. Da spielt die Kleidung wirklich nur in der Vorstellung der Werbebranche eine entscheidende Rolle!

Cloudy24 hat geschrieben:ich glaube da hätte sich auf dem Parkplatz ein attraktiveres Exemplar der weiblichen Spezies finden lassen.

Aber offenbar keine Exemplare welche Hilfe gebraucht hätten und unbegleitet waren.

Cloudy24 hat geschrieben:Aber im Ernst - ist "Nächstenliebe" als etwas definiert, das immer total uneigennützig ist?

Anders als du sehe ich in der Nächstenliebe eben kein Gebot! Es ist "uneigennützig" wenn man "liebe deinen Nächsten wie dich selbst" als Ursprung der Handlungsmaxime nimmt. Und sich selbst liebt man "um seiner selbst Willen" - nicht weil man sich später dafür belohnt.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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