Straßenkinder wegsperren - richtige Maßnahme in Brasilien?

vom 09.06.2014, 22:06 Uhr

Während der Fußballweltmeisterschaft, wenn Besucher aus aller Welt kommen, will sich Brasilien als perfektes Land darstellen. So schnell aber lassen sich soziale Konflikte nicht aus der Welt schaffen. Also hat man für ein großes Problem schnell eine Lösung geschaffen. Die Straßenkinder werden eingesammelt und weggesperrt in Heime. Alltag sind hier Armut, Drogen, Alkohol und Missbrauch. Viele Kinder fliehen aus den dramatischen Verhältnissen zu Hause. Die Polizei macht Razzien und sammelt Kinder ein. Ganze Kinderscharen verfrachtet sie in Heime. Strassenkinder in Brasilien

Die Straßenkinder haben keinerlei Chancen. Wer keinen festen Wohnsitz hat, darf auch nicht in die Schule. So erging es schon den Eltern und nun den Kindern. Ich frage mich, wie die Kinder in den Heimen behandelt werden. Viele versuchen vergeblich zu fliehen. So viele Kinder können unmöglich auf einmal dort unterkommen. Wie denkt ihr über diese Maßnahme der Regierung? Viele von den Menschen, die während der WM nach Brasilien fahren, kennen die Verhältnisse dort schon.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Selbstverständlich ist diese Maßnahme nur kosmetischer Natur und Probleme werden unter den Teppich gekehrt. Nichts von dem was im Argen liegt, wird so auf die Agenda kommen und niemand wird sich aufmachen, die Probleme so anzugehen, dass hier nachhaltige Lösungen gefunden werden. Aber - selbst wenn die Armut und das Elend offensichtlich bleiben würden, würde man das Problem weder im (kurzen) Vorfeld zur WM noch danach wirklich lösen können. Denn dann hätte man es längst getan!

Dann steht ja zu befürchten, dass die Fußballfans die aus aller Welt nach Brasilien angereist kommen, sich eben gar nicht für das Elend interessieren und ganz froh darüber sind, dass dies wenigstens optisch gelöst wird! Oder glaubt man wirklich daran, dass hier der gemeine Fußballfan der hier sein letztes Geld zusammengekratzt hat um sich Ticket und Reise zu gönnen auch wirklich an der Rettung der sozialen Welt in Brasilien interessiert ist? Oder der gutbetuchte Fußballfan der in den VIP Logen Platz nimmt und mehrere Tausend Euro für den Eintritt bezahlt? Im Grunde ist die Maßnahme doch eher ein Schutz, weil ich eher das Gefühl hätte, dass diese Straßenkinder leicht noch mal zu Opfern werden könnten. Einfach, indem die Fußballfans hier nur eine "normale Form" der Prostitution erkennen.

Allein an Hand der wachsenden Proteste in Brasilien gegen die Fußball WM sollte ja jedem der sich dafür interessiert klar sein, dass in dem aufstrebenden Schwellenland nicht wirklich alles Gut ist. Der wirtschaftliche Erfolg der letzten Jahre ist eben nicht wirklich gleichmäßig verteilt worden und wirklich bereite Massen sehen sich einer Verelendung ausgesetzt, die es in der Form und Geschwindigkeit in der jüngeren Vergangenheit eben nicht gegeben hat.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Es ist wirklich eine Schande, dass die Regierung eines so schönen großen Landes nicht in der Lage bisher war, der Korruption Herr zu werden. Die vielen Probleme, die es hier gibt, angefangen bei den Straßenkindern, den Wohnungs- und Armutsproblemen sowie dem überall zu findenden Drogenhandel sollten zumindest teilweise in den Griff zu bekommen sein. Aber die Großgrundbesitzer haben den Staat hinter sich und andere Menschen scheinen nicht zu existieren. Mich wundert nur, dass die überwiegende Zahl der Menschen immer noch so fröhlich ist. Oder ist das alles nur Show für die Touristen?

Ich sehe das etwas anders bei den Straßenkindern. Die jüngeren hätte man schützen können. Aber die älteren leben hauptsächlich vom Diebstahl, selbstverständlich auch teilweise werden sie sich prostituieren, aber auf freiwilliger Basis. Sie sind sehr selbstbewusst und gewitzt und ich glaube nicht, dass sie Opfer werden. Sie sind auch in Gruppen zu mehreren zusammen, wo einer dem anderen hilft. Um den momentanen Polizei-Razzien zu entgehen, stellen sie Wachposten auf.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Cid hat geschrieben:Die jüngeren hätte man schützen können.

Das ist zwar eine schöne Vorstellung - letztlich aber eine Worthülse. Was sind die "Jüngeren"? Bis 12? Bis 14? Oder bis 16 Jahre? Und warum wäre es vertretbar, wenn sich 16jährige an die Straße stellen?

Cid hat geschrieben:selbstverständlich auch teilweise werden sie sich prostituieren, aber auf freiwilliger Basis.

Auch so eine Aussage halte ich für zynisch. Wie kommst du hier auf die Vorstellung, eine "freiwillige Basis" zu haben? Wäre die Alternative ein Studium in einer der Eliteuniversitäten? Oder aber wäre die Alternative das Verhungern bzw. die Gewalterfahrung durch Dritte, die einen dazu auffordern, Geld anzuschaffen? Wie kann die Freiwilligkeit konstruiert werden, wenn man sich einen beliebigen 16jährigen oder eine beliebige 16jährige vorstellt, die mit einem wildfremden, deutlich älteren und nach gängigen Schönheitsidealen nicht perfekten Menschen auf ein Zimmer mitgehen soll?

Cid hat geschrieben:und ich glaube nicht, dass sie Opfer werden

Mit dem Dasein als Straßenkinder haben sie also noch gar nicht den Status des "Opfers" der Gesellschaft erreicht?

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



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