Notfallmedikamente als Risikofaktor für Erzieher

vom 17.06.2014, 11:29 Uhr

Immer mehr Kinder leider unter Allergien. Nicht immer kann man den allergieauslösenden Substanzen aus dem Weg gehen. Beispielsweise kann man bei einer Erdnussallergie nicht immer den Überblick behalten, ob in einem Lebensmittel nun Erdnüsse enthalten sind. Wobei Erdnüsse mittlerweile auch auf allen Lebensmitteln gekennzeichnet sind. Aber eben nicht auf Kuchen, die eine andere Mutter mit in den Kindergarten bringt.

Ein anderes Beispiel wären Insektenstichallergien. Vor Insekten kann man Kinder nur schwer schützen. Insekten fliegen im Sommer nun mal durch die Luft und machen auch vor gefährdeten Kindern keinen Halt. Für beide Fälle, die ich nun genannt habe, gibt es Notfallmedikamente. Sicherlich gibt es noch andere Risiken, die mit Notfallmedikamente behoben werden oder gelindert werden können.

In allen Fällen muss aber frühzeitig gehandelt werden. Deshalb sollten Eltern von kleineren Kindern eben Notfallmedikamente mit in den Kindergarten gebracht werden. Erzieher in Kindergärten dürften aber keine Medikamente mehr geben. In vielen Fällen reicht es auch, wenn der Arzt eine Verordnung dafür mitgibt und genau darlegt, wann diese Medikamente, wie gegeben werden müssen. Trotzdem sagen immer noch viele Erzieher, die geben trotzdem keine Medikamente. Als Alternative wird dann angeboten, man würde im Fall der Fälle die Eltern benachrichtigen.

Das mag vielleicht möglich sein, wenn die Eltern innerhalb kürzester Zeit in den Kindergarten kommen können. Oftmals haben die Eltern aber einen längeren Fahrtweg von ihrem Arbeitsplatz, bis zu dem Kindergarten, in dem ihre Kinder betreut werden. Im Fall der Fälle können aber Sekunden entscheidend sein.

Nun meinte eine Mutter, die Erzieher sollen doch ihrem Kind die Notfallmedikamente bitte verabreichen. Schließlich seien sie ja auch Haftpflichtversichert und damit wären ja alle Schäden und auch Spätfolgen abgesichert. Wären die Erzieher dann aber nicht auch abgesichert, wenn sie eben die Notfallmedikamente nicht geben, weil ihnen das Risiko zu groß ist, was falschen zu machen?

Warum werden Notfallmedikamente immer mehr zum Risikofaktor im Berufsleben von Erziehern? Zu meiner Zeit hat sich da keiner Gedanken drum gemacht. Brachten die Eltern Medikamente mit, die ihr Kind gebraucht hat, dann wurden die eben auch gegeben. Erlebt ihr das in eurer Kindertagesstätten ähnlich? Handeln vielleicht Tagesmütter anders? Wie seht ihr den Punkt mit der Haftpflichtversicherung?

» Fugasi » Beiträge: 1877 » Talkpoints: 1,33 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich arbeite selber in so einer Einrichtung und muss sagen, dass mir das Ganze auch zu heiß ist. Denn sollte irgend etwas nachher sein, kann man immer die Schuld bei mir suchen und ich bin dann Länge mal Breite haftbar, obwohl ich bestmöglichst gehandelt habe, also dem Kind die angeblich notwendigen Medikamente verabreicht habe.

Scheinbar müssen wir jetzt aber generell so einen Kurs besuchen, indem uns das Geben der Medikamente gelehrt wird. Dieser ist verpflichtend für alle ausgebildeten Pädagoginnen, allerdings sind die Kurse momentan überbesetzt und es gibt keine Chance da irgendwie dazu zu kommen. Und laut denen, die diesen Kurs bereits besucht haben, darf man trotzdem noch nicht mehr verabreichen, wie zuvor. Also bringt dieser Kurs wieder nichts.

Auf das Argument mit der Haftpflichtversicherung der Eltern würde ich mich auch nicht einlassen. Beim Zweifel wendet man sich am besten an den Vorgesetzten oder an den Träger der Stätte. Wenn du die Eltern anders nicht mehr abwimmeln kannst, ist das das klügste.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


nordseekrabbe hat geschrieben:Ich arbeite selber in so einer Einrichtung und muss sagen, dass mir das Ganze auch zu heiß ist. Denn sollte irgend etwas nachher sein, kann man immer die Schuld bei mir suchen und ich bin dann Länge mal Breite haftbar, obwohl ich bestmöglichst gehandelt habe, also dem Kind die angeblich notwendigen Medikamente verabreicht habe.

Und was ist mit unterlassener Hilfeleistung? Ist man nicht auch dran, wenn das Kind an dem allergischen Schock stirbt? Und das ist doch viel wahrscheinlicher, als dass es durch seine vom Arzt für genau diesen Fall verordneten Medikamente Schaden davonträgt.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Du bist verpflichtet, alle möglichen Ersthilfemaßnahmen zu leisten, die nichts mit einer Medikamenteneingabe zu tun haben. Davor unbedingt die Rettung und den zuständigen Arzt informieren. Dann bist du aus dem Schneider, so meine Meinung. Ich habe da auch nachgefragt, und mir wurde gesagt, die erste Hilfe Maßnahmen haben nichts mit Medikamenteneingabe zu tun, und wenn man sich das genau überlegt, dann stimmt das auch. Bei einer erste Hilfe Maßnahme gebe ich keinerlei Medikamente ein normalerweise.

Das betroffene Kind muss dann eben so lange warten, bis die Rettung kommt, also sprich: Das Personal das dafür zuständig und befugt ist. So leid es mir tut, aber da sind mir in meinem Beruf die Hände gebunden. Denn ich kann auch nicht meine Zukunft verbauen und wenn alles auf mich zurückfällt- und Eltern können in ihrer Trauer so gemein sein und die Schuld dann bei denen suchen, die alles Mögliche getan haben- mit einem Fuß im Gefängnis landen oder gar Schmerzensgeld oder dergleichen zahlen. Wenn ich mich nicht auskenne, verabreiche ich keine Medikamente.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Also mal ganz ehrlich. Was soll denn bei der Verabreichung eines Medikamentes schief gehen? Das ist eventuell ein Zäpfchen, zumindest kenne ich das in Zäpfchenform. Das sollte man doch hinbekommen. Wenn man sich das nicht zutraut würde ich die Leitung auf eine Weiterbildung ansprechen. Das finde ich ganz dringend, weil man Erste Hilfe leisten muss, alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung und strafbar. Es gibt da durchaus Kurse und diese zu besuchen wäre sehr sinnvoll, damit man im Notfall keine Angst haben muss, etwas Falsches zu machen. Falsch machen kann man nicht viel, aber man darf nicht zu ängstlich ran gehen und sollte ungefähr wissen was man macht.

Ich finde es schon wichtig, dass man als Erzieher damit umgehen kann. Im Fall eines allergischen Schockes zählt jede Minute, sonst erstickt das Kind. Will man da wirklich daneben stehen bleiben? Ich denke nicht. Deswegen muss man das in der Einrichtung ansprechen und sich Weiterbildungen ermöglichen lassen. Das bringt Sicherheit.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich weiß nicht welchen Teil von "Nein" da nicht verstanden wurde. Das "N" oder das "ein". Eines von beiden muss es ja wohl sein. Es ist so, dass ich unter keinen Umständen Medikamente verabreichen darf, weil ich mich sonst strafbar mache.

Was ich tun muss, ist den Notarzt rufen und so etwas würde ich auch tun, bevor ich mich selber in eine Sache hinein reite, die mir über den Kopf wächst. In so einer Streitfrage steht dann der Arbeitgeber auch nicht mehr hinter mir, weil ich vom Gesetz her nicht irgendwelche Medikamente verabreichen darf, es sei denn, ich habe eine besondere Ausbildung, also sprich, ich bin Krankenschwester oder ähnliches.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


@nordseekrabbe: Fühl dich nicht angegriffen. Der Vorwurf geht ja nicht an dich. Du findest die aktuelle Situation doch auch bescheiden und würdest in so einem Fall lieber helfen.

Ich habe selber eine Insektenstichallergie und führe immer Notfallmedikamente mit. Es sind zwei Flüssigkeiten, die ich sofort einnehmen muss und wenn ich nach 10 Minuten Atemnot habe, muss ich einen Epinephrinstift am Oberschenkel ansetzen. Also keine Zäpfchen. Ich bräuchte also auch gar keine Hilfe.

Wenn nun ein Kind seinem Allergen ausgesetzt wurde, darf man ihm dann seine Medikamente geben und es nimmt diese ganz selbständig ein? Bis es Zeit für den Epi-Pen wird, den ein Kindergartenkind vielleicht nicht selber ansetzen kann, wäre ja auch langsam ein Krankenwagen da. Aber die Flüssigkeiten kann es doch einfach selber trinken. Hat man sich als Erzieher dann mit dem Weiterreichen der geschlossenen Medikamentenpackung schon strafbar gemacht?

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich habe selber Erzieherin gelernt und wir haben einen abschließbaren Kasten gehabt, wo die Eltern für Kinder mit Allergien und anderen Erkrankungen die Medikamente abgegeben haben. Ein Kind hatte Asthma und das Notfallspray wollten die Eltern nicht dem Kind mitgeben, weil sonst andere Kinder eventuell das Spray in die Hände bekommen könnten. Wir haben das Medikament gegeben, wenn das Kind Asthma hatte. Wenn wir das nicht gemacht hätten, wäre das Kind erstickt. Denn so schnell kann dann auch kein Notarzt kommen. Das Kind brauchte sofort das Notfallspray.

Ebenso war bekannt, dass ein Kind eine einen Pseudokrupp hatte und wenn der Krupphusten los ging, musste man auch schnell handeln. Ich weiß auch noch von einem Kind in einer Einrichtung in der ich ein Praktikum gemacht habe, was eine "Mastozitose" hatte und da musste auch ziemlich schnell gehandelt werden und Histamine verabreicht werden.

Wir haben uns von den Eltern eine Einverständniserklärung unterschreiben lassen, die uns dann auch absicherten. Was sollte man auch falsch machen. Die genaue Dosierung und auch der Name des Kindes stand auf dem Medikament und es hat schon oft geholfen. Wenn wir das nicht hätten gemacht, wäre bei zwei Kindern wahrscheinlich jede Hilfe zu spät gekommen.

Ich weiß auch, von einer Bekannten, die auch in einer Kindertagesstätte arbeitet, dass es dort auch heute noch so gehandhabt wird und wer sollte es denn verbieten, wenn die Eltern die Erzieher schriftlich dazu beauftragen? In der Einrichtung ist sogar ein Diabetikerkind, welches sich spritzen muss. Das macht es zwar alleine aber die Erzieher geben das Medikament heraus, damit es auch ordnungsgemäß gelagert wird und kein Kind einfach daran kommt.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich habe mich gefragt, wie das in Kindergärten ist, in denen auch behinderte Kinder sind. Da steigt der Bedarf an Medikamenten ja exponentiell an.

Wenn ein Kind in einen Kindergarten geht, wird ein Betreuungsvertrag abgeschlossen. Der Träger kann den Vertrag so formulieren, dass Medikamente verabreicht werden können. Dann können die Eltern auch darauf bestehen, dass ihre Kinder ihre Medikamente bekommen. Im Arbeitsvertrag der Erzieher steht das dann auch mit drin und sie sind dann dazu verpflichtet. Zusätzlich muss dann noch die Einverständniserklärung der Eltern und eine genaue Anweisung des Arztes vorliegen, die sich eben genau auf dieses oder jenes Kind und das spezielle Medikament bezieht.

Wenn ein Medikament in der falschen Dosierung gegeben wurde, wird das als Arbeitsunfall eingestuft. Eine ausgelassene Medikamentengabe allerdings nicht. Es wird geraten, dass der Träger seine Mitarbeiter zusätzlich gegen haftungsrechtliche Risiken versichert.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


nordseekrabbe hat geschrieben:Das betroffene Kind muss dann eben so lange warten, bis die Rettung kommt, also sprich: Das Personal das dafür zuständig und befugt ist. So leid es mir tut, aber da sind mir in meinem Beruf die Hände gebunden.

Sorry, aber das ist doch völliger Quatsch und total fahrlässig. Das mag stimmen, wenn man nun überhaupt keine Ahnung hat und ein geistiger Tiefflieger ist. Aber wenn ihr sogar schon einen Kurs besuchen sollt, indem euch das gezeigt wird, dann musst du spätestens nach dem Besuch auch eine vernünftige Erste Hilfe leisten können und dann gehört eben auch dazu, dass man das macht was man gelernt hat. Man muss Erste Hilfe in dem Rahmen leisten, den man kann.

Bei der ersten Hilfe geht es doch nicht darum, dass da irgendwer mit einem Schreiben kommt, wo jetzt drauf steht was er alles darf. Jeder muss das machen, was in seiner Macht steht. Du kannst ja mal gerne einen der Kollegen vor das Gericht stellen, der einen Kurs besucht hat wo Medikamentenapplikation gelehrt wird, der dann zum Beispiel bei einem allergischen Schock eben nicht gleich die Medikamente gegeben hat, die das Kind für den Fall hatte und dann verstorben ist, weil der Notarzt nicht mehr rechtzeitig genug kam. Da stehst du dann schon mit einem Bein im Gefängnis.

Sicher kann man jetzt nicht erwarten, dass jeder einen Zugang legen kann oder ein kleines Kind intubiert bevor der Kehlkopf völlig zu schwillt, aber bei einem Kind mit bekannter allergischer Vorgeschichte eben zum Beispiel nicht das Notfallset zu benutzen und ganz banal in den Muskel zu spritzen, halte ich für sehr fahrlässig. Und genau sowas kann ja beim angesprochen Insektenstich ganz schnell passieren. Zumal man da mit der ganz vorsichtigen Variante ein paar Tropfen Fenistil zu geben auch nicht wirklich etwas falsch machen kann.

Auch wird man mit einem Paracetamolzäpfchen bei Fieber keinen Schaden anrichten außer dass das Kind vielleicht rummeckert, weil es kein Zäpfchen in den Po haben will. Man muss ja nun kein Arzt sein um so etwas zu machen. Mit seinen Kindern zu Hause rennt man ja auch nicht immer sofort zum Arzt und hat in der Regel auch eine kleine Hausapotheke.

Ich persönlich finde sowas doch sehr bedenklich, dass es heutzutage oftmals wichtiger ist mit dem Hintern an die Wand zu kommen, als so einem kleinen Floh, der sich nicht selber helfen kann, zu Hilfe zu kommen.

» Klehmchen » Beiträge: 5492 » Talkpoints: 1.014,34 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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