Wie kann man dem Kind Angst vor alten Märchen nehmen?
Mein Neffe hat vor ein paar Monaten vor einem Bekannten seiner Eltern, der selber keine Kinder hat, das Märchen Hänsel und Gretel vorgelesen bekommen. Nun hat der kleine Mann danach total Angst bekommen. Natürlich haben sie ihm erklärt, dass das nur eine Geschichte ist, aber das hat nur bedingt etwas gebracht.
Als wir dann zu Besuch waren, kam er weinend auf mich zu gerannt, so völlig ohne ersichtlichen Grund und meinte, dass Eltern die Kinder im Wald aussetzen und er das nicht will. Der arme Kleine hat von mir dann auch noch mal eine Aufklärung zu dem Thema bekommen, aber dass er jeden Tag in einen Waldkindergarten muss in der Woche, den er nicht mag, macht es nicht gerade besser. Wie bekommt man das nun wieder hin?
Der Bekannte hat entweder die Geschichte falsch erzählt, sie nicht zu Ende erzählt oder die Schwerpunkte völlig falsch gelegt. Denn - so brutal die Geschichte auch sein mag - läuft es doch auf ein "Happy End" heraus, bei dem auch die Eltern wieder zu den Guten gehören. Daher ist der Plan doch der, dass das Kind sich in erster Linie das Ende merkt und von der Geschichte nur noch weiß, dass die Hexe tot ist und die Kinder wieder bei den Eltern sind.
Hier würde ich vorschlagen, die Geschichte richtig zu wiederholen oder aber das Kind regelmäßig zu trösten und darauf zu bauen, dass die Geschichte bald auch wieder vergessen wird. Immerhin ist ja anzunehmen, dass das Kind auch sonst Dinge erlebt, welche so eine Geschichte früher oder später verdrängt.
Der Neffe ist mittlerweile wohl schon bald geschlechtsreif, aber ich halte es auch für bedauerlich, aber relativ normal, dass Kinder Geschichten, oder auch Filme oder sonstige Medien in den falschen Hals bekommen, weil sie entweder noch zu jung dafür sind oder sich generell gerade in der falschen Phase befinden. Und gerade die alten Märchen sind wirklich nichts für Kinder, sondern werden nur gerne so dargestellt.
Ich würde in diesem Fall auch gar nicht mehr groß auf der Geschichte herumhacken, sondern den Ball flach halten und das Kind mit anderen, positiveren Storys ablenken, bei denen niemand im Wald zum Sterben zurückgelassen wird. Allein schon die Grundsituation ist zudem auch eigentlich brutal tragisch, wenn eine Familie vor der Wahl steht, entweder die Kinder auszusetzen oder gemeinsam mit ihnen zu verhungern. Es gibt schließlich genügend Kindergeschichten, in denen der größte Konflikt darin besteht, dass der Tommi den roten Stift nicht hergeben will.
Wenn man genau hinschaut, was in den meisten klassischen Märchen so abgeht, kann es einem schon kalt den Rücken hinunterlaufen. Egal, wie man die Story von Hänsel und Gretel dreht, wendet, und positiv zu erzählen versucht, sie beginnt nun mal damit, dass Eltern versuchen, ihre Kinder loszuwerden, und sie einem einsamen, hilflosen und langsamen Tod irgendwo in der Wildnis überantworten. Juhu, das will das empfindsame Kindergartenkind von heute wirklich hören.
Zwar geht die Geschichte gut aus, und viele Kinder gruseln sich bekanntlich auch gerne, aber als Elternteil sollte man die Psyche seines Stöpsels schon gut genug einschätzen können, um zu beurteilen, ob und wann er (oder sie) reif für den Backofen, die glühenden Schuhe oder den Teufel mit den drei goldenen Haaren ist. Ich persönlich würde es auch nicht als Verlust ansehen, wenn Kinder nicht ausgerechnet die ebenso uralten wie brutalen Klassiker um die Ohren gehauen bekommen, sondern vielleicht etwas weichgespültere moderne Kindergeschichten, bei denen Mama und Papa immer da sind und helfen, wenn man sie braucht.
Ich weiß nicht, wie verweichlicht die Kinder von heute sind. Meine Kinder und sogar ich haben im Kindesalter die Märchen vorgelesen bekommen und sie später selbst gelesen. Im Kindergarten wurde in Rollenspielen mit Kinderliedern Dornröschen, Hänsel und Gretel usw. nachgespielt und siehe da, ich habe keinen Schaden genommen und auch meine Kinder nicht. Die Diskussion über die alten Märchen ist ja schon mehrfach hier im Forum vorhanden und ich muss mich jedesmal wundern, dass meine Generation und die Generation unserer Kinder überhaupt noch Kinder in die Welt setzen konnten.
Vielleicht sollten die Eltern sich mal mit dem Kind hinsetzen und dann auch das Märchen mal mit Hilfe eines bebilderten Buches lesen und immer wieder erklären, was gerade geschieht und dass es eben ein Märchen ist.
Diamante hat geschrieben:Ich weiß nicht, wie verweichlicht die Kinder von heute sind. Meine Kinder und sogar ich haben im Kindesalter die Märchen vorgelesen bekommen und sie später selbst gelesen.
Das weiß ich auch nicht und frage ich mich immer wieder aufs neue. Ich finde es ebenfalls so, dass die Kinder von heute einfach nur zu weich sind und direkt bei jedem kleinen Furz am heulen sind oder das schlimmste annehmen. Ich denke es kommt vor allem daher, dass die Eltern heute der Meinung sind, dass sie ihre Kinder vor allem und jedem Behüten und beschützen müssen, vieles einfach verharmlosen oder gar nicht erst ansprechen weil es dem Kind Angst machen könnte. Sieht man auch daran, dass man Kinder keine Nachrichten sehen lassen soll da sie ansonsten etwas von der Realität mitbekommen. Das die Landung in der Realität damit schlimmer ist, als wenn ein Kind an so etwas herangeführt wird, ist den meisten nicht mal klar dabei in ihrer rosaroten Ponywelt aus Wattebällchen und Flausch, in die sie ihre Kinder stecken.
Mit den Märchen ist es nicht anders. Man findet sehr viele Haushalte, die Märchen komplett ablehnen da diese zu "brutal" sind für Kinder und damit aus dem Kinderzimmer verbannt worden sind. Irgendwann gibt es dann doch einen Erstkontakt damit und für die Kinder bricht eine Welt zusammen, wie hier mit dem Aussetzen. Dann wird das ungeliebte Kindergarten Dasein im Wald noch damit in Verbindung gebracht und schon hast du das Drama perfekt zusammen. Einfach nur weil vorher alles überhütet worden ist, nicht heran geführt wurde und auch nicht deutlich gemacht wurde was eine Geschichte ist und was Realität. Geschweige denn mal auf die Fragen und Ängste vom Kind der Realität eingegangen worden ist, denn die Abneigung gegen den Waldkindergarten scheint schon eher bestanden zu haben und auch einem anderen Grund als Ursache zu haben als das Märchen. Das wurde nur damit noch verbunden und damit hat man dann den GAU gebastelt.
Mein Sohn kennt Märchen, er weiß, dass es Geschichten sind und auch wenn er etwas vom aussetzen im Wald hört, bringt er es nicht mit einem Waldtag im Kindergarten in Verbindung sondern freut sich darauf. Zudem die Märchen von heute auch sehr entschärft sind, lest mal die Urfassungen der Märchen, dann habt ihr ein brutales Kinderbuch, aber auch damit sind Kinder von damals groß geworden, da bestand die Welt aber nicht aus rosa Flausch und Plüscheinhörnern, zusammen mit Wattebällchen Zimmern in welche die Kinder intellektuell gesperrt worden sind, aus falscher Sorge und Übermuttern. Von daher wundert es mich nicht, dass die "weichen" damit dann überfordert sind, wenn der Erstkontakt rabiat von hier auf jetzt erfolgt ohne jemals herangeführt zu werden.
Meiner Ansicht nach werden viele Kinder viel zu sehr in Watte gepackt von den Eltern und da ist es kein Wunder, dass man dann so überreagiert. Ich habe die Märchen als Kind geliebt und mein liebstes Märchen war dabei die kleine Meerjungfrau. In meinem Märchenbuch war es so, dass die Meerjungfrau mit einem Dolch den Prinzen ermorden sollte, damit sein Blut ihre Füße benetzt und sie wieder eine Meerjungfrau wird. Sie hat es jedoch nicht getan, sondern sich ins Meer gestürzt und sich in Luftblasen aufgelöst (sprich: sie ist gestorben).
Das hat mich auch nie traumatisiert. Ich wusste doch, dass das Geschichten sind und wenn man das den Kindern auch entsprechend vermittelt, haben diese auch keine Angst vor Geschichten und reagieren nicht über wegen absoluter Kleinigkeiten. Ich frage mich da eher, was in der Erziehung falsch gelaufen ist, wenn die Kinder so übertrieben reagieren.
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