Woher das falsche Verständnis von Meinung?

vom 14.05.2014, 17:49 Uhr

Wieder mal ein Beispiel für ein falsch ausgelebtes Toleranzverständnis. Vor kurzem gab es in einem Bayern Spiel (CL: Bayern gegen Arsenal) einen Vorfall, bei dem "junge Bayern-Fans" ein Transparent entfaltet hatten, auf welchem "Gay Gunners" stand und eine abscheuliche Zeichnung gemalt wurde. Die Macher dieses Transparents fanden dies wohl lustig und die Ordner in der Allianzarena waren wohl mit anderen Dingen beschäftigt, so dass das Transparent eine verhältnismäßig lange Zeit gut sichtbar auch von den Fernsehkameras erfasst werden konnte.

Jetzt hat der Verein reagiert und die Urheber ermittelt. Weil auf Grund der Strafe der UEFA wg. dieses Transparents die Bayern beim nächsten Heimspiel einen Block gesperrt bekommen hatten (ca. 200 leere Plätze bei Kartenpreisen von etwa 100 Euro das Stück!) sind hier natürlich Einnahmen verloren gegangen. Der Verein hat nun die vier Übeltäter zur Rechenschaft gezogen und den (symbolischen) Betrag von 2000 Euro pro Person eingefordert.

Jetzt echauffiert sich ein Teil der Netzgemeinde und behauptet, dass das ein Eingriff in die "Meinungsfreiheit" sei. Da frage ich aber ernsthaft, welche "Meinung" denn das Transparent zum Ausdruck hat bringen sollen? Wer jetzt behauptet, die Aussage "Gay Gunners" wäre NICHT schwulenfeindlich gemeint und "schwul" wäre doch kein Schimpfwort, der blendet den Kontext in welchem das ganze geschehen ist komplett aus. Der müsste übrigens dann auch bei jedem Boxkampf eingreifen, weil hier offenbar zwei Personen willkürlich eine Schlägerei beginnen.

Natürlich wollten diese "Bayernfans" hier eine Beleidigung zum Ausdruck bringen! Und mir erschließt sich nicht, was das jetzt mit "Meinungsfreiheit" zu tun hat. Das geht dann auch weiter - in eigentlich viele Bereiche und bedeutet IMMER Diskriminierung. Jetzt denjenigen, die eben dagegen vorgehen, vorzuwerfen, sie unterdrücken die Meinung von anderen, spielt sich aus meiner Sicht nur als Anwalt der Rechten auf und will damit klarmachen, dass Schwulenfeindlichkeit als Meinung legitim sein kann.

Ich bin fest der Ansicht, dass das eben NICHT sein kann. Wenn Homophobie bekämpft wird, dann hat dies nichts mit Zensur zu tun. Wer klar macht, homophoben Dummköpfen keine Bühne bieten zu wollen, unterdrückt keine Meinungsäußerung, sondern setzt sich sogar für Freiheiten ein.

Ich bin davon ausgegangen, dass das eigentlich selbstverständlich ist und nicht erklärt werden müsste. Aber auf Grund diverser Aussagen im Netz eben zu dem Plakat und der ausgesprochenen Strafe, fühle ich mich wie "im falschen Film". Welches Detail muss ich übersehen, wenn ich in dem Punkt irre?

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Du hast gar nichts übersehen. Dieses Plakat hat nichts mit freier Meinungsäußerung zu tun. Allerdings ist das Konzept etwas schwierig. Wenn man sich nicht näher damit beschäftigt, dann meint man, man dürfe alles sagen, was man will. Aber so funktioniert die Meinungsfreiheit nicht. So funktioniert fast kein Recht. Eigentlich doch nur der erste Absatz über die Menschenwürde. Alle anderen sind nicht absolut, sondern müssen dort eingeschränkt werden, wo sie andere Rechte verletzen, die höher stehen.

Man erlebt es leider immer wieder, dass das viele nicht verstehen. Ebenso wie die Toleranz. Wenn man tolerant sein will, muss man alle anderen Meinungen tolerieren. Das hat aber auch Grenzen. Intoleranz zu tolerieren kann jedenfalls nicht das Ziel von Toleranz sein. Nur, um das zu begreifen, müsste man mal ein bisschen sein Hirn anstrengen. Und viele bevorzugen es eben schwarz-weiß, weil das so schön einfach ist.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich verstehe nicht, wie man sozusagen Anhänger und Fan einer bestimmten Mannschaft oder Institution sein kann und gleichzeitig aber eine Einzelperson daraus so demütigen kann. Ich finde, jeder kann selbst entscheiden wen er liebt und das sollte auf keinen Fall mit seiner sportlichen oder sonst irgendeiner Leistung zusammenhängen.

» crazykris1 » Beiträge: 605 » Talkpoints: 37,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich kann zu dem angesprochenen Vorfall nichts sagen, weil ich davon hier zum ersten mal lese, aber die Geisteshaltung, die den ganzen zugrunde liegt ist mir nicht unbekannt. In den USA fühlen sich die Christen in ihrer Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit eingeschränkt, weil ihnen verboten wurde Homosexuelle zu diskriminieren oder weil man sich in einige Staaten dazu durch gerungen hat homosexuellen Paaren mehr Rechte einzuräumen.

Was ich in dem Zusammenhang nie verstehe - die Diskriminierung der einen Gruppe wird als Meinungsfreiheit verstanden, aber wenn man nur ein Wort ersetzen würde, also eine andere Gruppe verwendet werden würde, würde jeder mit ein paar grauen Zellen sofort erkennen, dass das falsch ist. Es würde doch niemand für "Meinungsfreiheit" argumentieren, wenn jemand als "Nigger" oder "Jude" beschimpft wird.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Cloudy24 hat geschrieben: In den USA fühlen sich die Christen in ihrer Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit eingeschränkt, weil ihnen verboten wurde Homosexuelle zu diskriminieren oder weil man sich in einige Staaten dazu durch gerungen hat homosexuellen Paaren mehr Rechte einzuräumen. ... Es würde doch niemand für "Meinungsfreiheit" argumentieren, wenn jemand als "Nigger" oder "Jude" beschimpft wird.

Wenn man Schwarze als "Nigger" beschimpft, ist das eine Beleidigung. Ebenso "Schwuchtel" zu Homosexuellen zu sagen. Es ist Diskriminierung, ihnen weniger Rechte zu geben als anderen Personengruppen. Aber Christen werden nicht dadurch beleidigt, dass sie andere nicht diskriminieren dürfen. Es ist ihr gutes Recht, schlecht über Homosexuelle zu denken, aber ihre Rechte zu beschneiden, ist nicht ihre Aufgabe und sie haben kein Recht darauf, nur weil sie sich auf ihren Glauben berufen.

Ich finde beide Fälle nicht vergleichbar. Als "Nigger" bezeichnet zu werden ist passiv. Derjenige hat nichts getan. Er kann auch seine Hautfarbe nicht ändern und hat sie sich nicht ausgesucht. Jemanden als "Schwuchtel" bezeichnen zu wollen, ist aktiv. Es geht nicht darum, Bezeichnungen auszutauschen, sondern auf welcher Seite man steht. Auf der, die angegriffen wird oder auf der, die angreift.

Das Argument der Meinungs- und Religionsfreiheit hat doch bei Christen, die gerne Homosexuelle diskriminieren würden, genauso wenig Berechtigung wie bei jemanden, der Schwarze gerne "Nigger" nennen würde. Ich denke, es gibt viele, die auch ihren Rassismus mit dem Argument der Meinungsfreiheit verteidigen. Es gibt nur weniger Menschen, die dieses Argument schlüssig finden im Gegensatz zu etwas mehr Menschen, die fundamentalen Christen Recht geben.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Bienenkönigin hat geschrieben:Ich finde beide Fälle nicht vergleichbar. Als "Nigger" bezeichnet zu werden ist passiv. Derjenige hat nichts getan. Er kann auch seine Hautfarbe nicht ändern und hat sie sich nicht ausgesucht. Jemanden als "Schwuchtel" bezeichnen zu wollen, ist aktiv.

Wenn ich mit meinem Plakat jemanden wegen seiner Sexualität, die er sich übrigens nicht ausgesucht hat und die er auch nicht ändern kann, beleidige, ist das etwas anderes als wenn ich jemanden wegen seiner Hautfarbe beleidige? Wenn ich denke, dass es in Ordnung ist, einen Begriff, der sich auf die sexuelle Identität eines Menschen bezieht, als Schimpfwort zu benutzen, ist das etwas anderes, als wenn ich einen Begriff, der sich auf die Hautfarbe bezieht, als Schimpfwort benutze?

Erkläre mir doch bitte mal ganz genau, wo da die Unterschiede liegen. Diese aktive und passive Geschichte verstehe ich nämlich absolut nicht. In beiden Fällen wird eine bestimmte Gruppe Menschen beleidigt und diskriminiert und keine dieser Gruppen spielt irgendeine aktive Rolle in ihrer eigenen Diskriminierung.

Es geht nicht darum, Bezeichnungen auszutauschen, sondern auf welcher Seite man steht. Auf der, die angegriffen wird oder auf der, die angreift.

Doch, genau darum geht es. Es geht darum einen Begriff durch einen anderen zu ersetzen um den Leuten, die ein diskriminierendes Plakat als "Meinung" verkaufen oder ein diskriminierendes Verhalten als "Religionsfreiheit" sehen zu zeigen, dass es das nicht ist. Wenn man die Gruppe, die jemand diskriminiert, durch eine Gruppe ersetze, die er nicht diskriminieren würden, erkennt er in der Regel, dass es sich bei seinem Verhalten um Diskriminierung handelt. Jedenfalls, wenn er in der Lage ist logisch zu denken.

Das Argument der Meinungs- und Religionsfreiheit hat doch bei Christen, die gerne Homosexuelle diskriminieren würden, genauso wenig Berechtigung wie bei jemanden, der Schwarze gerne "Nigger" nennen würde.

Du hast es erfasst. Genau deshalb kann man die beiden Fälle auch vergleichen und gerade weil es weniger Leute gibt, die Rassismus tolerieren kann man den Homophoben mit diesem Beispiel auch zeigen, wie sie mit ihrer sogenannten Meinung falsch liegen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Oh nein, da haben wir uns jetzt total missverstanden! Ich hatte dich so verstanden: die Christen wollen Schwule diskriminieren, dürfen es nicht und plädieren dann auf Meinungsfreiheit. Und alle haben Verständnis dafür. Rassisten wollen Schwarze diskriminieren, dürfen es nicht und plädieren dann auf Meinungsfreiheit und keiner hat Verständnis.

Aber wenn ich deinen ersten Post noch mal lese, erkenne ich jetzt, dass du ebenfalls kein Verständnis für die Christen hast. Ich war vorhin wohl zu abgelenkt. Und dementsprechend wirr habe ich wohl auch argumentiert. Also kurz gesagt: wir sind einer Meinung. Man kann sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen, wenn man andere diskriminieren will.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Die zwei Begriffe, die man miteinander austauschen könnte. Ich dachte, das wären "Christen" und "Nigger". Damit würden die Christen ebenso diskriminiert, wenn man ihnen verbietet, ihre Meinung "Schwule sind schlecht" zu äußern, wie Schwarze, wenn sie "Nigger" genannt werden. Und das ist nicht vergleichbar, weil die Christen aktiv diskriminieren wollen, aber die Schwarzen passiv diskriminiert werden.

Und dass sich Schwule ihre Sexualität nicht ausgesucht und nicht ändern können, stimmt natürlich auch zu 100 Prozent. Ich hatte mich nur auf ein Beispiel beschränkt, weil sie wirklich exakt gleich sind. Keiner sucht sich seine Hautfarbe aus und keiner seine Sexualität.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Um auszuprobieren in wie weit jemand es ernst ist mit der Meinungsfreiheit oder derjenige einfach nur ungestraft mit einer Beleidigung durchkommen wollte: Machen wir es wie in der Mathematik, machen wir die Gegenprobe.

Ein Fußballfan, der andere als schwul beschmipft (was eh ein Unding an sich ist) dürfte seinerseits auch sein Bündelchen an Komplexen mit sich rumschleppen, auf denen man in gehässiger Weise rumreiten kann. Wenn er brummelt "Nun ja, ist alles im Rahmen der Meinungsfreiheit", dann meint er es ernst. Aber vermutlich wird er spätestens bei der dritten Beleidigung die Sache mit der freien Meinung komplett vergessen sein und man muss dann nur noch mit einem tobenden Fußballfan fertig werden.

Bei fundamentalen Christen ist die ganze Sache noch leichter, da weiß man ja gar nicht wo man bei den ganzen Steilvorlagen welche diese bieten anfangen soll. Mein persönlicher Favorit ist bei allen Unsinn, den Christen aufgrund von "steht in der Bibel" verzapfen, ist die Gegenfrage "Wo denn zwischen der sprechenden Schlange und der schwangeren Jungfrau?".

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und muss geschützt werden. Aber sie ist nicht die Freiheit der böswilligen Unterstellung. Denn davor steht noch eine wichtigere Sache: Die Unverletzlichkeit der Würde des Menschen.

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» Nephele » Beiträge: 1047 » Talkpoints: 2,22 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich bin da voll deiner Meinung. Natürlich ist Meinungsfreiheit wichtig, aber diese Aktion war eine blöde Demonstration und sollte von vorneherein nur provozieren. Fußball ist eine öffentliche Angelegenheit, die eigentlich begeistern und unterhalten soll. Leider steigern sich immer wieder Menschen, die ich hier gar nicht Fans nennen möchte, so daran, dass sie sich keine Gedanken über ihre Aussagen machen.

In diesem Fall möchte ich aber auch die Gesellschaft im Allgemeinen ansprechen. Schwul ist immer noch nach weitläufiger Meinung ein Schimpfwort, das auch Menschen benutzen, die eigentlich keine negative Meinung über Homosexuelle haben. Oft wird gesagt, dass wäre in solchen Momenten anders gemeint und wäre halt Umgangssprache, aber nicht jeder kann das so klar trennen. Gerade Kinder und Jugendliche sind in diesem Bereich noch nicht reif genug, jede Feinheit wahrzunehmen.

» Mia1989 » Beiträge: 165 » Talkpoints: 11,38 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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