Ist das Sterben des Semikolon ein Anlass zum Trauern?
Hat der Kurzsatz das Semikolon fürchten gelehrt? Stirbt es aus? Es hat seine Berechtigung zwischen Punkt und Komma. Ist das Komma zu schwach oder der Punkt zu stark, nimmt man das Semikolon. Ein Semikolon erwartet von seinem Benutzer Verantwortung und eine klare Entscheidung. Es kann gleichrangige Wortgruppen voneinander abtrennen.
Bernhard Shaw erklärte mal: „ Als Autor das Semikolon zu verschmähen, zeuge von einem geistigen Defekt.“ Ähnliche Äußerungen kamen von anderen Schriftstellern. Nun heißt es, Schuld sei der Kapitalismus, der es wegrationalisiert habe. Es sei kein Platz mehr für gedankliche Ausschweifungen. Es gibt also viele Gründe, warum das Semikolon verschwindet. Im digitalen Zeitalter wird anders gedacht: einfacher, schneller. Die Menschen verbringen weniger Zeit mit Online lesen. Das Sterben des Semikolons heißt, dass die Wirklichkeit heute ohne auskommt. Brauchen wir das Semikolon heute noch? Oder genügt für die knappen Sätze der Punkt und das Komma? Habt ihr oft ein Semikolon benutzt?
Ich kann mich jedenfalls nicht bewusst daran erinnern, jemals ein Semikolon benutzt zu haben, denn ich finde dieses Satzzeichen tatsächlich überflüssig. Meiner Meinung nach sieht es nicht nur merkwürdig aus, es teilt den Satz oft auch in unnatürlicher Weise, was für den Lesefluss nicht gerade förderlich ist. Besonders ärgerlich finde ich es, wenn ich den Text eines Autors lese, welcher mit Semikolons nur so um sich wirft. Dies wirkt schnell arrogant und überheblich und lässt jedenfalls mich meist die Lust am Lesen verlieren.
Ich persönlich benutze gern einen Bindestrich, wobei ich dieses Satzzeichen aber auch sehr dosiert einsetze. Natürlich sind Semikolon und Bindestrich nicht wirklich miteinander zu vergleichen. Bei letzterem handelt es sich jedoch - im Gegensatz zum Semikolon - um eines der selteneren Satzzeichen, mit denen auch ich mich mittlerweile angefreundet habe.
Mich macht Sprachwandel generell nicht trübsinnig. Das Semikolon ist ja nur eines der Phänomene, die seit einiger Zeit vor sich gehen. Ich habe zwar keine Daten zum Vergleich, aber ich vermute, dass das Semikolon schon vor der Internetära auf dem absteigenden Ast saß. Solche Prozesse dauern in der Regel länger als ein paar Jahre.
George Bernhard Shaw ist zwar ein angesehener Autor. Zu seinem Zitat würde ich mich aber in Distanz halten wollen. Schließlich schreibt diese Person bekanntlich auf Englisch. Und für andere Sprachen gelten bekanntlich auch oft andere Präferenzen, was das Setzen von Satzzeichen angeht. So würde ich es daher nicht einfach so übertragen wollen, dass das Meiden des Semikolons auch im deutschsprachigen Schrifttum von einem geistigen Schaden zeugt.
Von wann und von wem ist eigentlich die Argumentation, dass das Semikolon vom Kapitalismus vernichtet wird? Beim Lesen dieser Aussage musste ich schon sehr schmunzeln. Solche Aussagen mögen teilweise zutreffen. Wenn beispielsweise ein Internetshop eine Aritkelbeschreibung online stellt, will er mit dieser das Produkt so gut wie möglich verkaufen. Selbstredend soll der Text dann auch für Leute verständlich sein, die nach dem Hauptschulabschluss eine Lehre begonnen haben und keine akademischen Weihen genossen haben. Aber wäre es nicht blasiert, einen quasi literarischen Standard für Gebrauchstexte im Internet zu fordern, der letztlich viele Menschen ausgrenzt, die aus welchen Gründen auch immer unterdurchschnittlich lesen können? Wäre das nicht Diskriminierung?
Mich würde zudem interessieren, bei welchen Romanautoren man heute das Semikolon noch findet. Denn Romane bedeuten ja, dass man gedanklich weit mehr ausschweift, als bei anderen Textsorten. Theoretisch sollte man dort noch vermehrt dieses Satzzeichen finden. Wenn nicht, dann wäre spannend, wann es noch häufig vorkam. So bewusst und intensiv habe ich beim Lesen noch nicht auf Formalia wie Zeichensetzung geachtet, dass ich jetzt aus dem Stegreif Autoren nennen könnte. Thomas Mann wäre da sicherlich ein guter Kandidat. Aber auch dessen Schreibstil, der ja für Schachtelsätze bekannt ist, war schon bei seinen Zeitgenossen nicht unbedingt als das non plus Ultra angesehen. Vielleicht fallen ja euch Beispiele ein.
Auf jeden Fall weiß ich, dass ich da künftig darauf achten werden, denn irgendwie ist das kleine Satzzeichen schon ein interessanter Aspekt des literarischen Schaffens.
Die Theorie zum Verschwinden des Semikolons stammt von Theodor W. Adorno, der ja nun auch schon eine ganze Weile nicht mehr lebt. Aber schon damals gab es Diskussionen über das Semikolon. So äußerte sich Max Zollinger schon 1940, dass für viele Menschen der Strichpunkt „überhaupt nicht existiere“. Verantwortlich gemacht wurde die Schreibmaschine, die damals das Satzzeichen nicht immer hatte. Seit es den Computer gibt, hat sich das zwar erledigt, aber gebraucht wird es trotzdem nicht. Vor allem jüngere Menschen benutzen es kaum. Das Heute kommt ohne Semikolon aus.
Ich bin 1968 in die Schule gekommen und habe dort einige Jahre verbracht und das Semikolon wurde in der gesamten Schulzeit nur kurz am Rande angesprochen. Meiner Meinung nach ist es schon lange so, dass es nicht mehr benutzt wird und ich habe auch hier im Forum schon gesehen, dass es genutzt wird, aber auch, dass es falsch genutzt wird. Statt eines Kommas wurde da ein Semikolon gesetzt. Es wird einfach gesetzt, weil es da ist und nicht, weil man noch genau weiß warum es gesetzt wurde.
Das Semikolon war immer ein Mittelding zwischen Punkt und Komma. Wenn der Punkt zu hart den Satz trennte, aber es für ein Komma doch zu wenig war, wurde das Semikolon eingesetzt. Es ist quasi ein Satzzeichen, der zwei völlig getrennte Sätze doch mit einander verbunden hat. Und dass dies Schwachsinn ist, wurde eben auch schon früh erkannt und ich muss sagen, dass ich den Titel des Threads hier ziemlich lustig finde. Wegen eines fehlenden oder nicht mehr genutzten Satzzeichens trauern ist schon übertrieben .
Ja, Diamante, das mit dem Trauern ist schon irgendwo lustig. Es gibt genug Leute, die dem Dativ und eben auch dem Semikolon hinterher weinen. Aber die wirklich wissenschaftlich interessierten, wie zum Beispiel die Linguisten handhaben das wesentlich lockerer und beobachten eher interessiert ein Phänomen, das sich auswerten lässt, statt Gefühle zu entwickeln. Von daher amüsiert mich solch ein Gefühlsausbruch eher. Aber Adorno sieht das eben subjektiv und nicht wissenschaftlich.
Die andere Möglichkeit ein Semikolon einzusetzen ist die Parenthese. Aber auch hier ist das Zeichen durch den Bindestrich ersetzbar. Letztlich tendiert Sprache im natürlichen Sprachwandel immer dazu sich selbst zu vereinfachen. Zumindest haben wir das so an der Universität gelernt. Von daher ist es sogar zu erwarten, dass Elemente nach und nach ausgemerzt werden, bei deren Einsatz keine klaren Regeln und keine zwingende Notwendigkeit besteht.
Zum Thema Schulunterricht auch noch etwas: Ich kann mich auch erinnern, dass das Satzzeichen kaum gelehrt wurde. Einer unserer Deutschlehrer hat sogar mal die Empfehlung ausgesprochen, ganz darauf zu verzichten, weil man sich damit eben viele Möglichkeiten von Fehlern erspart, ohne auf Mehrwert zu verzichten. Ich vermute mal, dass das keine Einzelmeinung unter Deutschlehrern ist. Und bei der heutigen Schülergeneration ist man ja oft schon froh, wenn die die Kommata annähernd richtig setzen.
Zum Bedeutungsverlust im Internet ist mir im Nachhinein auch noch was eingefallen: Da die Suchmaschinen Satzzeichen recht wenig berücksichtigen, wird beim Verfassen von Texten da im Netz auch vergleichsweise wenig darauf geachtet. Es verliert einfach an Bedeutung, da es vermutlich auch schwierig wäre, eine Suchmaschine so zu programmieren, dass sie Satzzeichen bei der Suche sinnrelevant beachtet.
Ich trauere sicher nicht darüber, dass das Semikolon immer mehr von der Bildfläche verschwindet. Es ist eben einfach ein Satzzeichen, was man nicht wirklich zwingend braucht. Das ist zumindest meine Meinung. Schon in der Schule wurde dieses Satzzeichen zwar besprochen, aber nicht wirklich oft verwendet und so ging es bei mir dann weiter. Hin und wieder habe ich es mal benutzt, aber das waren alles Fälle, in denen ich den Satz auch anders hätte schreiben können und in mehr als 99% aller Fälle komme ich ohne das Satzzeichen prima klar.
Ich freue mich immer, wenn ich ein Semikolon entdecke, denn irgendwie mag ich dieses seltene Satzzeichen schon gerne. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich dieses Satzzeichen eigentlich so gut wie nie benutze, vielleicht habe ich es einmal oder zweimal benutzt, also alles andere als besonders häufig. Ich erinnere mich an eine Situation in der fünften Klasse, eine Lehrerin diktierte uns ein kurzes Diktat mit Satzzeichen.
Als die Lehrerin "Semikolon" sagte, schaute die ganze Klasse auf und fragte "was?", das war schon ein wenig lustig. Ich glaube, dass die meisten das Semikolon nur noch für zwinkernde Smileys benutzen - dafür ist das Semikolon auch gut und geeignet. Nachtrauern würde ich dem Semikolon aber nicht.
Ich weiß, wie man dieses Satzzeichen benutzt, aber ich kann mich tatsächlich nicht erinnern, wann ich das außerhalb der Schule jemals benutzt habe. Man müsste sich dafür ja praktisch in einer Situation befinden, in der man sich nicht so ganz sicher ist, ob man den Satz hier wirklich abschließen möchte oder nicht, und ich wüsste jetzt nicht, wie so ein Satz aussehen könnte.
Vielleicht sollte ich jemanden, der sich damit wirklich gut auskennt, mal zum Spaß mal einen meiner Texte korrigieren lassen um zu sehen, wo ein Semikolon angebracht gewesen wäre.
Deshalb kann ich auch natürlich nicht traurig sein, dass dieses Satzzeichen aus der deutschen Sprache verschwindet. Wenn ich sehe, wie schlecht manche Leute die deutsche Grammatik beherrschen und wie schlecht sie mit den anderen Satzzeichen umgehen können denke ich eh, dass es größere Baustellen gibt.
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