Warum so wenig Ausbildungen in Deutschland für Autoren?
Man bezeichnet Deutschland auch immer wieder klischeehaft als Land der Dichter und Denker. Das mit den Denker stimmt sicherlich auch heute noch, denn man findet hier im Allgemeinen recht gute Ausbildungsgänge und ich denke, wir können da nicht meckern.
Was mich aber wundert ist, dass die Ausbildung der Dichter in Deutschland quasi nicht vorhanden ist. Wenn man beispielsweise nach Amerika blickt, sieht man, dass dort kreatives Schreiben überall gelehrt wird. Sogar an zahlreichen Universitäten. Hier bei uns sieht das ganz anders aus. Es gibt zwar so private Institute und Volkshochschulen, die sich hier hervor tun. Aber auf Hochschulniveau gibt es hier unheimlich wenig.
Wenn man Künstler werden will, dann gibt es so viele Ausbildungsgänge, so lange man sich um Bereich der Musik oder der bildenden Kunst bewegt. Schon als Kind kann man bei Jugend musiziert mit machen und wird dann als talentierter Nachwuchs gefördert. Musikschulen kümmern sich um die Ausbildung in den Grundlagen. Kunstschulen für Malerei und Plastik gibt es in vielen Städten.
Aber eine qualifizierte Förderung für Kinder, die talentiert schreiben, das kenne ich kaum. Ich habe von Bekannten gehört, dass das in der DDR wohl anders gehandhabt wurde. Da sind angeblich schriftstellerisch talentierte Kinder gezielt von etablierten Autoren gefördert und fortgebildet worden. Aber in der BRD? Da ist mir nichts dergleichen bekannt.
Ich kann mir das nur irgendwie nicht erklären! Warum fördert ein Kulturkreis, der so stolz auf seine Literaten ist so wenig den Nachwuchs? Es geht hier ja nicht nur um die Kinder, sondern auch um junge Erwachsene, die eine Berufsausbildung suchen. Sicher kann man Werbetexter oder artverwandtes lernen, aber das ist eben auch nicht die Qualifikation, die man als "richtiger" Autor braucht.
Ich hätte bislang auch gedacht, dass man solches Handwerkszeug lernt, wenn man Literaturwissenschaft studiert. Aber da wird eben darauf geachtet, dass die Leute lernen, Texte anderer zu analysieren. Wer gut analysieren kann, der muss nicht automatisch in der Lage sein, auch gut zu schreiben. Also ist so ein Studium auch keine Option, die automatisch zu Autorenberuf befähigt. Auch wenn man gerade im Sektor Kinder- und Jugendbuch einige Autoren findet, die Germanistik oder Literaturwissenschaft studiert haben.
Kann es denn wirklich sein, dass man hier hofft, dass sich Talent auf zauberhafte Weise selbst entfaltet? Bei einem musisch begabten Kind würde doch auch niemand ernsthaft so denken und einfach zuwarten? Wie erklärt ihr euch, dass es da so wenig Förderung gibt? Oder haltet ihr die Möglichkeiten für ausreichend und findet meine Bedenken übertrieben?
Ich verstehe das Problem nicht ganz. Denn auch die künstlerischen Bereiche, die du nennst und für die es Ausbildungsangebote gibt, bringen einem keine Kreativität bei, sondern nur das Nutzen von Handwerkszeug. Wer sich als Bildhauer versucht, der muss ja auch mit Techniken und Vorlagen vorlieb nehmen, die andere vor ihm genutzt haben. Ebenso bei Studiengängen der Musik beschäftigt man sich mit dem was war und ggf. mit der Benutzung von Instrumenten. Alles, was dann künstlerisches neu geschaffen wird, wurde vorher nicht gelehrt.
Natürlich gibt einem ein Studium der Literaturwissenschaften oder der Germanistik "nur" die Werkzeuge an die Hand. Und nicht jeder der Literaturwissenschaften studiert, will überhaupt als Dichter tätig werden. Sich da hin zu bewegen, ist ja ein Prozess, eine Entwicklung - und zu der gehört (will man Künstler werden) eben auch viel seiner Persönlichkeit (die nicht angelernt werden kann). So was wird ein wenig verwischt bzw. verdeckt, wenn man sich die "industrielle" Produktion von "Künstlern" über Unterhaltungssendungen wie z.B. "DSDS" oder auch "Voice of ..." anschaut. Aber dennoch zeigt sich diese industrielle Form am Ende doch nur als Vermarktungsweg - wirklich viele Künstler sind aus solchen Projekten nicht entstanden.
Ebenso könnte man bzgl. Literatur sicher nichts anbieten, was Erfolg nach sich ziehen müsste. Denn für das Leben als Schriftsteller ist ja auch die eigene Biografie wichtig. Die eigenen Ziele, Vorstellungen und Träume. Nichts, was an der Universität gelehrt werden könnte.
Einen Verweis nach bzw. einen Vergleich zu dem USA und dem "kreativen Schreiben" würde ich übrigens nicht ziehen wollen. Auch wenn das evtl. arrogant klingen mag, sehe ich in solchen Aktionen eher eine Aufräumaktion für "Studenten", die sonst nichts gefunden haben. Der wissenschaftliche Mehrwert aber auch der potentielle Nutzwert solcher Kurse dürfte in etwa dem entsprechen, was hier an der VHS dazu gelehrt wird. Denn nicht alles, was wo anders "gelehrt" wird, ist sinnvoll bzw. vorbildhaft!
Ob diese Studiengänge in den USA sinnvoll sind, will ich nicht beurteilen, da ich da noch nie irgendwelche derartigen Angebote angenommen habe. Ich könnte also nur theoretisch darüber philosophieren, was hier kaum weiter führt. Ich wundere mich aber eben weniger darüber, wie es in anderen Ländern gemacht wird, sondern dass es hier fast nicht statt findet.
Und irgendwie scheinen wir bezüglich der Ausbildung gerade etwas aneinander vorbei zu reden, derpunkt. Ich versuche das also etwas besser zu erklären.
Ja, natürlich studiert der Löwenanteil der Studenten der Literaturwissenschaft dieses Fach, weil sie Werke bewerten und analysieren wollen. Oder weil sie vielleicht in einem Verlag als Lektor arbeiten wollen. Dazu muss man auch nicht zwangsläufig schreiben können. Ich fände es nur eine interessante Zusatzqualifikation, wenn man selbst erlebt hat, was Schreiben in der Praxis bedeutet und dann erst die Werke anderer Schreiber beurteilt. Aber das muss man nicht so sehen und das ist auch nicht mein eigentliches Problem mit der Situation.
Was ich nicht verstehe ist viel eher folgendes: Natürlich kann man Schreibtalent niemandem lehren. Ebenso nicht creativität oder eine besondere und unverwechselbare Sicht der Dinge oder eine außergewöhnliche Biographie. Das ist mir klar. Aber was man eben lernen kann, das ist das Handwerkszeug, das handwerkliche. So ein Musiker kann eben an der Uni oder auf dem Konservatorium lernen, wie er technisch saubere Koloraturen singt, oder wie man die Bogentechnik auf dem Cello verfeinern kann, weil man eine bestimmte Methode anwendet. Einem Musiker ohne Talent wird so ein Unterricht nichts bringen, weil er das nicht umsetzen kann.
Aber ein junger Mensch mit schriftstellerischem Talent, der an der Praxis an einigen Hürden vorerst scheitert, der könnte doch anhand von Handwerkszeug so einiges lernen und verbessern? Warum sollte beim Schreiben Talent nicht auch ausbaufähig und für gezieltes Training empfänglich sein? Dabei will ich mich jetzt auch nicht streiten, welche Methode da besser wäre. Aber ich bin sicher, dass es theoretisch Methoden gäbe, die da Hilfe bringen können. Und im wissenschaftlich erprobten und erforschten Rahmen würde ich da eher erwarten, dass da hochwertiges und effektives Training geboten würde. Wahrscheinlicher als eben auf dem ganz freien Markt.
Und um noch einmal auf die Literaturwissenschaft zurück zu kommen: Dort lernt man zum Beispiel, welche Erzählperspektiven es gibt und woran man die erkennt und wie man die in eines der Schemen einordnet. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass man mit dem Wissen alleine schon in der Lage ist, einen Text in einer bestimmten Erzählperspektive so zu verfassen, dass Perspektive und Text ideal zusammen spielen und eine überzeugende Wirkung nach sich ziehen. Und ich denke schon, dass man diesen Lernprozess mit gezieltem Training beschleunigen könnte.
Bei kleinen Grundschulkindern würde ja auch jeder zustimmen, dass man das Schreiben von elementaren literarischen Werken trainieren kann. In der Schreibdidaktik auf Grundschulniveau hat sich in den letzten Jahren auch schon einiges bewegt, weil man eben gesehen hat, dass es besser geht. Und da Erwachsene eben auch bildbar sind, gehe ich von aus, dass auch hier Mittel und Wegen denkbar wären.
trüffelsucher hat geschrieben:Und um noch einmal auf die Literaturwissenschaft zurück zu kommen: Dort lernt man zum Beispiel, welche Erzählperspektiven es gibt und woran man die erkennt und wie man die in eines der Schemen einordnet.
Aber ist nicht genau dass das Handwerkszeug, welches einem dann beim Schreiben helfen kann bzw. eigentlich fast unerlässlich ist (was sicher auch intuitiv richtig gemacht werden kann)? Wie viel mehr an Handwerkszeug sollte ein "Autoren"-Lehrgang einem beibringen sollen?
trüffelsucher hat geschrieben:Das bedeutet aber noch lange nicht, dass man mit dem Wissen alleine schon in der Lage ist, einen Text in einer bestimmten Erzählperspektive so zu verfassen, dass Perspektive und Text ideal zusammen spielen und eine überzeugende Wirkung nach sich ziehen.
Genau so verhält es sich bei Musikern, welche das Lesen von Noten, das Spielen von Instrumenten und die Geschichte der Musik beigebracht bekommen - aber hinterher niemand eine Gewähr dafür hat, dass sie neues Schaffen können, was irgendwie so klingt, dass man es genießen könnte. Ebenso lernt der Bildhauer den Umgang mit verschiedenen Werkzeugen, verschiedenen Materialien und die Geschichte bzgl. anderer Künstler und vielleicht deren Motive. Und nach der Ausbildung bedeutet das nicht, dass diese ausgebildeten Künstler in der Lage sein werden, Kunst zu schaffen.
Wie geschrieben: was du für die "bildenden Künste" oder "Musiker" bzgl. einer Ausbildung schreibst, gilt auch für Künstler des Wortes und der Schrift. Wobei Literaturwissenschaft nur einen Aspekt bietet. Auch ein Germanistik-Studium hat die Sprache zum Gegenstand der Lehre.
Ich bin selbst in der DDR aufgewachsen und es wäre mir neu, dass Kinder dort direkt von Autoren gefördert wurden. Auch wenn es damals mehr Buchläden gab als heute, war das eigentlich eine Branche die eher nebenbei lief, weil die Leute Bücher wollten. Aber andere Dinge, wo man Kinder gefördert hat, waren da wesentlich wichtiger.
Aber die Möglichkeiten, die Musiker oder bildende Künstler haben, um eben ihre Grundlagen zu lernen, gibt es doch kaum als Ausbildungsberufe. So wie eben auch kein Ausbildungsberuf als Autor oder Dichter vorhanden ist. Wer da was lernen will, muss eben studieren und selbst das kostet Geld. Ob man nun einen Kurs bei der Volkshochschule belegt oder andere Kurse bucht, wo man direkt mit Autoren arbeitet, ist recht egal. Man muss so oder so erst mal ordentlich Geld investieren.
Wirft man aber einen Blick in entsprechende Fachzeitschriften, wie Textart, dann wird man auch die Angebote entdecken, wo man eben lernen kann. Ob sich das Geld lohnt zu investieren, wird man dann erst später erkennen. Aber Angebote sind vorhanden, nur werden sie nicht so großartig beworben, dass es alle Leute mitbekommen.
Punktedieb hat geschrieben:Ich bin selbst in der DDR aufgewachsen und es wäre mir neu, dass Kinder dort direkt von Autoren gefördert wurden.
Doch, das gab es. Recherchiere mal zum Thema Spezialistenlager "Junge Poeten". Diese Talentförderung war zwar sicher nicht so bekannt, wie die Förderung von mathematisch oder technisch begabten Kindern, aber es gab sie. Ob das für die ganze DDR galt, weiß ich nicht. In Brandenburg gab es das aber. Im Internet findet man unter anderem einem Beleg im Archiv der Zeitung ND. Da steht zwar nicht, wer die Dozenten waren, aber ich habe da mal mir jemanden gesprochen, der mit der Organisation Kontakt hatte und in einem Schloss im Süden von Berlin als Schüler in so einem Förderungslager kurzzeitig teilgenommen hat. Also quasi eine Zeitzeugenaussage.
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